Psychologie 07.06.2022

Zahnbekenntnisse – über Fehler und Herausforderungen zum Erfolg



Zahnbekenntnisse – über Fehler und Herausforderungen zum Erfolg

Foto: Khorzhevska – stock.adobe.com

Wir alle, ob selbstständig oder angestellt tätig, sind früher oder später von ihr infiziert: der „Vergleicheritis“. Man ist in Gesellschaft von Kollegen, sei es auf Fortbildung oder einfach am Arbeitsplatz, und hört aus Gesprächen nur das, was man glaubt, gerade nicht zu haben. Zielsicher filtert man die Erfolge der anderen heraus und wird taub für die offen mitgeteilten Misserfolge.

Laut einer Studie des Institutes der deutschen Zahnärzte (IDZ) empfinden niedergelassene Zahnärzte einen starken Wettbewerb zu anderen Praxen. Über 50 Prozent der Befragten gaben an, der Wettbewerb zu Kollegen sei stark bis sehr stark. Das galt vor allem für die Preisgestaltung und das Verhalten zum Patienten. Ist es dabei denn eigentlich sinnvoll für uns Zahnärzte, sich mit unseren Kollegen zu vergleichen? Oder anders gefragt: Ist das Vergleichen mit Kollegen ein Qualitätszeichen für einen guten Zahnarzt oder ist es der Anfang vom Ende?

Lösung

Sowohl aus eigener Beobachtung heraus als auch aus meiner Erfahrung als Mentorin und Trainerin für Kolleginnen lautet meine Antwort auf die Fragestellung, ob Vergleiche mit Kollegen Sinn ergeben, „Ja“ und „Nein“ zugleich. Durch das Vergleichen entsteht ein gedanklicher Wettkampf. Sich selbst in Position zum Außen zu stellen, kann zweifelsohne den eigenen Ehrgeiz und die Zielstrebigkeit, somit das persönliche Wachstum, fördern. Faire Vergleichswerte können uns anspornen, uns motivieren und inspirieren. Denn bekanntlich steigert der Wettbewerb ja das Geschäft. Doch Hand aufs Herz – sind sie wirklich fair, und zwar uns selbst gegenüber?

Lernkurve und Empfehlung

In Wahrheit vergleichen wir uns meist nicht fair. Das führt oft zu Frustration, Hemmungen und in der Folge zu einem geschwächten Selbstwert. Der Grund, warum Vergleiche oftmals nicht funktionieren, ist so sinnvoll wie einleuchtend: Jeder von uns ist einzigartig. Unsere ganz individuelle Art zu sprechen, zu denken und uns zu bewegen, auch als Zahnarzt im täglichen Praxisalltag, gibt es auf dieser Welt nur ein Mal. Wenn wir versuchen, uns mit anderen Zahnärzten und deren Aussehen, Leistungen oder Erfolgen zu vergleichen, scheitern wir in den meisten Fällen. Denn wir sind eben nicht der Kollege – und das ist auch gut so.

Unfaire Vergleiche. Ein erfolgreicher Unternehmer vergleicht sich gerne mit der Praxis in Toplage, also im zahnmedizinisch umsatzstärksten Fachgebiet – nicht aber mit der Praxis um die Ecke, die wesentlich weniger Umsatz macht als seine eigene. Die Zahnärztin mit zwei Kindern vergleicht sich eher gerne mit jener Kollegin, die selbst gar keine Kinder hat, top in Form ist und sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich engagiert. Sie vergleicht sich aber nicht mit der Kollegin und Mutter, die 30 Stunden pro Woche arbeitet, ständig im Kampf mit der Zeit liegt und mit Beruf und Familie heillos überfordert ist. Kein Wunder also, dass wir beim Vergleichen meistens schlecht abschneiden.

Wer sich ständig vergleicht, wird schnell zum Perfektionisten.
Durch das ständige Vergleichen und den daraus folgenden Blick auf das, was man vermeintlich selbst nicht hat, werden Ziele permanent höher gesteckt und dabei zunehmend schwerer und unmöglicher zu erreichen. Damit erschafft das Streben nach Perfektion Unruhe, Unzufriedenheit und vor allem Limitierungen. Weiterhin wirkt Perfektionismus unsympathisch. Fühlen wir uns doch eher von Menschen angezogen, die eben nicht perfekt sind, die auch mal einen Fehler machen oder scheitern. Denn das erachten wir allgemein als menschlich und können uns damit viel besser identifizieren.

Fazit

Vergleiche mit Kollegen limitieren unsere ganz persönlichen und beruflichen Möglichkeiten. Anstatt also nach links und rechts zu schauen, auf andere zu gucken und dabei in ewigen Vergleichen festzuhängen, empfehle ich, in die andere Richtung zu blicken: Der einzige Mensch, mit dem wir uns unbedingt vergleichen sollten, sind wir selbst. Dabei sollten wir den Fokus auf das heutige Ich legen: „Compare yourself to who you were yesterday, not to who someone else is today.“(Jordan Peterson) Als langjährige Mentorin für Zahnärzte und NLP-Trainerin weiß ich, dass persönliches Wachstum nur in uns selbst stattfinden kann. Wer seinen Weg eigenverantwortlich und authentisch gehen möchte, dem empfehle ich, sich regelmäßig mit folgenden Fragen zu beschäftigen:

  • Was habe ich bisher alles erreicht?
  • Was kann und weiß ich heute – im Gegensatz zu früher?
  • Welche Erfahrungen haben mich stärker, reifer oder weiser gemacht?
  • Welche Fähigkeiten bzw. Begabungen besitze ich und wie möchte ich sie in die Welt tragen?

Vergleichen macht unglücklich! Die größte Gabe, die jeder von uns hat, ist seine Einzigartigkeit. Wahren Erfolg haben diejenigen unter uns, die inmitten des fachlichen Wettbewerbes das tun, was sie am besten können – nämlich mit dem eigenen, ganz persönlichen Potenzial zum Wohle aller beizutragen.

Dieser Beitrag ist in der Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

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