Praxismanagement 14.11.2012
Sparen bei den Materialkosten – aber wie?
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Materialwirtschaft definiert sich in vielen Praxen über ganze Tagewerke, die Mitarbeiter mit dem Studieren von Bestellkatalogen und der Durchführung von Preisvergleichen verbringen, über blindes Vertrauen zu altgedienten Lieferanten bis hin zu Missmanagement und Strukturlosigkeit im Bereich der Lagerhaltung selbst. Dem Bestellwesen wird oftmals die notwendige Aufmerksamkeit nicht nur nicht ausreichend geschenkt, sondern es wird gar stiefmütterlich behandelt. Betrachtet man diesen Bereich einer Praxis jedoch einmal genauer, ruhen hier meist unentdeckte Einsparpotenziale an Zeit und monetären Mitteln, die sich bei korrekter Analyse nicht nur aufdecken, sondern auch treffsicher erzielen lassen.
Ab wann sind Ihre Materialkosten zu hoch? Wie immer bei solchen Fragestellungen ist die Beschäftigung mit betriebswirtschaftlichen Kennzahlen der Schlüssel zur richtigen Erkenntnis. Um Kennzahlen vergleichen zu können, Voraussetzung für den Erkenntnisprozess, muss die Bemessungsgrundlage zunächst definiert werden. Wichtig ist hierbei die konkrete Verbuchung der Kosten auf die korrekte Kostenstelle. Verbrauchsmaterialien für den medizinischen Leistungserbringungsprozess, Büromaterial und sonstige Materialien wie Küchenbedarf etc. müssen demzufolge getrennt ausgewiesen werden. Ebenso sollten die Kosten für den Bereich Implantologie und des eigenen Labors gesondert buchhalterisch erfasst werden. Folglich ist eine Anpassung der Finanzbuchhaltung auf die Erfordernisse eines modernen Controllings im Bereich der Materialwirtschaft unausweichlich.
Soweit die Kosten für den Bereich der Verbrauchsmaterialien, welche für die Materialkostenoptimierung entscheidend sind, zwischen zwei und drei Prozent, bezogen auf den Gesamtumsatz der Praxis, liegen, sprechen wir von einer guten Kostenstruktur. Liegen die Kosten in diesem Verhältnis jedoch über fünf Prozent, ist die Kostenstruktur stark negativ und damit in jedem Fall optimierungsbedürftig. Nutzen Sie Ihre betriebswirtschaftliche Auswertung und die jährliche Gewinnermittlung, um Transparenz über die entsprechenden Kennzahlen Ihrer Praxis zu gewinnen. Bewegt sich Ihr Verbrauchsmaterialaufwand wesentlich über einem Wert von drei Prozent, sollten Sie diesen Artikel weiterlesen.
Einsparpotenzial in Zahlen
Häufig sind die Auswirkungen der direkten und indirekten Materialkosten auf den eigentlichen Ertrag einer Praxis vielen Praxisinhabern in ihrer Bedeutung nicht bewusst. Dabei führt die Bestelloptimierung ebenso wie die Reduktion des Materialverbrauchs häufig zu einer erheblichen Kostenersparnis. Betrachtet man das Einsparpotenzial in Zahlen können je nach Praxisumfang Aufwendungen in einer Größenordnung von 5.000 bis 20.000EUR pro Jahr – in Großpraxen noch erheblich mehr – eingespart werden. In der Konsequenz steigt unmittelbar der Ertrag/Gewinn der Praxis. Über einen Zeitraum von zehn Jahren gesehen kann es sich folglich um eine Gewinnverbesserung von 50.000 bis 200.000 EUR handeln. Neben dieser direkten Gewinnverbesserung können durch veränderte Prozesse und optimierte Strukturen zusätzliche Einsparungen im Bereich der Personalkosten erreicht werden. Mitarbeiterzeit, die Sie durch die Verbesserung Ihrer Abläufe in der Administration und Organisation gewinnen können, kann in anderen Bereichen sinnvoll eingesetzt werden.
Kosten in Bezug auf die Materialwirtschaft sparen
Zur Optimierung der Materialwirtschaft und Generierung von Einsparmöglichkeiten empfiehlt es sich, die folgenden drei Bereiche genau zu beleuchten und den Ist-Stand hierfür zu erfassen: Materialeinkauf, Materialfluss im Behandlungsprozess und Lagerhaltung. Natürlich ist der Materialeinkauf der naheliegende Bereich, auf den zunächst geschaut werden sollte. Hierbei geht es nicht nur um den Einkaufspreis selbst, sondern auch um Bestellmengen, Versandkosten und zusätzliche Ausgaben für Eilbestellungen wegen Materialfehlbeständen und ähnlichem. Der Materialverlust im Zuge von Überschreitung von Verfallsdaten oder auch die Nicht-Weiterfakturierung von abrechenbaren Materialien an den Patienten sind es ebenfalls wert, genau unter die Lupe genommen zu werden. Was den Einkaufspreis selbst betrifft, sollten Sie die Möglichkeit nutzen, durch entsprechend verhandelte Konditionen oder auch durch die Bestellung bei Webanbietern ein nicht unerhebliches Einsparpotenzial zu generieren. Auch die Verhandlung von Sondervergütungen in Form von Naturalrabatten bringt Ihnen finanzielle Vorteile. Prüfen Sie in jedem Fall die bestehenden Lieferkonditionen Ihrer Anbieter und verhandeln Sie beispielsweise Lieferkosten, Mengenrabatte etc. nach. Versuchen Sie zudem Lieferanten zu bündeln, um bei höhe-rem Einkaufsvolumen bessere Konditionen zu erzielen. Die Beschäftigung mit dem medizinischen Leistungserbringungsprozess und der Definitionen des Sollwarenverbrauches sind weitere wesentliche Bestandteile der gesamten Optimierung. Hierbei muss nicht unbedingt das Ziel sein, jeder einzelnen medizinischen Leistungserbringung einen verbindlichen Warenverbrauch zuzuweisen, es sollte aber in allen Bereichen der Praxis ein Bewusstsein geschaffen werden, dass der Wareneinsatz mit erheblichen Kosten verbunden ist. Beispielsweise lässt sich bei Bissregistrat mit dem Ge-sichtsbogen die Bissgabel für den Oberkiefer mit einfachem „günstigen“ Silikon beschicken statt mit teuren Wachsen. Das Endergebnis bleibt sich dennoch gleich. Mängel in der Lagerhaltungswirtschaft der Praxis können nur dann erkannt werden, wenn die
Lagerhaltung selber strukturiert, dokumentiert und administriert – kurzum transparent für Sie ist. Eine solche Transparenz erreichen Sie meist nur dann auf einem professionellen Niveau, wenn Sie Ihre Lagerhaltung EDV-gestützt abwickeln.
Mehr Struktur durch Digitalisierung der Materialwirtschaft
Das wöchentliche Fehlen von Materialien, das Sie dazu veranlasst, Ihre Mitarbeiter anzuweisen eine Eilbestellung aufzugeben, da Sie am nächsten Tag sonst nicht weiterbehandeln können, ebenso wie die regelmäßige Entsorgung von abgelaufenen Materialien oder auch die schlechte Transparenz über das bestehende Materiallager, sind unter anderem Indizien dafür, dass eine Digitalisierung Abhilfe schaffen kann. Die Digitalisierung bzw. Automatisierung Ihres Materialbeschaffungsprozesses bringt Ihnen langfristig betrachtet ein enormes Einsparpotenzial in Hinblick auf die für Materialwirtschaft verwendete Zeit Ihrer Mitarbeiter. Allerdings bedeutet sie anfänglich einen gewissen Mehraufwand, denn die notwendige digitale Transparenz muss erst einmal manuell geschaffen werden. Sowohl die Manpower Ihres Teams als auch ein ausreichendes Zeitfenster und eine gewisse Ruhe, um die Artikel korrekt und zügig anzulegen, sind Grundvoraussetzung. Daher ist es anzuraten, für die Umstellung auf eine digitale Materialwirtschaft eine nicht zu hochfrequentierte Praxisphase zu wählen. Zu Beginn ist eine komplette Bestandsaufnahme beziehungsweise Inventur für Ihr gesamtes bestehendes Lager vorzunehmen. Der Großteil der im Lager befindlichen Artikel muss gezählt und entsprechend dem digitalen Lager als Zugang verbucht werden. Hierbei ist besonderes Augenmerk auf die Anlage der Artikel zu legen. Verpackungs- bzw. Entnahmeeinheiten müssen definiert, Meldebestände und Bestellmengen praxisindividuell hinterlegt werden. Der Trick hierbei be-steht darin, jeden Artikel entsprechend seines Liefergebindes sinnvoll anzulegen. Einleuchtender wird dies anhand des konkreten Beispiels von Ampullen für die Lokalanästhesie. Diese werden herstellerbedingt meist in einem Gebinde von 10x10 Stück pro Karton geliefert. Unsinnig wäre es, jede Ampullenentnahme einzeln zu verbuchen. Die sinnvollste Variante ist hier, die Zu- und Abbuchung von beispielsweise jeweils zehn Stück.
Bedenken Sie bei der Anlage der Meldebestände, die Lagermengen nicht zu knapp, allerdings auch nicht zu umfangreich zu definieren, da Sie Ihre Kapitalbindung sonst unnötig erhöhen. Nach einiger Zeit der Erprobung des digitalen Systems zeigt es sich oftmals als notwendig, die angelegten Daten zu justieren, da sich einzelne getätigte Vorgaben in der Praxis im Nachhinein als nicht praktikabel erweisen. Einen weiteren Vorteil, den die Digitalisierung der Materialwirtschaft mit sich bringt, ist die Möglichkeit, Haltbarkeitsdaten und Chargennummern für einzelne Artikel zu hinterlegen. Auf diese Weise bekommen Ihre Mitarbeiter bei Lagerentnahme angezeigt, welche Artikel nach dem Fifo-Verfahren (first in first out) als erstes wieder das Lager verlassen müssen. Der Überschreitung von Haltbarkeitsdaten und der damit verbundenen Entsorgung von abgelaufenen, nicht mehr verwendbaren Produkten, ist somit vorgebeugt. Auf diese Weise wird der Vernichtung Ihres Kapitals an dieser Stelle Einhalt geboten. Trotz der eingeführten Automatisierung und der daraus resultierenden Eindämmung der Fehlerwahrscheinlichkeit, ist ein notwendiges Maß an Disziplin seitens Ihrer Mitarbeiter im Umgang mit dem System notwendig. Werden Artikel bei Entnahme nicht entsprechend ausgebucht bzw. abgescannt, Lagerzugänge nicht korrekt eingebucht oder Haltbarkeitsdaten bei Lagerzubuchung nicht angelegt, wird das digitale System aufgrund der manuellen Ausführung nicht korrekt funktionieren. Demnach sollte nach Ein-führung bzw. Umstellung auf die digitale Materialwirtschaft das gesamte Praxisteam im Umgang mit dem System geschult werden. Verantwortlichkeiten sollten klar definiert und, falls im Rahmen Ihres praxisinternen QMS (Qualitätsmanagementsystems) noch nicht geschehen, Lieferantenbeauftragte ernannt werden. Diese sollten entsprechend geschult und ausgebildeten werden und Lieferanten als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, um Missverständnisse an dieser Stelle zu vermeiden.Zudem ist es entscheidend, das System und die Lagerbestände regelmäßig abzugleichen, Controlling-Mechanismen zu entwickeln, um manuelle Fehler-quellen zeitnah auszuschließen. Eine gut gepflegte Materialwirtschaft ermöglicht es Ihnen zu jeder Zeit Transparenz über Ihren Verbrauch, Ihre Lagerbestände und Bestellaktivitäten zu erhalten. Statistische Auswertungen über Einkaufsvolumina, Materialverbrauch und Lieferantenkonditionen ermöglichen es Ihnen zudem, die Rentabilität Ihres Einkaufs kritisch zu beleuchten und Einsparpotenzial an den richtigen Stellen zu generieren.
Fazit
Bei der Optimierung der Materialwirtschaft mit dem Ziel der Ertragssteigerung ist es erfahrungsgemäß wichtig, koordiniert, strukturiert und nachhaltig vorzugehen – in der Konsequenz also ein eigenständiges Projekt zu definieren. Hierbei sollten das Projektziel, der Projektablauf und Zeitplan, das entsprechende Controlling und die Projektkosten klar festgelegt und ggf. mögliche Fördermittel rechtzeitig beantragt werden. Der zeitliche Aufwand für die Projektplanung und Projektabwicklung ist erheblich und wird in aller Regel einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten umfassen. Eine professionelle externe Betreuung eines solchen Projektes erhöht die Chancen, die geplanten Ziele zu erreichen. Der Lohn dieses zeitlichen und teilweise auch finanziellen Aufwandes ist aber enorm. Die verbesserten Strukturen können EDV-technisch so unterstützt werden, dass der Folgeaufwand minimal ist, das Einsparergebnis aber Jahr für Jahr dem Praxisinhaber zugutekommt.