Psychologie 28.02.2011
Bei Misserfolgen sollte der Laborleiter helfen
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Wenn sich der Zahnarzt über den Zahntechniker beklagt, weil etwas bei der Terminvereinbarung nicht geklappt hat, ist die Führungskompetenz des Laborleiters gefragt. Natürlich muss er Fehler ansprechen und dafür sorgen, dass sie sich nicht wiederholen. Noch wichtiger ist es, den Mitarbeiter in dieser schwierigen psychologischen Situation zu unterstützen und Demotivation zu vermeiden.
Es ist eine Selbstverständlichkeit: Ein lernendes Unternehmen – und damit auch ein Dentallabor – benötigt eine Lernkultur, in der Fehler als Chance angesehen werden, Verbesserungs- und Lernprozesse in Gang zu setzen. Das Problem: Es sind gerade die Selbstverständlichkeiten, die im Führungsprozess nicht beachtet werden. Das zeigt sich etwa dann, wenn ein Zahntechniker nicht nur schludrig arbeitet, sondern einen Misserfolg an den anderen reiht. Viele Chefs, viele Laborleiter wissen sich dann nicht besser zu helfen als harsche Kritik zu üben: Auf denjenigen, dem ein Fehler unterlaufen ist, wird dann auch noch verbal eingeprügelt: „Ich kann nicht glauben, dass Ihnen das schon wieder nicht gelungen ist“ – so die Reaktion, die nicht gerade dazu angetan ist, den Zahntechniker, dem der Fehler unterlaufen ist, aufzurichten. Im Gegenteil: Dem ohnehin frustrierten Zahntechniker werden in Zukunft wohl noch mehr Fehler unterlaufen. Kein Wunder also, wenn in vielen Laboren die Angst vor Fehlern umgeht. Diese Angst aber kann lähmen und Verbesserungsprozesse verhindern. Die Mitarbeiter gehen ihrer Arbeit nach dem Motto nach: „Achtung, wer sich zuerst bewegt, hat verloren!“ Das heißt: Notwendig ist ein produktiver Umgang mit Fehlern.
Fehlerkultur im Dentallabor etablieren: Misserfolg als Entwicklungsschritt
Schon in der Schule interpretieren Schüler, Eltern und Lehrer Fehler als Makel. Die meisten Menschen sind durch eine Fehlerkultur sozialisiert, in der immer wieder darauf verwiesen wird, was misslungen ist – mit eklatanten Folgen: Die Menschen haben Angst vor Fehlern und geben sie daher nur ungern zu, zumeist erst unter Druck. So lange diese Einstellung vorherrscht, kann sich kein effektives Fehlermanagement entwickeln. Lähmung und Stillstand – eine Entscheidung könnte ja die falsche sein – sind die Konsequenz. Statt der Fehlerbeseitigung steht die Fehlervermeidung im Vordergrund. Dabei wird übersehen: Lernen hat etwas damit zu tun, dass Fehler gemacht werden, kein Lernprozess ohne „Fehlermeldungen“. Das heißt natürlich nicht, dass Fehler freudig begrüßt werden sollen, sie erhalten keinen Freibrief. Es wäre fatal, wenn sich im Dentallabor die Ansicht durchsetzen würde: „Ein Fehler? Na und? Ist doch nur ein Ergebnis!“ Denn nach Thomas Alva Edison ist das Schöne an einem Fehler, dass man ihn nicht zweimal machen muss. Aber: Ist der Fehler erst einmal Realität, muss er der Ausgangspunkt für einen Lernprozess sein. Die Fehlerverhütung ist mithin schon der richtige Ansatz, den viele Dentallabore auch in ihrem Qualitätsmanagement als Ziel definieren. Die Rede ist dann etwa davon, die Fehlerquote möglichst gering zu halten und Fehler frühzeitig zu erkennen. Sie sind jedoch immer Anlass, die Prozesse und die Arbeitsabläufe zu überprüfen und im Sinne der Qualitätssicherung zu optimieren. Übrigens: Von Ed Land, der die Sofortbildkamera erfand, heißt es, er habe eine Tafel an der Wand hängen gehabt, auf der stand: „Ein Fehler ist ein Ereignis, dessen großer Nutzen sich noch nicht zu deinem Vorteil ausgewirkt hat.“
Ist-Zustand feststellen und neue Einstellung erarbeiten
Bevor ein Laborleiter überlegt, wie er seinen Mitarbeitern bei Misserfolgen helfen kann, ist eine Überprüfung der Einstellung angesagt:
• „Was überhaupt ist ein Fehler?“
• „Wie wird der Begriff von den Mitarbeitern, aber vor allem von mir, der Führungskraft, definiert?“ • „Wie gehen wir im Dentallabor mit Fehlern um? Wie schauen die üblichen Reaktionsweisen aus?“
Die neue Fehlerkultur wird in die Dentallaborphilosophie integriert, indem der Laborleiter in der Teamrunde eine Diskussion zu diesen Fragen anstößt. Damit kein Missverständnis entsteht, erläutert er: Es geht nicht um willentliche und absichtliche Patzer oder um Versäumnisse – wie etwa das unhöflich-grobe Verhalten gegenüber den Patienten –, so etwas darf nicht passieren und muss von ihm sanktioniert werden. Allerdings: Die meisten Fehler sind Folge von Entscheidungen, die ein Mitarbeiter getroffen hat. In der Teamrunde erarbeiten sich die Beteiligten die folgende Einstellung: Eine Entscheidung mag die falsche gewesen sein, aber sie geschah ohne böse Absicht. Fehler unterlaufen und passieren, wenn man lernen und sich entwickeln will. Das angestrebte Ergebnis dieses Diskussionsprozesses: Zahntechniker, Mitarbeiter und Führungskräfte interpretieren einen Fehler vor allem als Chance, sich zu verbessern. Misserfolge sind erzielte Resultate, die einen Entwicklungsschritt nach vorne bedeuten sie sind jetzt ein Feedback auf dem Weg zum Ziel.
Information Das Konzept des produktiven Kritikgesprächs • Beachten Sie die konkrete Situation und Mentalität des kritisierten Mitarbeiters. • Bereiten Sie das Kritikgespräch vor: Gesprächsziele benennen, Gesprächsstrategie entwickeln, Termin und störungsfreien Ort festlegen. • Eröffnen Sie das Gespräch positiv (etwa gute Leistungen des Mitarbeiters nennen). • Formulieren Sie den Kritikanlass als Ich-Botschaft: „Ich bin der Meinung …“ • Vermeiden Sie „Sie-Botschaften“, die wie ein Angriff wirken: „Sie haben folgenden Fehler begangen …“ • Bleiben Sie stets sachlich und versuchen Sie, den Ursachen für das kritisierte Verhalten auf die Spur zu kommen. • Tragen Sie Ihre Kritik in Frageform vor und bauen Sie einen Dialog mit dem Mitarbeiter auf. • Entwickeln Sie gemeinsam zukunftsfähige Problemlösungen und Zielvereinbarungen, die dafür sorgen, dass der Fehler nicht mehr auftritt. • Sorgen Sie dafür, dass auch die anderen Mitarbeiter und Führungskräfte aus dem Fehler lernen können. |
Verbesserungspotenziale nutzen Die Etablierung einer neuen Fehlerkultur ist gewiss nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen. Der Laborleiter sollte als Vorbild vorangehen und das Wort „Misserfolg“ durch Begriffe wie „Ergebnisse“ oder „Resultate“ ersetzen. Damit ist kein rosarotes positives Denken gemeint, denn es schließt Kritik nicht aus – es heißt lediglich, den Fokus auf die Einstellung zu lenken, aus Fehlern lernen zu dürfen. Der Laborleiter sollte Kritik daher immer konstruktiv und produktiv vortragen und mit ihr das Ziel verfolgen, die Menschen in seinem Labor in ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen (s. Infokasten). Fehler sind offensichtlich der Preis für die Entwicklung eines Menschen. Hat sich das Team diese Einstellung erarbeitet, bewertet es einen Fehler ganz anders: Er wird jetzt als Symptom definiert, dessen Ursachen das Team auf die Spur kommen will. „Hier gibt es Verbesserungspotenzial, lasst uns prüfen, woran es liegt“, so die Devise. Die Beteiligten suchen das Gespräch, in dem sie gemeinsam nach den Gründen forschen und eine Problemlösung entwickeln. Nicht der Fehler, das Symptom, wird bekämpft und ausgemerzt, sondern die Ursache. Einfaches Beispiel: Immer wieder kommt es vor, dass Kundenakten verlegt werden. Ein schlimmer „Fehler“. Ursache jedoch ist das unsinnige Aktenablagesystem. Sobald das Team dies erkannt hat, kann das System verbessert werden.
Sprungbrett zur Weiterentwicklung
Hat sich der Blickwinkel geweitet, steht also nicht immer wieder der Fehler im Mittelpunkt, sondern die Ursachenforschung und -bekämpfung, fällt es allen Beteiligten leichter, Fehler zuzugeben. Niemand befürchtet eine Bestrafung, Spott oder Ähnliches, sondern weiß, dass „sein Fehler“ einen Verbesserungsprozess in Gang setzt. Auch hier sollte der Laborleiter seine Vorbildfunktion wahrnehmen: Er gibt seinen Fehler zu – und liefert stets gleich einen Verbesserungsvorschlag mit. So setzt sich im Labor die Überzeugung fest: Fehler dürfen passieren. Aber dann muss auch ein Verbesserungsvorschlag mitgeliefert werden, sodass der Fehler zum Sprungbrett für eine Weiterentwicklung wird.
Die richtigen motivierenden Worte finden
Trotzdem kann es vorkommen, dass Mitarbeiter nach Missgeschicken und Versäumnissen ins Demotivationsloch fallen. Der Laborleiter prüft, warum ein Mitarbeiter Ansprüchen nicht genügt, auch denen, die dieser an sich selbst stellt. Fehlt dem Zahntechniker vielleicht die notwendige Qualifikation oder eine Kompetenz? Arbeitet der „falsche Mann am falschen Arbeitsplatz“?Die Fragen zeigen: Wieder geht es darum, zukunftsfähige Antworten zu finden, die das Problem lösen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, ein Motivationsgespräch zu führen. Es dient dazu, die Ursachen für die Demotivation ans Tageslicht zu fördern – nur dann können Laborleiter und Zahntechniker überlegen, wie die Gründe beseitigt werden können. In diesem Gespräch ist es wichtig, dass der Laborleiter die richtigen Worte wählt, die eben nicht die Demotivation verstärken, sondern die geeignet sind, den Mitarbeiter zu unterstützen. Dazu einige Beispiele Falsch: „Sie sind immer unhöflich zu den Kunden!“ – Der Mitarbeiter wird diese Verallgemeinerung als persönlichen Angriff werten. Besser: „Was können wir tun, damit Sie Ihre Gesprächskompetenz verbessern?“ Falsch: „Sie machen andauernd Fehler.“ – Das ist ein äußerst demotivierender Gesprächseinstieg. Besser: „Ich bin mit Ihren Leistungen wirklich zufrieden, zum Beispiel ... Ich möchte aber auch die kritischen Punkte ansprechen.“ Falsch: „Sie müssen sich unbedingt ändern.“ – Das ist ein direkter Angriff auf der persönlichen Ebene. Produktiver ist es, das konkrete Verhalten zu thematisieren. Besser: „Ich bin der Meinung, wir können Ihr Vorgehen im Kundengespräch verbessern.“ So stellen Sie Ihre Meinung zur Diskussion, die „Schuld“ des Mitarbeiters wird nicht als unumstößliche Tatsache dargestellt.
Motivationsstrategien anwenden
Zudem sollte der Laborleiter seinen Mitarbeitern helfen, sich nach einem Missgeschick am eigenen Schopf aus der Demotivationsfalle zu ziehen. Dazu stehen die folgenden Strategien zur Verfügung:
Strategie 1: Die Situation realistisch überdenken Die meisten Menschen neigen dazu, negative Ereignisse im ersten Moment in einem allzu trüben Licht zu sehen. Der Laborleiter animiert den Zahntechniker dazu, eine realistische Bestandsaufnahme durchzuführen:
•Was ist passiert?
•Warum ist es passiert?
•Welche kurz-, mittel- und langfristigen Folgen sind zu erwarten?
•Welche Gegenmaßnahmen muss der Zahntechniker ergreifen?
•Wer (Laborleiter, Kollegen) oder was (Hilfsmittel) kann ihn dabei unterstützen?
Der Zahntechniker sollte nach einem negativen Ereignis erst einmal Distanz schaffen. Eine Pause, vielleicht etwas früher nach Hause fahren, die Umgebung wechseln. Wichtig ist: Er muss „raus aus der belastenden Situation“, die Helikopterperspektive einnehmen und den Vorfall mit Abstand analysieren.
Strategie 2: Positive Ereignisse erinnern Der Mitarbeiter konzentriert sich auf das, was in den letzten Stunden, Tagen und Wochen gut funktioniert hat. Dabei legt er sich selbst „Beweise“ vor – etwa die hervorragenden Ergebnisse eines Kundengesprächs oder die gelungene Anfertigung des Zahnersatzes unter Zeitdruck. Der Laborleiter unterstützt diesen Prozess, indem er eine „Erfolgskonferenz“ anberaumt, die beispielsweise einmal im Quartal stattfinden kann. Ziel der Konferenz ist die Beantwortung der Frage, welche Erfolge in den letzten drei Monaten erzielt werden konnten. Jeder Teilnehmer bereitet im Vorfeld der Konferenz einen kurzen „Erfahrungsbericht“ vor – jeder Mitarbeiter berichtet von den Mut machenden Erlebnissen. Danach wird jeder Punkt vom Plenum unter dem Aspekt diskutiert: „Kann ich die Erfahrungen des Kollegen für meine eigene Arbeit nutzen, was kann ich aus ihnen lernen?“ Das gesamte Team im Dentallabor wird auf die motivierenden Situationen fokussiert, die dem Einzelnen Mut machen. Strategie
3: Auf die Stärken setzen Aus dem Demotivationsloch kommt der Zahntechniker vor allem dann heraus, wenn er nach vorne schaut und aktiv wird, um sich zu beweisen, dass er eine gute Fachkraft ist. Ein Stärkenmanagement hilft ihm dabei. Stärkenmanagement heißt, bewusst auf seine Top-Fähigkeiten zu setzen, um sich erst kleinere, dann größere Erfolgserlebnisse zu verschaffen. So baut er Schritt für Schritt sein Selbstbewusstsein wieder auf, das durch die Misserfolge arg gelitten hat. Der Laborleiter unterstützt ihn dabei, indem er ihn auffordert, sich mit folgenden Fragen zu beschäftigen: „Was kann ich besonders gut? Wie kann ich meine Stärken zum Einsatz bringen?“ Und natürlich betont die Führungskraft diese Stärken, „erinnert“ den Zahntechniker daran, über welche Potenziale er verfügt.
Fazit
Vor allem mithilfe der beschriebenen Einstellung zu Fehlern kann der Laborleiter die Mitarbeiter unterstützen, sich aus der Negativspirale zu befreien und in die Positivspirale einzuklinken. Wie alle Kompetenzen ist uns der produktive Umgang mit Fehlern nicht in die Wiege gelegt worden. Darum sollte es zu den Selbstverständlichkeiten gehören, dass sich ein Laborleiter um den Erwerb einer Fehlerkompetenz aktiv bemüht – und dafür Sorge trägt, dass auch die Mitarbeiter sie sich aneignen können. Fehlerkompetenz heißt dann, dass die Mitarbeiter und der Laborleiter über Fehlerstrategien verfügen, um Fehlerpotenziale kreativ zu nutzen. Bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Dentallabore den Entwicklungsschritt von der traditionellen Fehlerkultur, Misserfolge zu vermeiden, zu einer Fehlerkultur schaffen, in der Fehler Anstöße zur Verbesserung darstellen.
Autorin: Doris Stempfle