Psychologie 14.09.2015

Fragen und Antworten: Emotionales Berufstief



Fragen und Antworten: Emotionales Berufstief

Foto: © Tommasu Lizzul – Shutterstock

Die Leser der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis können der langjährigen ZWP-Autorin Dr. Lea Höfel Fragen im Bereich Psychologie stellen – in Bezug auf Patienten, das Team und sich selbst. Die Fragen und Antworten finden Sie hier redaktionell aufbereitet wieder. In diesem Artikel geht es um die Frage, wie man einem emotionalen Erschöpfungsprozess vorbeugen kann. Psychologin Dr. Lea Höfel antwortet.

Anfrage: Ich habe zehn Jahre lang meinen Beruf in einer Gemeinschaftspraxis gern gemacht. Seit ungefähr zwei Jahren merke ich, dass mir die Arbeit zunehmend weniger Spaß macht. Ich habe das Gefühl, dass immer mehr Patienten unzufriedener werden, die Auszubildenden lustlos sind und die bürokratischen Pflichten fast mehr Raum einnehmen als die Behandlung an sich, was mich stresst. Ich beschäftige mich oft mit dem Gedanken, aufzuhören, und frage mich zugleich, ob es nur eine Phase ist. Ich schlafe inzwischen schlecht, denke immer negativer über die Arbeit nach, bin emotional schlecht gestimmt und im Privatleben sehr gereizt. Wie bekomme ich das wieder in den Griff?

Sicherlich bräuchte ich für die Beantwortung Ihrer Frage noch mehr Details und Entwicklungsschritte, um Sie dabei zu unterstützen, selbst auf die für Sie richtige Antwort zu kommen. Was jedoch in Ihrer Beschreibung schon jetzt auffällt, ist, dass Sie Ihre Situation durchgehend emotional beschreiben. Sie erläutern „mangelnden Spaß“, „Gefühl“, „unzufriedene Patienten“, „lustlose Auszubildende“, „Stress“, „emotional schlecht gestimmt“ und „gereizt“. Sogar Ihre Frage am Ende hat etwas mit einem kinästhetischen Gefühl zu tun, indem Sie eine Lösung suchen, alles wieder „in den Griff zu bekommen“.

Alleine durch Ihre Wortwahl nehme ich an, dass Sie ein gefühlsbezogener Mensch sind. Die Probleme liegen weniger in Ihren Gedanken, Bewertungen oder in Ihrem Verhalten. Sie machen Ihre momentane Problematik an Emotionen fest, weshalb Sie als erstes „erfühlen“ sollten, wie Sie sich emotional stabilisieren können. Vielleicht sind Sie in der momentanen Phase etwas empfindsamer als üblicherweise. Manchmal hilft da ein erster neutral analysierender Blick von außen, danach können Sie wieder fühlen:

Unzufriedene Patienten

Woran machen Sie fest, dass Ihre Patienten unzufrieden sind? Sind es Äußerungen, Gesichtsausdrücke, Rückmeldungen? Was bedeutet „immer mehr Patienten“? Sehen das alle Mitarbeiter genauso?

Lustlose Auszubildende

Mit wem vergleichen Sie die Auszubildenden? Was bedeutet lustlos? Können Sie das an Daten und Fakten festmachen?

Ihr persönlicher Stress

Woran machen Sie Stress genau fest? An Gedanken, Gefühlen, Verhalten, körperlichen Reaktionen? Woran merken andere Ihnen an, dass Sie gestresst sind? Wann fing es an? Womit fing es an? Möchten Sie die bürokratischen Pflichten delegieren lernen? Brauchen Sie allgemein mehr Freizeit? Gibt es außerhalb der Praxis Stressoren, die zu der emotionalen Instabilität beitragen, da Sie auch beschreiben, allgemein gereizter zu sein?

Den Beruf aufgeben

Wie stellen Sie sich Ihr Leben ohne den momentanen Beruf vor? Möchten Sie „nur“ aufhören oder haben Sie schon andere Pläne? Können Sie sicher sein, dass Sie die alten Probleme hinter sich lassen, oder werden die mitgenommen? Wie fühlt es sich an, sich diese Fragen zu stellen? In einem Coaching würde jetzt Ihre jeweilige Antwort den weiteren Verlauf der Überlegungen beeinflussen. Möglicherweise trifft auch keine der Fragen zu und sie möchten überlegen, was Sie tun können, um Ihre emotionale Verfassung unabhängig von den äußeren beruflichen Umständen zu stabilisieren. Was würde Ihnen Freude bereiten? Sport, gemütlich Essen gehen, ein Buch lesen, eine freies Wochenende am Meer, Kino, am Fluss sitzen, Papierflieger basteln oder einem Häkelverein beitreten? Manchmal sieht man das Problem ständig so nah vor der Nase, dass für nichts anderes mehr Raum ist. Da hilft es, das Problem erst einmal zur Seite zu schieben und an anderer Stelle Energie zu tanken. Möglicherweise fühlt sich dann alles schon viel besser an, denn üblicherweise sieht man im Umfeld das, was man selbst gerade fühlt: Lustlosigkeit, Unzufriedenheit, Stress. Mit jeder Frage, die Sie sich stellen, können Sie Ihre Lage etwas mehr „erfassen“ und „in den Griff“ bekommen. Es kann sein, dass sich alles in Luft auflöst, und es kann sein, dass das Bild klarer und die Gefühle deutlicher werden. Ich rate Ihnen, mit den konkreteren Überlegungen bald anzufangen, solange Sie noch gut in der Lage sind, Ihre Emotionen zu benennen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass irgendwann der Punkt kommt, an dem die Gefühle erschöpft sind und sich Resignation ausbreitet. Ich bitte Sie, vorher etwas zu verändern, denn da, wo Gefühle sind, ist noch ein Wegweiser vorhanden – ohne Gefühle ist keine Richtung richtig. 

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