Psychologie 31.01.2022
Raus aus den Zweifeln, rein ins erfüllte Berufsleben
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Ob im vertraulichen Austausch auf Fortbildungen und Berufsversammlungen oder im Gespräch unter befreundeten Kolleg*innen – Zahnärztinnen zeigen oftmals eine Gemeinsamkeit: sie hinterfragen ihr berufliches Können und zweifeln an ihrer Berufserfüllung. Dr. Marie-Charlott Neumann kennt diese Bedenken von sich und anderen und gibt als Coach ihren Kolleginnen Tools an die Hand, die dieser nagenden und häufig unbegründeten Unsicherheit gezielt gegensteuern.
Viele Kolleginnen stellen sich immer wieder die Frage, ob ihr Beruf wirklich der richtige für sie ist. Dabei wird diese Infragestellung vor allem durch eine Wahrnehmung initiiert: Als Zahnärztin nicht gut genug zu sein. Dieser Zweifel am eigenen Können ist unter Zahnärztinnen nach wie vor weitverbreitet. Meist betrifft es genau die Kolleginnen, die eine Fortbildung nach der anderen besuchen, umfassend recherchieren und sich eingehend auf ihre Behandlungen vorbereiten. Zahnärztinnen also, die ihr Handwerk bis ins kleinste Detail beherrschen und sich selbst dennoch immer wieder in den Schatten stellen. Woher rührt diese auffallend starke Unsicherheit und warum können viele Kolleginnen sie nicht einfach ablegen?
Studium: Alleinkämpfende unter großem Druck
Fragt man Zahnärztinnen, ob sie sich heute noch mal für die Zahnmedizin entscheiden würden, so verneint dies ein beträchtlich hoher Prozentsatz. Diese ablehnende Haltung der Zahnmedizin gegenüber resultiert erschreckend oft aus dem Studium. Studierende unterliegen während ihres Zahnmedizinstudiums einem besonders großen Druck und Perfektionismusanspruch, der körperlich wie mental unablässig herausfordert. Dabei fühlen sich nicht wenige Studierende als Alleinkämpfende, die strengen Bewertungen und ungleichen Voraussetzungen in den klinischen Semestern unterliegen. Überraschend ist daher nicht, dass sich bei vielen nach dem Examen Erschöpfung, Leere und oftmals ein Gefühl, unfähig zu sein, einstellen. Auch eine Angst vor dem anstehenden Praxisalltag und der Behandlung am Patienten ist nicht ungewöhnlich. All dies wirkt negativ auf das Selbstwertgefühl junger Zahnärzt*innen und mindert das so wichtige Vertrauen in die eigenen beruflichen Fähigkeiten. Für einen Beruf mit und am Menschen sind diese studiumsbedingten Verunsicherungen keine gute Grundlage und einer der Gründe, warum Zahnärztinnen schon beim Berufseinstieg an sich zweifeln.
Frauen: Perfektionismus-Expertinnen
Ein weiterer Grund liegt wohl in der weiblichen Natur selbst. Frauen neigen nachweislich eher zu Eigenkritik und einem übertriebenen Perfektionismus als ihre männlichen Kollegen und benötigen mehr Bestätigung ihrer Fähigkeiten von außen, durch andere, um selbst davon überzeugt zu sein. Dadurch bleiben Zahnärztinnen häufiger im Hintergrund und reden ihr Wissen und Können klein. Kolleginnen machen oft lieber noch die x-te Fortbildung, um „wirklich sicher zu sein, dies nun am Patienten anbieten zu können“. Es muss nahezu perfekt beherrscht werden, bevor sie sich zutrauen, damit loszulegen.
Frauen: Viele Rollen auf vielen „Bühnen“
Die Rolle der Frau in der Gesellschaft muss in diesem Kontext ebenfalls näher beleuchtet werden. Die Zahnmedizin gilt allgemein als Bereich, in dem Familie und Beruf gut zu vereinbaren sind. Dies spiegelt sich in der Statistik wider: bis zu 70 Prozent der heute (angehenden) Zahnärzte sind weiblich. Die alltägliche Umsetzung dieser Theorie stellt jedoch oft eine deutliche Herausforderung dar. Für viele Kolleginnen steht ihre Rolle als Zahnärztin in einem Konflikt mit ihrer Rolle als Ehefrau, Mutter und Hausfrau. Hierbei sind oft alte, traditionelle Rollenverteilungen trotz moderner Lebensanschauungen noch präsent. So findet sich eine beeindruckende Zahl an Zahnärztinnen im ständigen Bestreben, jeder der ihr zugeschriebenen Rolle gerecht zu werden. Ein wahrer Spagat zwischen Praxis, Patienten, Team und der eigenen Familie, der meist einen sehr hohen Preis mit sich zieht: das Gefühl, niemandem wirklich vollends gerecht zu werden – nicht gut genug zu sein.
In diesen Lebensmodellen bleibt die Frau hinter der Zahnärztin oft auf der Strecke – zu wenig Zeit für sich selbst und für die eigenen Bedürfnisse.
Weiblichkeit im Praxisalltag
In der Regel herrscht in der Zahnmedizin überdies viel Stress, Zeit- und Leistungsdruck. Den körperlichen Herausforderungen aufgrund der ungesunden Arbeitshaltung steht ein dicht gefüllter Terminplaner gegenüber, der abgearbeitet werden muss, um wirtschaftlich zu bleiben. Diese Ausgangslage lässt oft wenig Raum für individuelle Entfaltung und Selbstsicherheit, ein Arbeiten im Rahmen der eigenen körperlichen und mentalen Kapazitäten – und so auch wenig Raum für Weiblichkeit. Denn das System, in dem wir uns heute befinden, ist noch immer stark männlich geprägt. Es ist geschichtlich bedingt von und für unsere männlichen Kollegen geschaffen und hat sich für sie auch jahrzehntelang gut bewährt. Frauen betreiben Zahnmedizin jedoch in der Regel anders – sie haben eine andere Art zu behandeln, Chefin zu sein, Mitarbeiter*innen zu führen, mit Patient*innen umzugehen. Zudem bringen sie ganz andere körperliche und mentale Vorraussetzungen mit als ihre männlichen Kollegen. Frauen brauchen beispielsweise, in der Regel mehr als Männer, die zwischenmenschliche Harmonie, um ihre Fähigkeiten und ihr Können souverän umsetzen zu können.
Tools für eine selbstbestimmte, weibliche Zahnmedizin
Wie kann eine Zahnärztin, die sich in den althergebrachten Gedankenmustern befindet, nun die Selbstsicherheit, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und auch die Freude entwickeln, die in der Arbeit am Patienten so unverzichtbar sind? Die Veränderung der inneren und äußeren Umstände beginnt immer in uns selbst, mit unseren Gedanken und Überzeugungen. Wer also wirklich etwas für sich verändern möchte, muss diese mentale Komponente dauerhaft trainieren. In meinen Seminaren arbeite ich mit Kolleginnen an ihrem beruflichen und privaten Glück.
Einen der ersten Schritte, den wir miteinander entwickeln, ist, sich über Grundlegendes klar zu werden. Hier ermutige ich, sich zwei Fragen zu stellen und diese wirklich ehrlich zu beantworten: WAS brauche ich, um selbstsicher(er) zu arbeiten? WIE möchte ich eigentlich arbeiten? Ein weiterer fester Bestandteil in meinem mentalen Training mit Kolleginnen ist das tägliche Aufschreiben von eigenen Gedanken und Impulsen. Diese sehr erfolgreiche Technik unterstützt bewusst und unterbewusst dabei, positive Routinen und Denkmuster tatsächlich und machbar ins Leben zu integrieren. Inhalte können hier individuelle Ziele, ein bestimmter Fokus, Selbstbekräftigungen, Selbstreflexion, Dankbarkeit und Erfolge sein.
Meiner Erfahrung nach entfaltet sich die größte Wirkung bei regelmäßiger, bestenfalls sogar täglicher Anwendung über einen Zeitraum von mehreren Wochen bis Monaten. Denn alles, was wir regelmäßig tun, verankert sich in unserem Unterbewusstsein und wird somit zu unbewussten, automatisierten Gewohnheiten. Diese Strategie des Gehirns können wir wunderbar für unsere persönliche Entwicklung nutzen.
Sich dabei von Experten unterstützen zu lassen, führt oft sogar schneller und direkter ans Ziel, da Phasen der Motivationsleere besser überbrückt werden können und zudem ein regelmäßiger Input für weiteres Wachstum stattfindet.
Sinnhaft und gesund arbeiten
Innerhalb der eigenen Möglichkeiten und Grenzen zu arbeiten, ist gesund, steigert das Wohlbefinden, den beruflichen Erfolg und macht vor allem glücklich. Unumgänglich bestätigt das die Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit, führt zu Wertschätzung und Respekt im Inneren wie auch im Äußeren. Sich die für sich passende Praxisstruktur zu erschaffen – unter Umständen sogar fernab bisheriger Traditionen und bestehender Varianten – steigert den Erfolg und führt damit zu einem selbstsicheren Ausleben des eigenen Berufes.
Weitere Informationen zum Coaching-Angebot von Frau Dr. Neumann auf www.drcharlieneumann.com
Der Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.