Praxismanagement 06.11.2023

Die eigene Praxis auf Mallorca: Praxisalltag unter Palmen



Die eigene Praxis auf Mallorca: Praxisalltag unter Palmen

Foto: Serenity-H – stock.adobe.com

Dr. Philipp Vogelsang praktiziert seit 2014 als deutscher Zahnarzt auf Mallorca. Den Traum von der eigenen Praxis hat er sich schon kurz nach seiner Auswanderung erfüllt. Seine Clinica Dental Vogelsang versorgt Einheimische und Touristen vor allem im Bereich Prothetik und Ästhetik. Schöne Zähne sind auf der Sonneninsel besonders gefragt, doch gerade in den Sommermonaten erlebt sein Team auch außergewöhnliche Notfälle, wie sie eben nur im Urlaub passieren. Wie sich der Praxisalltag mit Patienten unter Palmen gestaltet und welche Ziele Dr. Vogelsang noch verfolgt, hat er im Interview verraten.

Herr Dr. Vogelsang, wie kam es zu Ihrer Auswanderung und welche Hürden gab es zu bewältigen?

Den Gedanken ans Auswandern fand ich schon immer spannend. Nach meinemExamen war mir der Schritt aber nochzu früh und ich wollte erst Berufserfahrung sammeln und die Assistenzzeit in Deutschland ableisten. Vier Jahre später war es dann soweit. Für Mallorca habe ich mich letztendlich entschieden, weil mir Land und Sprache zusagten. Außerdem war die Lage auf der Insel nach der Finanzkrise weniger angespannt als auf dem Festland. Nach einigen Initiativbewerbungen bekam ich schließlich 2013 den Anruf, dass eine Stelle zu besetzen sei, das war mein Startschuss. Leider folgte noch eine Menge Papierkram, besonders um das Genehmigungsverfahren, der alles etwas in die Länge zog. Als deutscher Zahnarzt in Spanien direkt zu praktizieren, ist nicht möglich, und ich musste meinen Titel erst aufwendig homologisieren lassen.

Wie hat sich Ihre berufliche Situation entwickelt und wie kam es zur Gründung der eigenen Praxis?

Auch wenn die erste Stelle nicht sozufriedenstellend war, hatte ich den wichtigsten Schritt, um im Ausland Fuß zu fassen, getan. Die Niederlassungein Jahr später war eher aus der Notheraus geboren, da es einfach keine Arbeitsangebote auf der Insel gab. So musste ich deutlich früher den Weg zur eigenen Praxis einschlagen, als es geplant war. Da es zu dieser Zeit die einzige Möglichkeit war, auf der Insel zu bleiben, bin ich heute natürlich sehr froh, dass alles so gekommen ist.

© Dr. Philipp Vogelsang

Was sind die Herausforderungen, in Spanien zu praktizieren?

Alles läuft erst einmal anders: Auch wenn Spanien natürlich in der EU ist und einem im Urlaub die Unterschiede nicht so groß vorkommen, so ist die spanische Kultur doch eine ganz andere. Neben dem privaten Einleben, dem Knüpfen sozialer Kontakte und den sprachlichen Herausforderungen kommt natürlich sehr viel Verantwortung für die eigene Praxis hinzu.

Wo sehen Sie die Hauptunterschiede im zahnmedizinischen Arbeitsalltag zu Deutschland?

Der Alltag in der Praxis unterscheidet sich darin, dass wir beispielsweise QMSysteme oder die Telematik gar nicht haben. Auch brauchen die Geräte nicht gewartet und validiert zu werden,was das Arbeiten auch schon mal entspannter machen kann. Zudem läuft die Abrechnung ganz anders – wir arbeiten als reine Privatpraxis. Ich musste mich daran gewöhnen, dass hier sehr viel mehr über Geld gesprochen wird als in Deutschland. Viele Patienten haben keine Versicherung und zahlen die Leistungen aus der eigenen Tasche. In der gesetzlichen Versicherung in Spanien ist zum Beispiel nur die Entfernung von Zähnen inkludiert. Alles andere sind Privatleistungen, wasman leider auch am Zahnstatus derBevölkerung sehen kann. Das Niveau der zahnärztlichen Versorgung ist durch die mangelnde Absicherung sicherlich schlechter als in Deutschland. Die Behandlungen werden in der Regel gleich im Anschluss bezahlt, wir haben also keine Abrechnungsabteilung, die Rechnungen verschickt oder Zahlungseingänge prüft. Weiterhin sind für uns Fallzahlen, Scheine pro Quartal, Abrechnungsbestimmungen und Budgetierung Fremdwörter. Wenn ich eine Krone bei einem Patienten mache, steht auf der Rechnung genau die eine Position: Vollkeramische Krone und der Preis. Wobei man in der Gestaltung der Preise vollkommen frei ist. Es gibt keine Liste wie die GOZ, nach der man sich richten muss.

Wie gestaltet sich Ihr Behandlungsspektrum auf der Urlaubsinsel?

Jetzt im Sommer wird es meist ein wenig ruhiger und der Behandlungsalltag ändert sich. Besonders von Juni bis August reduzieren sich prothetische und chirurgische Behandlungen auf ein Minimum, denn bei 35 bis 40 Grad ist dies keine große Freude und ich rate bei diesen Temperaturen von großen chirurgischen Eingriffen ab. Das heißt, im Sommer verlagert sich unser Behandlungsspektrum eher auf den typischen Notfallbereich: Schwellungen, Schmerzen und viele endodontische Behandlungen. Dazu kommen die klassischen Unfälle im Pool, auf dem Fahrrad oder im Nachtleben – das ist dann an der Tagesordnung. Auf Mallorca erlebt man immer wie der kuriose Geschichten: Mal verliert ein Patient beim Tauchen in der Welle seine Prothese und benötigt ganz schnell eine neue – oder jemand wacht nach einer langen Partynacht auf und Frontzahnbrücke sowie die Erinnerungen sind verloren.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit externen Anbietern und Laboren?

Eigentlich gibt es hier keinen Unterschied zu Deutschland. Wir haben ebenfalls sehr gut ausgestattete Dentaldepots und man hat die Materialien trotz Insellage meist am nächsten Tag, obwohl die Depots in der Regel auf dem Festland sind. Die Logistik ist sehr gut und es gibt keinerlei Probleme mit den Materialien. Im Gegenteil: Medikamentenmangel wie in Deutschland haben wir hier überhaupt nicht. Ich arbeite mit zwei Dentallaboren zusammen, welche beide hochmodern aufgestellt sind, und ich kann keinen wesentlichen Unterschied zu Deutschland benennen. Eines der Labore wird von einem deutschen Zahntechnikermeister geführt. Die Laborpreise sind hier etwas günstiger als in Deutschland. Manchmal müssen diese zudem ziemlich schnell arbeiten – häufig haben wir Patienten, die nur für eine bestimmte Behandlung einfliegen. Dann muss natürlich immer alles perfekt passen und die Anspannung ist etwas höher. Fehler wären in solchen Fällen fatal.

Wie wird sich Ihre Praxis perspektivisch entwickeln?

Wir sind erst im Sommer 2021 mit der Praxis umgezogen, da unser vorheriger Standort nicht optimal lag und wir nicht mehr genügend Platz hatten. Im Frühjahr 2022 habe ich mir zudem Verstärkung gesucht und sie in meiner KolleginDr. Laura Mielke gefunden. Sie hat ebenfalls in Köln studiert und es harmoniert bestens. Unsere Art der Patientenbehandlung und Kommunikation ist sehr ähnlich. Generell pflegen wir in unserem Team insgesamt einen sehr freundschaftlichen Kontakt auf Augenhöhe. Dazu sind die Perspektiven hier auf Mallorca sehr gut und wir müssen uns derzeit keine Sorgen machen. Wenn die Praxis weiterhin so gut läuft, könnte es nochmals zu einer Umstrukturierung und Vergrößerung der Räume kommen, doch feste Pläne gibt es noch nicht.

5 Auswandertipps aus erster Hand

  1. Unterstützung bei Behördengängen: Es gibt keine offizielle Anlaufstelle für Auswanderer auf Mallorca. Freie Berater und spezialisierte Dienstleister können bei der Beantragung von Dokumenten und der Anmeldung helfen.
  2. Sprachkenntnisse sind entscheidend: Auf Mallorca ist das Niveau in Fremdsprachen generell niedrig. Daher ist es wichtig, Spanisch auf einem guten Kommunikationsniveau zu beherrschen, um erfolgareich mit Patienten interagieren zu können.
  3. Netzwerkaufbau: Der Aufbau von Kontakten zu anderen Zahnärzten und medizinischen Einrichtungen auf der Insel ist wichtig, um Partnerschaften zu schließen und Empfehlungen zu erhalten. Facebook-Gruppen bieten eine Plattform für Austausch und Treffen.
  4. Chancen auf dem Dentalmarkt: Der Markt für Zahnärzte auf der Insel war bisher übersättigt, aber mit dem Ausscheiden älterer Kollegen ergeben sich neue Möglichkeiten für junge Zahnärzte, Fuß zu fassen. Die Einführung von Sprachanforderungen hat diesen Wandel begünstigt
  5. Herausforderungen mit Patienten: Spanische Patienten sind oft an große Kliniken gebunden, die mit den hiesigen Versicherungen zusammenarbeiten. Die Gehälter in solchen Einrichtungen können niedrig sein, was den Zugang zu spanischen Patienten erschwert.

Dieser Beitrag ist unter dem Originaltitel „Die eigene Praxis auf Mallorca” in der dentalfresh 02/2023 erschienen.

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