Praxismanagement 06.08.2009

Gemeinschaftspraxis - aber wie?

Gemeinschaftspraxis - aber wie?

Foto: © Shutterstock.com

Noch ist der Anteil der Gemeinschaftspraxen mit etwa ein Fünftel recht gering. Die Einzelpraxis dominiert mit vier Fünftel der Praxisformen die Struktur der Zahnarztpraxen in Deutschland. Doch der Trend zur Zusammenarbeit nimmt zu. Im Zuge der immer notwendiger werdenden Positionierung der Praxis gewinnt die Kooperation an Bedeutung. Dabei stellt die Gemeinschaftspraxis die klassische Form dar. Doch viele Partnerschaften sind unglücklich oder sogar gescheitert. Wie man den Weg des rechtlichen Zusammenschlusses erfolgreich gehen kann, wird in dem folgenden Beitrag erläutert.

Die Vorteile der Gemeinschaftspraxis sind bekannt: Geringere spezifische Kosten für Personal, Raummiete und Geräte, optimierte Öffnungszeiten und Urlaubsvertretungen, bessere Spezialisierungsmöglichkeiten und damit Positionierungsvorteile sowie vieles mehr. Aber sie birgt auch Gefahren, die im Wesentlichen auf den Streit der Gesellschafter aus den verschiedensten Gründen zurückzuführen sind. In der Folge sind die Partner bestenfalls unzufrieden, oftmals ist aber die teure Trennung die Folge. Und die kann für den einen oder anderen Zahnarzt existenzbedrohend werden, wenn die neue Praxis nicht hinreichend schnell die Verluste der alten Partnerschaft einspielt. Hauptsächlich aus diesen Gründen scheuen viele Zahnärzte den Weg in die Gemeinschaftspraxis.

Junge Zahnärzte und Gemeinschaftspraxen
Während 1991 lediglich 7,5 Prozent der Zahnarztpraxen in Deutschland Gemeinschaftspraxen waren, hat sich der Anteil bis 2005 auf 18,8 Prozent deutlich mehr als verdoppelt (Steigerung der Gemeinschaftspraxen absolut um 188 Prozent, vgl. Abbildung). Gleichzeitig stieg die Zahl der Praxen insgesamt von 40.357 auf 46.217. Das entspricht einer Steigerung um 15 Prozent. Die Zahl der Praxisinhaber ist von 43.514 um 28 Prozent auf 56.113 angewachsen. Die Gemeinschaftspraxis mit zwei Inhabern dominiert, allerdings nimmt die Anzahl derer mit mehr als zwei Inhabern deutlich zu: Sie stieg von 1991 mit 4,8 Prozent auf 14,0 Prozent in 2005 (Quelle: KZBV Jahrbuch 2006).
Im Gegensatz zu der Gesamtstatistik (18,1 Prozent in 2004) wählen Existenzgründer (überwiegend zwischen 30 und 40 Jahre) zu 30 Prozent die Gemeinschaftspraxis (IDZ-Information 4/2005: Investitionen bei der zahnärztlichen Existenzgründung 2004). Hier wird deutlich, dass der Anteil insgesamt langfristig weiter steigen wird und welche Bedeutung die jungen Zahnärzte der Partnerschaft beimessen. Ein geschlechtsspezifischer Unterschied bei der Wahl der Praxisform ist übrigens nicht auszumachen.

Abb. 1 Anteil Gemeinschaftspraxen in Deutschland. Gelb: Anteil in Prozent. Blau: Anzahl.

 

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Unternehmen Gemeinschaftspraxis?
Um eine solide Entscheidungsgrundlage für die Wahl der Praxisform zu bekommen, lohnt sich ein Blick auf die sonst üblichen Gesellschaftsformen und die Unterschiede zur Zahnarztpraxis. Die Zahnarztpraxis ist eine typische Personengesellschaft (im Ggs. zur Kapitalgesellschaft, z.B. der GmbH). Weitere typische Personengesellschaften findet man im Handwerk und im Handel. In kleinen Betrieben ist der Inhaber (Gesellschafter) stets für alle unternehmerischen Dinge wie Marketing, Finanzen, rechtliche Angelegenheiten, Personalführung etc. verantwortlich. Darüber hinaus ist er aber typisch an der Leistungserbringung selbst beteiligt. So kümmert sich der Dachdeckermeister in seinem 5-Mann-Betrieb nicht nur um die Geschäftsführung; er deckt auch selbst die Dächer mit.
Je größer der Betrieb wird, desto weniger sind die Gesellschafter an der eigentlichen Leistungserbringung beteiligt. Die geschäftsführenden Aufgaben dominieren ihre Arbeit. Gleichzeitig sind bei größeren Betrieben oft mehrere Inhaber anzutreffen. Typisch ist dann eine Aufgabenverteilung. So ist zum Beispiel ein Gesellschafter für die Finanzen, der andere für den Einkauf, ein Dritter vielleicht für das Marketing verantwortlich. In Gesellschafterversammlungen wird über die „große Linie“ abgestimmt. Das ist der wesentliche Unterschied zur Zahnarztpraxis. In der Regel wird der Gesellschafter einer Gemeinschaftspraxis an der Leistungserbringung weiterhin selbst beteiligt sein, und zwar in möglichst hohem Maße. Denn die Delegation der wertschöpfenden Tätigkeit ist nur schwer möglich (Ausnahme: Prophylaxe). Gleichzeitig sind aber geschäftsführende Dinge zu erledigen, was in der Partnerschaft Kommunikations- und Kompromissfähigkeit und möglichst betriebswirtschaftliche Kenntnisse, besser noch Erfahrungen, voraussetzt. Im Studium werden diese so wichtigen Aspekte nicht ausreichend vermittelt (Ausnahme: Medizinische Hochschule Hannover). Diese Zusammenhänge führen zu sehr hohen Ansprüchen an die unternehmerischen Qualitäten eines Zahnarztes.

Entscheidungsgrundlagen
Auch die Arbeit in der geplanten Gemeinschaftspraxis ist also durch die Tätigkeit am Behandlungsstuhl geprägt. Gleichzeitig müssen aber die unternehmerischen Angelegenheiten geregelt werden. Das setzt zunächst voraus, dass sich die Gesellschafter grundsätzlich hinsichtlich ihres zahnmedizinischen Qualitätsanspruches und ihrer unternehmerischen Dynamik ähnlich sind. Gibt es hier deutliche Unterschiede, sollte der Gedanke an eine Partnerschaft nicht weiter verfolgt werden. Auch wenn zum Beispiel der eine Partner großzügig, der andere eher ein „Erbsenzähler“ ist, ist das Scheitern der Partnerschaft vorgezeichnet. Wenn Klarheit über die Physis der Praxis (Lage, Übernahme vs. Neugründung, Räume, Personal etc.) herrscht, muss jetzt als wichtigster Baustein für die Zukunft die Positionierung vorgenommen werden. Wie soll sich die Praxis im Markt aufstellen, wer macht welche Spezialisierung, wie wird das Marketing betrieben, welche Ziele werden formuliert u.v.a.? Es ist zu empfehlen, hier einen schriftlichen Businessplan anzufertigen, in dem diese Dinge klar festgehalten werden (Managersatz: don‘t think it, ink it). An dieser Stelle entscheidet sich, ob wirklich eine gemeinsame Linie verfolgt werden kann. Anschließend, am besten im Businessplan, sollte eine Aufgabenverteilung vorgenommen werden. Wer ist für welche Dinge zuständig, für welche Entscheidungen ist Einstimmigkeit erforderlich? Und wenn diese Dinge festgelegt sind, muss der jeweils nicht Zuständige auch konsequent abgeben können. Wenn Sie hier merken, dass es schwierig werden könnte, lassen Sie die Finger von der Partnerschaft.

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Unterschiede
Es kann in den Persönlichkeiten durchaus Unterschiede geben, die das Zusammengehen in einer Gemeinschaftspraxis aber nicht unmöglich machen. Will der eine zum Beispiel mehr Urlaub machen und ist an einer eher geringen Wochenarbeitszeit interessiert, der andere aber nicht, sollte eine Vertragsform gewählt werden, in der die Gewinnverteilung in Abhängigkeit der am Behandlungsstuhl erzielten Umsätze vorgenommen wird. Auf der anderen Seite gibt es Zahnärzte, die sich eine Gewinnverteilung nur gleichverteilend unabhängig von der Umsatzerbringung vorstellen können. Hier sollte aber klar sein, dass sich die Auffassungen im Laufe der Jahre ändern können. Hinsichtlich der Personalführung gibt es in der Regel große Unterschiede. Oft haben die verschiedenen Helferinnen ihren jeweiligen Lieblingszahnarzt. Das ist auch oft für alle Helferinnen nur einer. Diese Tatsache sollte nicht zu Verdruss bei dem nicht so geliebten Kollegen führen, sondern schlicht akzeptiert werden. Wenn der betreffende Zahnarzt hier authentisch bleibt und sich um ein gutes Teamverhalten bemüht, wird sich voraussichtlich trotzdem eine harmonische Zusammenarbeit im Team ergeben. Wenn dagegen Missstimmung erzeugt wird, verstärkt sich die Einseitigkeit der Zuneigung, was sich negativ auf den Praxiserfolg auswirken kann. Bei einer derartigen Konstellation sollte aber möglichst der beliebtere Zahnarzt für die Personalführung zuständig sein.

Vertrag
Wenn Sie den Businessplan gemacht haben, suchen Sie sich einen Rechtsanwalt mit viel Erfahrung bei der Gestaltung von Verträgen für eine Gemeinschaftspraxis. Fragen Sie den Rechtsanwalt, wie viele Verträge er bereits aufgesetzt hat, und wie die Erfolgsquote hinsichtlich der Bestandfestigkeit der von ihm betreuten Praxen ist. Kurzum, hinterfragen Sie gründlich seine Kompetenz. Bitte bedenken Sie: Der Vertrag kann gar nicht ausführlich und gut genug sein. Investieren Sie auch hier im Vorfeld Zeit. Sie sparen im Zweifelsfall später viel Ärger und vor allem viel, viel Geld.

Betrieb
Für den erfolgreichen Betrieb ist vor allem die Bereitschaft zum Abgeben von Zuständigkeiten und, auch in diesem Zusammenhang, unbedingt Konsequenz erforderlich. Zu empfehlen ist neben der regelmäßigen Teambesprechung ein Gesellschaftermeeting (ca. vierteljährig), in dem wichtige gemeinsame Entscheidungen getroffen werden können. Ganz wichtig ist auch, dass mögliche Konflikte nicht im Tagesgeschäft angesprochen, sondern konsequent in den Meetings behandelt werden. Idealerweise haben die Partner privat keinen oder wenig Kontakt (obwohl es durchaus Beispiele gibt, in denen das funktioniert).
Schließlich sollte noch die Bereitschaft vorhanden sein, sich notfalls nach einer gewissen Zeit wieder voneinander zu trennen. Daher sollte die Finanzplanung eher mittel- und nicht langfristig ausgelegt sein.

Fazit
Haben Sie keine Angst vor der Gemeinschaftspraxis. Aber gehen Sie strategisch an die Gründung heran. Beachten Sie unbedingt die oben genannten Aspekte. Wenn Sie hier nachlässig sind, kann es für Sie unangenehme Folgen haben. Wenn Sie aber alles gründlich bedenken, kann die Gemeinschaftspraxis neben einem guten finanziellen Erfolg auch richtig viel Spaß machen.

Autor: Prof. Dr. Thomas Sander, Professor für „Management ambulanter Versorgungsstrukturen“ an der Medizinischen Hochschule Hannover.

 

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