Psychologie 24.02.2014
Psychologische Hürden in der Zahnarztpraxis überwinden – Teil 3
share
Praktische Übungen zum Überwinden psychologischer Hürden in der Zahnarztpraxis: Körperlich entspannen
Die aktuelle Artikel-Reihe befasst sich mit praktisch umsetzbaren Übungen im Umgang mit psychisch auffälligen Patienten in der Zahnarztpraxis. Es ist hilfreich, möglichst schnell zu erkennen, welcher Ansatz der sinnvollste ist, um gemeinsam mit den Patienten eine entspannte Behandlung durchführen zu können. Auffälligkeiten treten im Verhalten, in den Gedanken und in körperlichen Reaktionen auf. Diesmal werden Tipps gegeben, wie die Patienten körperlich entspannen können, um sich insgesamt wohler zu fühlen.
Jeder Mensch hat für unterschiedliche Gefühle persönliche Körperhaltungen. Ich bitte Sie jetzt einfach einmal gleich zu Anfang, sich kurz vorzustellen, wie es ist, angespannt zu sein: Wie fühlt es sich an? Was passiert mit Ihrem Gesichtsausdruck, mit Ihren Schultern, mit Ihrer Atmung? Was machen Ihre Hände, Ihre Beine? Sobald Sie sich eine Weile dabei beobachtet haben, angespannt zu sein, gehen Sie zur nächsten Beobachtungsaufgabe über. Stellen Sie sich vor, wie es ist, schon jetzt zu entspannen: Wie fühlt sich das an? Was passiert jetzt mit Ihrem Gesichtsausdruck, mit Ihren Schultern, mit Ihrer Atmung? Was machen Ihre Hände jetzt, Ihre Beine?
Sobald Sie sich genau in beiden Gefühlslagen beobachtet haben, können Sie wahrscheinlich relativ einfach von der einen Variante in die andere wechseln. Und damit sind wir schon bei der ersten und aus meiner Sicht besten Übung, die Sie mit angespannten Patienten durchführen können.
Anspannung entspannen
Viele Patienten haben keine Vorstellung davon, wie es sich körperlich anfühlt, bei der Zahnbehandlung entspannt zu sein. Sie können genau berichten, wie sie sich bisher verspannten, schwitzten, zitterten, wie ihnen übel wurde, wie sie verkrampften und erstarrten. All dieses Wissen nutzt wenig, um einen angenehmen Zahnarztbesuch zu erleben. Diesen Patienten fehlt der Glaube daran, dass sie in dieser Situation entspannen können. Deshalb ist es sehr hilfreich, sie daran zu erinnern und es kurz mit ihnen zu trainieren. Üblicherweise machen die Patienten diese Übung anstandslos mit, da sie noch nicht ahnen, dass sie diese Erfahrung gleich während der Behandlung anwenden werden. Sie können ohne große Vorankündigung die Übung, wie oben beschrieben, durchführen. Lassen Sie den Patienten ein paarmal die unterschiedlichen körperlichen Reaktionen beobachten und fühlen. Fangen Sie bei der negativen an, da wir von negativ zu positiv einstudieren möchten, nicht umgekehrt. Führen Sie dabei die negativen Gefühle nur kurz durch und lassen Sie dem Patienten bei den positiven Gefühlen mehr Zeit. Zwischen den Durchgängen ist es ratsam, den Patienten kurz abzulenken, um die Sequenz zu beenden. Vielleicht trägt er eine schöne Uhr oder soll sich noch bequemer hinsetzen.
Der Patient geht aufmerksam die Übung durch und merkt dabei, wie er bewusst entspannen kann. Meist war das Gesicht verkrampft, die Schultern waren nach oben gezogen und die Atmung war kurz und flach. Diese Aspekte kann der Patient nun bewusst ändern. Was aus psychologischer Sicht jedoch noch viel wichtiger ist, ist der Effekt, dass das Unterbewusstsein nach circa drei Durchgängen verstanden hat, dass der entspannte Zustand nur einen Atemzug entfernt ist. Es fängt mit „angespannt“ an und endet jedes Mal mit „entspannt“.
Zusammengefasst gehen Sie dreimal folgendermaßen vor:
- Körperliche Reaktionen „angespannt“ kurz durchgehen
- Körperliche Reaktionen „entspannt“ etwas länger durchgehen
- Unterbrechung (z.B. anders hinsetzen, das Wetter besprechen)
Sie können daraufhin Ihrem Patienten erklären, dass er seine körperlichen Reaktionen bewusst verändern und trainieren kann. Es ist nicht ratsam, die unbewussten Vorgänge zu erläutern. Diese funktionieren am besten, wenn wir sie unbewusst lassen. Es reicht an dieser Stelle, wenn Sie wissen, was Sie tun.
Atemtechniken
Körperliche Anspannungen sind stark mit dem Atem verbunden. Sobald Ihre Patienten tief in den Bauch atmen und wieder langsam ausatmen, ist es unmöglich, körperlich angespannt zu sein. Sie können den Patienten zwei Atemtechniken vorschlagen, aus denen diese wählen.Hilfreich ist es, dass sich der Patient die Hand auf den Bauch legt, damit der Atem dorthin fließt. Schnappatmung bis maximal Brustbereich ist kontraproduktiv.
Atemtechnik 1-2-3:
Zählen Sie einfach beim Atmen innerlich mit, hoch und runter:
- Atmen Sie drei Sekunden ein und zählen Sie innerlich 1-2-3
- Pause
- Atmen Sie drei Sekunden aus und zählen Sie innerlich 3-2-1
- Pause, ...
Atemtechnik 2-3-4:
Verlangsamen Sie das Ein- und Ausatmen schrittweise:
- 2 Sekunden einatmen – Pause – 2 Sekunden ausatmen – Pause
- 3 Sekunden einatmen – Pause – 3 Sekunden ausatmen – Pause
- 4 Sekunden einatmen – Pause – 4 Sekunden ausatmen – Pause, ...
Entspannungstechniken
Natürlich können Sie Ihren Patienten auch etablierte Entspannungstechniken wie autogenes Training oder progressive Muskelrelaxation vorschlagen. Damit diese Techniken jederzeit abrufbar sind, bedarf es regelmäßigen Trainings. Es gibt zahlreiche angeleitete Entspannungs-CDs auf dem Markt, die Sie Ihren Patienten nahelegen können. Jede Volkshochschule oder Krankenkasse bietet Kurse dazu an. Doch auch für Sie ist es hilfreich, zu wissen, was der Patient macht, sobald er eine Entspannungstechnik anwendet.
Autogenes Training
Durch Autosuggestionen wird der Körper in einen Ruhezustand versetzt. Ruhe, Wärme und ein angenehm kühler Kopf helfen den Patienten, sich auch während der Zahnbehandlung wohlzufühlen. Typische Sätze sind dabei beispielsweise. „Mein Atem ist ruhig und entspannt“ oder„ Mein Arm ist angenehm schwer“.
Progressive Muskelentspannung
Hier werden körperliche Verspannungen in einzelnen Körperregionen zuerst bewusst verstärkt, um sie dann bewusst zu lösen und dieser Entspannung nachzuempfinden. Dadurch bekommt der Patient ein Gefühl für seine Anspannung und kann dieser gezielt entgegenwirken.
Woran erkennen Sie den körperlich angespannten Patienten?
Mehr Anregungen sind für Ihren Patienten nicht nötig. Zu viele Übungen verwirren unnötig und führen dazu, dass keine richtig trainiert wird. Bleibt nur noch die Frage offen, woran Sie erkennen, dass Ihr Patient seine Angst primär an körperlichen Reaktionen festmacht und nicht an Gedanken oder Verhalten (siehe die letzten beiden Ausgaben des Dentalhygiene Journals). Sie sehen es. Wie schon oben beschrieben, haben die Patienten meist einen unsicheren, verkrampften Gesichtsausdruck. Die Schulter-Nackenregion ist angespannt, die Hände unruhig oder zu Fäusten geballt. Die Atmung ist meist flach und fließt nicht in die Bauchregion. Sobald der Patient beschreibt, wie sich „angespannt“ von „entspannt“ unterscheidet, wird er körperliche Anzeichen nennen, keine gedanklichen.
Sobald Sie die Kategorien Verhalten, Gedanken und körperliche Reaktionen im Hinterkopf behalten, erkennen Sie die Unterschiede immer schneller. Was Sie bisher wahrscheinlich schon intuitiv richtig gemacht haben, können Sie jetzt noch gezielter einsetzen. Dadurch verkürzt sich die Vorbereitungs- und Behandlungszeit und die komplette Zahnbehandlung geht entspannter vonstatten. Ihre zahnmedizinische Expertise gepaart mit psychologischem Know-how garantieren fachlichen und emotionalen Erfolg.