Praxismanagement 31.07.2015
Der Zahnarzt und der Geldfluss in seiner Praxis
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Wie kann der Zahnarzt seine unternehmerische Kompetenz ausbauen? Die betriebswirtschaftliche Praxisführung und das Liquiditätsmanagement stellen häufig eine große Herausforderung für den Zahnarzt dar.
Fachliche Kompetenz allein genügt heutzutage nicht mehr, um als niedergelassener Zahnarzt Erfolg zu haben. Der Mediziner muss gleichermaßen auch Unternehmer sein und seine Praxis nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten organisieren. Gelingt das, ist er auch wirtschaftlich erfolgreich. Erfolg hat jedoch viele verschiedene Facetten und ist ganz vom Individuum abhängig. Allein zu erkennen, wo Stärken, Schwächen und Perspektiven liegen und die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, ist oft schwierig. Als sinnvoll erweist es sich hier oftmals, gerade auch beim Geldfluss in einer Praxis, einen externen Berater hinzuzuziehen.
Im Unternehmenscoaching hat das Thema Liquiditätsmanagement in der Zahnarztpraxis einen wesentlichen Anteil am Gesamterfolg. Dies resultiert zum einen aus der Notwendigkeit, sich im zunehmend dichteren „Nachfragermarkt“ auch als Unternehmen positionieren zu müssen. Zum anderen bemerken wir, dass sich viele Zahnärzte um die betriebswirtschaftlichen Belange wenig bis gar nicht kümmern.
Die Konsequenzen dieser einseitigen Ausrichtung sind daran zu erkennen, dass der Zahnarzt zu große Privatentnahmen vornimmt, ohne dass dies erwirtschaftet wurde. Auf der anderen Seite existieren gerade in einer „Betriebswirtschaft negierenden“ Praxis die größten Unsicherheiten für den Unternehmer und Mediziner.
Ein anschauliches Beispiel
Das nachfolgende fiktive Beispiel zeigt eine Ein-Behandler-Praxis aus einer Großstadt im Westen Deutschlands. Wesentlich ist hierbei die Unterscheidung zwischen Gesamteinnahmen und Honorareinnahmen, denn in vielen Fällen bemerken wir bei Zahnärzten eine Orientierung ausschließlich am Gesamtumsatz. Auch wenn dies eine wesentliche Größe für die Praxis darstellt, so ist doch zu bedenken, dass in vielen Praxen kein Eigenlabor vorhanden ist und somit nur der reine Honorarumsatz als letztendliche Eigenleistung der Praxis herangezogen werden sollte.
Daraus resultieren viele Probleme, mit denen Zahnärzte zum Anfang einer Beratung an uns herantreten. Hierbei wird offensichtlich, dass das Ergebnis im Vergleich zu vielen anderen Praxen im überdurchschnittlichen Rahmen anzusiedeln ist. Die Liquidität ist jedoch eher unbefriedigend und wird als nicht mögliche Privatentnahme und somit als Hemmnis wahrgenommen. Im Rahmen des Unternehmenscoachings gilt es dann, die notwendige Liquidität – inklusive aller Ausgaben und Steuerlasten – zu planen. Maßgeblich sind hierbei auch die Fixgrößen, denn besprochen werden sollte in solchen Fällen ebenfalls, dass z. B. die Finanzierung der Kinderausbildung oder der privaten Immobilie ein wichtiger, aber eben auch hochpreisiger Faktor ist, da diese Ausgaben neben einigen anderen auch aus dem zu versteuernden Ergebnis zu tragen sind.
Im vorliegenden Praxisbeispiel handelt sich um eine etablierte Ein-Behandler-Praxis mit sechs Angestellten, die einen weit überdurchschnittlichen Praxisumsatz aufweist. Aufgrund der Spezialisierungen u. a. in den Bereichen Implantologie, Endodontie und CMD liegt der Privat- und Zuzahleranteil bei über 80 Prozent. Die Praxis beklagt eine angespannte Liquiditätssituation.
Aussagekraft einer „Betriebswirtschaftlichen Auswertung“ (BWA)
Es liegen uns die BWA per Dezember 2012 sowie die BWA per August 2013 vor. Die Aussagefähigkeit einer BWA hängt stark vom Zahlungsverhalten der Patienten sowie vom Zahlungsverhalten der Praxis selber ab. Sollten in einem Jahr wesentliche Patientenzahlungen ausgeblieben bzw. eigene Zahlungen für z. B. Labor- oder Depotrechnungen nicht vorgenommen worden sein, kann die Vergleichbarkeit ohne zusätzliche Informationen nicht gegeben und können die Aussagen zum wirtschaftlichen Ergebnis stark eingeschränkt sein.
Vorgehen
Grundsätzlich empfiehlt sich ein Vergleich über mehrere Perioden bzw. Jahre hinweg. Im Jahresvergleich dieser Praxis sind die in der Tabelle aufgeführten Zahlen auffällig.
Einnahmenvergleich:
|
2012 in TEUR |
2013 in TEUR |
Veränderung in % in TEUR |
|
Summe Betriebseinnahmen |
687,4 |
708,1 |
+3,0 |
+20,7 |
Summe Betriebsausgaben |
553,5 |
606,5 |
+9,6 |
+53,0 |
Vorläufiges Ergebnis |
133,9 |
101,6 |
–24,1 |
–32,3 |
Trotz der auf hohem Niveau leicht gestiegenen Gesamteinnahmen ist das Praxisergebnis insgesamt deutlich rückläufig. Ein Grund hierfür sind die enorm gestiegenen Betriebsausgaben. Es leitet sich nun die Frage ab, woran das liegt bzw. ob es Auffälligkeiten in den Kostenstrukturen gibt.
Ausgabenvergleich:
|
2012 in TEUR |
2013 in TEUR |
Veränderung in % in TEUR |
|
Fremdlaborausgaben |
154,1 |
224,2 |
+45,5 |
+70,1 |
Personalausgaben |
159,1 |
175,9 |
+10,6 |
+16,8 |
Alle sonstigen Ausgaben |
240,3 |
206,4 |
–14,1 |
–33,9 |
Summe Betriebsausgaben |
533,5 |
606,5 |
+9,6 |
+53,0 |
Subtrahiert man die Fremdlaborausgaben in beiden Jahren von den jeweiligen Betriebseinnahmen, kann man hieraus direkt ableiten, dass das rückläufige Praxisergebnis in erster Linie den damit gesunkenen Honorareinnahmen (Kasse und Privat) geschuldet ist und auch nicht durch leichte Kosteneinsparungen in anderen Bereichen kompensiert werden konnte.
Hier muss sich die Frage anschließen, warum die Laborausgaben so stark gestiegen sind. Dies kann auch am Zahlungsverhalten der Praxis liegen.
- Aus der BWA ist ersichtlich, dass durchschnittlich knapp 20.000 EUR Laborleistungen im Monat bezogen werden.
- Im Dezember 2012 wurden aber allein 40.000 EUR an das Labor gezahlt. Wenn man jetzt das Jahr 2013 hinzuzieht, ist zu sehen, dass bis August lediglich 64.000 EUR für Laborleistungen aufgewandt wurden.
- Dies könnte entweder dafür sprechen, dass 2012 noch verhältnismäßig viel oder 2013 deutlich zu wenig Laborleistungen bezahlt wurden. Letzteres kann ein Hinweis auf eine angespannte Liquiditätssituation sein.
Praxisliquidität
Auf der 2. Seite der BWA (SKR 80 – entsprechende Kontorahmen für Zahnärzte der DATEV) wird eine Liquiditätsrechnung aufgemacht, da das Praxisergebnis nicht dem Kontostand entspricht.
So sind in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung keine Darlehensaufnahmen und Darlehenstilgungen, Investitionen, Privatentnahmen, private Steuern etc. enthalten.
Gleichzeitig werden die in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung enthaltenen Abschreibungen der Liquidität wieder hinzugerechnet, da dies eine „steuerliche Position“ darstellt, der kein Zahlungsvorgang zugrunde liegt (die Investition wurde in der Vergangenheit gemacht und auch bezahlt).
Lösung des Liquiditätsproblems: Bestandsaufnahme Vermögenswerte vs. Praxisverbindlichkeiten
Schritt 1: Analyse der IST-Situation (in TEUR)
Aktiva (Vermögen) |
Passiva (Verbindlichkeiten) |
||
Geräte |
63,5 |
Bankdarlehen |
101,0 |
Anlagevermögen, Praxiswert |
- |
||
Kasse, Bankguthaben |
0,4 |
Kontokorrent |
63,8 |
Forderungen Patienten |
70,4 |
Labor |
20,0 |
Forderungen KZV |
18,2 |
Depot |
8,5 |
Sonstige Forderungen |
12,0 |
Sonstige |
6,0 |
Aktiva (Vermögen) |
Passiva (Verbindlichkeiten) |
Summe 164,5 Bilanzsumme 164,5 |
Summe 199,3 Eigenkapital –34,8 Bilanzsumme 164,5 |
Die „Bilanz“ zeigt, dass die Verbindlichkeiten das Vermögen um ca. 35.000 EUR übersteigen. In der Betriebswirtschaft würde man hier von einem negativen Eigenkapital sprechen. Rechnet man jetzt neben den Sachwerten noch den ideellen Praxiswert für den Patientenstamm hinzu, ergibt sich schon eher ein positives Eigenkapital. Für den Analysten ist hier aber nicht der absolute Wert interessant, sondern wie sich die Entwicklung im Zeitablauf darstellt: Zeigt die Praxis eine positive oder negative Entwicklung?
Neben der Ermittlung eines „rechnerischen Eigenkapitals“ ist auch die aktuelle Liquiditätssituation für die Praxis relevant. Hier wird die verfügbare Liquidität ermittelt.
Insgesamt zeigt dies, warum die Liquidität für jede Zahnarztpraxis, aber auch generell für jeden Unternehmer so wichtig ist:
- Liquide sein heißt, zu jedem Zeitpunkt in der Lage zu sein, allen seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können.
- Wenn jemand nicht zahlungsfähig ist, bedeutet dies, er ist insolvent.
Maßnahmen zur Liquiditätsverbesserung
Die Maßnahmen zur Liquiditätsverbesserung folgen dem Prinzip
- Einnahmen vorziehen
- Ausgaben verzögern
- „Gebundenes Vermögen“ freisetzen
Bei unserer Beispielpraxis könnten folgende Maßnahmen die Liquiditätssituation substanziell verbessern: Die „Praxisbilanz“ zeigt, dass es Forderungen gegenüber Patienten und gegenüber der KZV gibt. Diese könnten durch „Factoring“ zu Geld (gleichbedeutend mit Liquidität) gemacht werden.
Auf die Praxisbilanz würde sich dies wie folgt auswirken:
- Reduzierung der Position Patientenforderungen von 70,4 TEUR auf 0 EUR
- Reduzierung Forderungen KZV von 18,2 TEUR auf 0 EUR
- Der Liquiditätsgewinn von 88,6 TEUR führt zu einem Abbau des Kontokorrentkredits von 63,8 TEUR auf 0 EUR sowie den Aufbau von Bankguthaben in Höhe von 24,8 TEUR
Eine weitere Maßnahme könnte sein, verlängerte Zahlungsziele für das Labor und das Depot zu vereinbaren. Angenommen, die Praxis hat bisher innerhalb von 15 Tagen ihre Rechnungen bezahlt und stellt jetzt auf 60 Tage Zahlungsziel um, hätte das zur Folge, dass diese Positionen in der „Bilanz“ deutlich ansteigen würden (60/15 = Faktor 4). Das würde sich auch direkt positiv auf die Liquidität auswirken.
Allerdings: Die Verlängerung der Zahlungsziele beim Labor und Depot führt zu erhöhten Kosten, da die Praxis dann kein Skonto mehr ziehen kann. Gewöhnlich beträgt das Skonto bei Zahlung innerhalb von 28 Tagen drei Prozent. Bei unserem Praxisfall entspräche dies bei einem Material- und Laboraufwand von 269 TEUR im Jahr einem „Verlust“ von ca. 8.000 EUR. Durch diese beiden Maßnahmen (Vorziehen von Einnahmen und Verzögerung von Auszahlungen) wurde dafür aber die Liquidität unserer Beispielpraxis um ca. 176 TEUR verbessert!
Dies spiegelt sich im „Übrigen“ auch in einem höheren „Gewinn“ der Praxis wider, der auch zu erhöhten Steuerbelastungen in diesem Jahr führt.
Insgesamt haben wir hierdurch der Praxis einen finanziellen Freiraum geschaffen, der es ermöglicht, an dem Kernproblem der Praxis zu arbeiten: der fehlenden Rentabilität.
Die wunderbare Welt der Zahlen
Über Bildung individueller Praxis(kenn)zahlen kann die Situation in einer Praxis fortlaufend gemessen und bewertet werden. Die Grundüberlegung hierbei ist, dass, wenn es gelingt, für die Praxis wichtige Kennzahlen zu verbessern, dies dann automatisch zu einem besseren Gesamtergebnis führt. Im vorliegenden Fall könnte es ein Ziel sein, verstärktes Augenmerk auf die im Folgenden behandelten Kennzahlen zu legen.
Honorarumsatz Kasse und Privat (ohne Labor)
Ein erklärungsbedürftiger Punkt in dieser Praxis war auch der geringe Kassenumsatz. Die Praxis scheint wenig Interesse an einer Ausschöpfung der Budgetmöglichkeiten zu haben. Hier werden im Vergleich zur durchschnittlichen Ein-Behandler-Praxis jedes Jahr 50.000 EUR Umsatz „liegen gelassen“.
Umsatz pro Mitarbeiterin
Die Praxis beschäftigt sechs hervorragend ausgebildete Mitarbeiterinnen, zwei davon als Dentalhygienikerinnen bzw. Prophylaxespezialistinnen. Zu prüfen wäre, wie diese betriebswirtschaftlich für die Praxis gewinnbringend arbeiten. Gute PZR-Mitarbeiterinnen erzielen heute Umsätze von 80.000 EUR im Jahr und mehr. Dies wäre eine Zielgröße, die auch für unsere Musterpraxis gelten könnte.
Leistungsstundensatz
Hier stellt sich die Frage, wie viel Umsatz der Praxisinhaber pro Arbeitsstunde erwirtschaftet und wie viel davon als Gewinn übrig bleibt. Im Durchschnitt hat eine Ein-Behandler-Praxis einen Kostensatz von 170–260 EUR und einen Honorarstundensatz von 290–420 EUR. Eine kontinuierliche Steigerung muss das Ziel sein, um einen Inflationsausgleich erzielen zu können.
Kostenquote
Da die Praxis offensichtlich ein „Kostenproblem“ hat, sollte sie versuchen, bei gleichbleibenden Umsätzen die Kosten zu senken. Die Praxis hat eine Öffnungszeit von 60 Stunden in der Woche. Hier stellt sich die Frage, ob solch ein langes Angebot für eine Ein-Behandler-Praxis wirklich notwendig ist, da dies erhebliche Mitarbeiterkapazitäten bindet. Im Management des Terminbuches liegen oft erhebliche Reserven.
Interne Praxisstatistik
Zu geringer Frauenanteil im Patientenstamm
Es gibt Praxen, die bewusst den Anteil der Frauen am Patientenstamm steuern. Bei einem Verhältnis von 2/3 Frauen zu 1/3 Männer hat eine Praxis eine sehr gesunde Struktur. Die Frauen sorgen für das „konstante Grundrauschen“ und bringen dann auch ihre Männer mit, wenn Sanierungsbedarf besteht und damit die etwas aufwendigere Behandlung notwendig wird.
Zu viele Neupatienten im Vergleich zu Stammpatienten
Neupatienten sind wichtig für jede Praxis. Aber Neupatienten bringen erst im Laufe der Zeit Erträge für die Praxis. Am Anfang stehen der Befund und längere Beratungsgespräche, erst die danach folgende Versorgung und die Umsetzung der Behandlungskonzepte führen zu einem nachhaltigen Ertrag.
Fehlende Altersvorsorge
Zwar hat der Zahnarzt mit seinem Versorgungswerk eine Anlage gewählt, bei der die Gelder besser, weil konservativer angelegt werden. Doch führt der hohe Konsum zu einem sehr geringen Anteil an privater Altersvorsorge. Diese Versorgungslücke muss nach der Konsolidierung an oberster Stelle für die verbleibenden Berufsjahre sein.
Fazit
Das dargestellte Beispiel könnte durch viele weitere ergänzt werden, die wir in unserer Beratung von mehr als 2.000 Praxen im gesamten Bundesgebiet erfahren haben. In vielen Fällen wird eine Praxis nach dem „Kontostand“ oder den Gesamtumsätzen geführt. Diese können als kurzfristige Indikatoren sehr hilfreich und nützlich sein, sind jedoch allein genommen für eine gesamte Praxisplanung zu wenig aussagekräftig. Mindestens zwei Mal pro Jahr sollte ein umfangreiches Planungs- und Strategiegespräch die Ziele in persönlicher und wirtschaftlicher Sicht abgeglichen werden. Die enge Zusammenarbeit von Steuerberater, Zahnarztpraxis und Coaching-Team stellt hierbei ein wichtiges Führungsinstrument dar, um dem Mediziner die Entnahmen zu ermöglichen, die er braucht und sich verdient hat – aufgrund seiner Potenziale und Möglichkeiten.