Qualitätsmanagement 28.02.2011
Das QM-Handbuch als Gebrauchsanleitung
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Zur Einführung des QM-Systems gemäß dem Gemeinsamen Bundesausschuss haben Sie noch bis zum 31.12.2010 Zeit. Mit folgendem Beitrag möchten wir Ihnen die Angst und Sorge vor der Einführung und dem Aufwand eines Qualitätsmanagement-Systems nehmen, mit einigen Vorurteilen aufräumen und Ihnen und Ihren Mitarbeitern wichtige Tipps und Tricks an die Hand geben, damit die Einführung Ihres QM-Systems zum Erfolg für das ganze Team wird. Anhand von einfachen Beispielen und Vergleichen werden die Hintergründe und Notwendigkeiten eines QM-Systems verständlich gemacht.
Jeder von Ihnen hat sich schon einmal ein technisches Gerät gekauft. Bei der Inbetriebnahme des Gerätes verzichten wir meistens auf das Lesen der mitgelieferten Gebrauchsanleitung, warum auch. Wir versuchen mit unserem technischen Verstand das Gerät ohne Gebrauchsanleitung in Betrieb zu nehmen. Wir versuchen und tüfteln, probieren aus, stecken die Kabel um, drücken die Schalter in anderer Reihenfolge und wollen nicht aufgeben, das Gerät ohne Gebrauchsanleitung zu starten. Erst nachdem wir alles versucht haben, nehmen wir genervt die mitgelieferte Gebrauchsanleitung zur Hand. In den meisten Fällen finden wir schon in den ersten Zeilen Lösungsansätze für unser Inbetriebnahme-Problem. Und nach weiteren Zeilen haben wir das Problem im Griff und das gekaufte Gerät kann nun seinen vollen Zweck erfüllen.
Neue Mitarbeiterinnen, die in Ihre Praxisorganisation einsteigen, müssen sich über mehrere Monate erst einmal zurechtfinden. Sicherlich sind das fachlich ausgebildete Mitarbeiter, aber die organisatorischen Belange sind in jeder Praxis anders. Die Einarbeitung einer neuen Mitarbeiterin kann somit mehrere Monate dauern und mehrere Tausend Euro verschlingen, bis sie mit den neuen Abläufen und spezifischen Eigenschaften der Praxis zurechtkommt. Ein Managementsystem soll hier für Abhilfe schaffen. Sicherlich hat jeder Praxisinhaber ein großes Interesse daran, die Einarbeitungszeit der neuen Mitarbeiterin zu verringern. Die internen Regeln und organisatorischen Abläufe eines Praxis- oder Qualitätsmanagementsystems werden in einem QM-Handbuch beschrieben. Das Handbuch beinhaltet alle wichtigen Praxisabläufe, Verantwortlichkeiten und Spielregeln der Praxis.
Abstrakt gesehen können wir das QM-Handbuch Ihrer Praxis als Gebrauchsanleitung Ihrer Praxisorganisation ansehen. Liest die neue Mitarbeiterin nun dieses Handbuch bzw. die Gebrauchsanleitung vor Aufnahme ihrer Tätigkeit, so wird sie sich sicherlich schneller in die Praxisorganisation einfinden. Das spart für die Praxis wertvolle Zeit. Die Einführung läuft für alle Mitarbeiterinnen und den Chefs in einer entspannteren Atmosphäre ab. Durch die zeitliche Einsparung der Einarbeitung werden auch die finanziellen Ressourcen Ihrer Praxis geschont.
Fazit: Das Qualitätsmanagement-Handbuch beschreibt die Abläufe und den Aufbau Ihrer Praxisorganisation und ist somit die Gebrauchsanleitung Ihrer eigenen Praxis.
Das QM-Handbuch als Versicherungspolice
Neben der Optimierung der Patientenorientierung in einer Praxisorganisation und der Beleuchtung der optimalen Mitarbeiterführung gibt es einen weiteren sehr wichtigen Aspekt, der für die Einführung eines QM-Systems spricht. Jeder Praxisinhaber, jeder Unternehmer übernimmt für seine Praxis und für seine Mitarbeiter eine immer größer werdende Verantwortung. Es müssen immer mehr Gesetze, Verordnungen und Regeln erfüllt werden. Oft sind die einzelnen Regeln und Pflichten den Praxisinhabern gar nicht bekannt. Die einzelnen Inhalte eines QM-Handbuches können auch als unterschiedliche Versicherungspolicen angesehen werden. Die Anleitungen im Handbuch helfen uns, gesetzliche Regeln zu erkennen und zu berücksichtigen. Sicherlich schließt keiner von uns gerne eine Versicherung ab, aber wenn der unerwartete Fall eintritt, so sind wir doch dankbar, wenn wir im Vorfeld eine entsprechende Police abgeschlossen haben.
In einem Beispiel wollen wir das näher beleuchten. Im Praxisablauf werden die wichtigen Belehrungen für die Mitarbeiter der Praxis aufgelistet und beschrieben. Hier werden auch die einzelnen Zyklen für die Wiederholung der Belehrungen festgelegt. Es gibt im QMHandbuch zur Belehrungsbeschreibung auch ein Formular, in dem die durchgeführten Belehrungen mit den einzelnen Unterschriften der Mitarbeiter festgehalten werden können. Die Aufzeichnung der durchgeführten Belehrung dient nun als sehr wichtiger Nachweis der durchgeführten Belehrungen und wirkt gleichzeitig haftungsentlastend für die Praxisleitung. Verletzt sich nun eine Mitarbeiterin, z.B. beim unsachgemäßen Umgang mit einem Gefahrstoff in der Praxis, so ist das sehr tragisch. Für die Unfallversicherung oder die Berufsgenossenschaft, die für etwaige Zahlungen aufkommen soll, ist es nun entscheidend, ob die gesetzlich geforderten Belehrungen durchgeführt wurden. Ist das nicht der Fall und die Praxis kann die durchgeführte Gefahrstoffbelehrung im Nachhinein nicht nachweisen, kann die Unfallversicherung oder die Berufsgenossenschaft Leistungen verweigern. Fazit: Die einzelnen Abläufe im QM-Handbuch können auch als Versicherungspolicen angesehen werden, die sich für die Praxis und die Praxisinhaber haftungsentlastend auswirken können.
QM braucht eine wertschöpfende Funktion
An dieser Stelle müssen wir ein sehr großes Missverständnis in der Zahnärzteschaft aufklären, denn wir können in einem QM-Handbuch nicht die zahnärztliche Kunst neu definieren. Dieses ist auch gesetzlich gar nicht gefordert. Es gibt unermesslich viel Fachliteratur, in der wir das doch nachlesen können. In einem QM-System geht es in der ersten Phase um die Belange einer Praxisorganisation. Wie haben Sie sich und Ihre Mitarbeiter aufgestellt und organisiert, um die an sie gestellten Aufgaben täglich zu meistern? Wer ist in Ihrer Praxisorganisation wofür verantwortlich? Wie gehen Sie mit Ausnahmesituationen um, wissen alle Mitarbeiter, was sie in einer Ausnahmesituation zu tun haben? Sind die Aufgaben am Empfang geregelt? Der Empfang einer Praxis bildet das Zentrum aller Abläufe und Begegnungen.
Wo sollen Sie nun aber mit der Beschreibung von Praxisabläufen beginnen und wo sollen Sie aufhören, gibt es überhaupt ein Ende? Bei der Einführung eines QM-Systems gibt es ein Zauberwort und dieses lautet „Wertschöpfung“. Bevor Sie mit der Beschreibung eines organisatorischen Ablaufes beginnen, stellen Sie sich bitte stets die Frage, ob Sie durch diese Prozessbeschreibung in Ihrer Praxisorganisation eine „Wertschöpfung“ erfahren. Können Sie diese Frage nicht mit einem klaren „Ja“ beantworten, so sollten Sie von der Beschreibung Abstand nehmen.
Beginnen Sie mit der Beschreibung von Abläufen, die heute nicht so funktionieren wie Sie sich das wünschen. In jeder Praxisorganisation gibt es solche Abläufe, mit denen wir nicht zufrieden sind. Nehmen Sie sich die Zeit, mit Ihren Mitarbeitern genau diesen ersten Prozess zu beschreiben. Fassen Sie nur diesen einen Prozess an und investieren Sie ihre Energie in die Lösung des Problems. Wenn Sie nun für die Lösung des Problems und Beschreibung dieses Prozesses die nächsten sechs Monate benötigen, so investieren Sie diese Zeit. Wenn Sie und Ihr Team es geschafft haben, dieses erste Problem zu lösen, so haben Sie bewiesen, dass das QM-System in Ihrer Praxis eine wertschöpfende Funktion eingenommen hat. Ihre Mitarbeiter können erkennen, dass die Einführung eines QM-Systems Sinn macht. Falsch ist es, Abläufe zu beschreiben, die bereits reibungslos in Ihrer Praxisorganisation funktionieren. Sie haben keine unmittelbare Wertschöpfung, ganz im Gegenteil, Sie investieren Zeit und Geld in die Beschreibung von Abläufen, die funktionieren und Sie erhalten bei Ihren Mitarbeitern kein Verständnis dafür.
Verloren haben Sie in Ihrem QM-System, wenn es in Ihrer Verwaltung einen Praxisablauf zum richtigen Frankieren eines Briefumschlages gibt. Sicherlich werden Sie jetzt schmunzeln, aber diese Fälle von Überdokumentation und nicht geforderter Überbürokratisierung gibt es. Praxen haben sich eine Dokumentation „wortwörtlich“ ans Bein gebunden, die absolut nichts mehr mit einem Wertschöpfungsprozess zu tun hat. Diese Praxen haben – ohne dass sie es geahnt haben – eine Geldvernichtungsmaschine in die Praxisorganisation installiert.
Bedenken Sie beim Aufbau Ihres QM-Systems, dass es keine gesetzliche Verpflichtung über die Anzahl der beschriebenen Abläufe gibt. Wenn nun für Ihre Praxis alle wichtigen Abläufe beschrieben wurden, kommen wir noch einmal auf die Beschreibung der zahnärztlichen Kunst zu sprechen. Auch hier kann es sicherlich eine Wertschöpfung geben, wenn Sie anfangen z.B. Abläufe zu beschreiben, die nur selten in Ihrer Praxis benötigt werden. Hier kann die Wertschöpfung darin liegen, eine größere Prozesssicherheit zu erhalten. Des Weiteren können Sie eine Wertschöpfung in der Beschreibung dieser Abläufe erhalten unter dem Gesichtspunkt der Einarbeitung neuer Mitarbeiter in Ihre Praxisorganisation. Erinnern Sie sich an die Gebrauchsanleitung für Ihre Praxisorganisation.
Fazit: Fangen Sie mit der Beschreibung von Praxisabläufen an, wo Sie eine unmittelbare Wertschöpfung erhalten. Konzentrieren Sie sich am Anfang nur um die organisatorischen Abläufe. Überfrachten Sie Ihr QM-Handbuch nicht mit überflüssigen und selbstverständlichen Prozessbeschreibungen. „Weniger ist hier mehr.“
Infrastruktur = Inhaltsverzeichnis des QM-Handbuchs
Die Funktionsweise eines internen QM-Systems wird in einem QM-Handbuch niedergeschrieben. Wir wissen, dass das QM-Handbuch die Gebrauchsanleitung einer Praxisorganisation sein kann. Nun muss sichergestellt werden, dass sich die Mitarbeiter Ihrer Praxis auch mit den Inhalten des QM-Handbuches zurechtfinden und damit auch arbeiten. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Mitarbeiter auch die einzelnen gesuchten Unterlagen im QM-Handbuch finden. Wichtig ist hierbei, dass es einen geeigneten Wegweiser im QM-Handbuch gibt. Ein guter Wegweiser oder auch das Inhaltsverzeichnis und das Register sind ganz entscheidend dafür, ob die Mitarbeiter Ihrer Praxis ein QM-Handbuch akzeptieren oder nicht. Viele Handbücher zeigen hier erhebliche Mängel auf. Oft werden in den Inhaltsverzeichnissen die einzelnen Paragrafen der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) oder einer anderen QM-Nachweisstufe abgebildet.
Alle Praxen, die ein QM-System einführen, haben doch etwas gemeinsam. Die Infrastruktur einer Praxis ist in allen Zahnarztpraxen gleich. Also warum nutzen wird diesen Vorteil nicht aus? Durch eine geeignete Umsetzungstabelle oder auch Crossmatrix werden die einzelnen Paragrafen der Richtlinie auf die Infrastruktur der Praxis und somit auf die einzelnen Personengruppen und die Räumlichkeiten adaptiert. Die Personengruppen bestehen aus der Praxisleitung, den Beauftragten und den Mitarbeitern der Praxis. Die Räumlichkeiten der Praxis werden durch die Verwaltung, den Empfang, das Wartezimmer, die Behandlung, Verabschiedung, Steri, Röntgen und dem Labor abgebildet.
In Abbildung 1 wird eine mögliche Crossmatrix vorgestellt. Auf der linken Seite befinden sich die einzelnen Paragrafen der Richtlinie, mit der eine Mitarbeiterin Ihrer Praxis gut arbeiten kann. Im oberen Bereich wird die beschriebene Infrastruktur der Praxis abgebildet. Im Zentrum der Matrix wird nun durch ein Haken festgelegt, welche G-BA-Anforderung in welchem Bereich der Infrastruktur behandelt wird.
Alle wichtigen und gesetzlichen Unterlagen, insbesondere Abläufe und Checklisten, werden nur den Räumen zugeordnet, in denen sie benötigt werden. Somit befindet sich z.B. eine Anleitung zum „OPG-Röntgen“ auch im „Praxisraum(-bereich) Röntgen“. Diese einfache Aufbaustruktur hat zwei wesentliche Vorteile für eine Praxis: Zum einen können sich die Mitarbeiter in Kenntnis der Räumlichkeiten einer Praxis sehr schnell einen Überblick zum Aufbau des QM-Handbuches verschaffen und die wichtigen Unterlagen schnell wiederfinden. Zum anderen liegt der große Vorteil darin, dass weitere Managementsysteme, wie z.B. das einrichtungsinterne Hygienemanagement, ohne großen Aufwand an die Struktur dieses Handbuches angepasst werden können.
Die Qualifikation der Mitarbeiter
Damit die Einführung eines QM-Systems in die Praxisorganisation erfolgreich verlaufen kann, müssen einige Grundvoraussetzungen bzw. Qualifikationen der Mitarbeiter vorhanden sein. Qualitätsmanagementsysteme werden in den meisten Fällen in QM-Handbüchern beschrieben. Es gibt aber auch bereits die ersten EDV-Systeme, in denen ein QM-System abgebildet wird. Die Inhalte der QM-Handbücher bestehen meist aus einzelnen Text-Dokumenten, die auf Ihrem Praxisrechner in einem bestimmten und festgelegten Ordnersystem verwaltet werden.
Um mit diesen Unterlagen und dem Ordnersystem des QM-Handbuches arbeiten zu können, bedarf es nun einiger Grundkenntnisse im Umgang mit dem Computer. Hierzu gehört in erster Linie die Bearbeitung von Texten mit dem entsprechenden Computerprogramm, mit dem die Unterlagen des Handbuches erstellt wurden. Erstellung und Veränderungen von Texten und Tabellen sowie das Formatieren gehören zum Beispiel mit dazu. Auch Kenntnisse über das Erstellen und Verwalten von Ordnern, in denen die Unterlagen gespeichert werden, müssen vorhanden sein.
Liegen nun diese erforderlichen EDV-Grundkenntnisse nicht in ausreichender Form vor, so gibt es eine Verlagerung der Aufgaben bzw. der Probleme. Nicht die Einführung eines QM-Systems ist das Problem, sondern der Umgang mit einem Computer bzw. mit dem Bearbeiten der Dateien. Für die Änderung von Texten, die für eine geübte Mitarbeiterin in wenigen Minuten erledigt werden kann, benötigt eine unerfahrene Mitarbeiterin oft Stunden. Unter diesen Voraussetzungen ist ein effizientes Einführen des QM-Systems fast nicht möglich. Nicht nur, dass der Aufbau und das Anpassen der Unterlagen ein Vielfaches an Mehrzeit benötigen, die Mitarbeiter der Praxis verlieren die Lust an der Einführung des Systems. Oft wird dann die Schuld für die schleppende Einführung des QM-Systems im „komplizierten“ Aufbau des QM-Handbuches gesehen, was aber eigentlich gar nicht zutreffend ist.
Wenn Sie als Praxisinhaber diese mangelnde Qualifikation erkennen, so gilt es, diese zu verändern, bevor Sie mit dem Aufbau des QM-Systems beginnen. Managementsysteme sollen vorhandene Ressourcen einer Organisation aufdecken, es sollen Schwachstellen in der Organisation erkannt werden, Abläufe sollen optimiert werden, die Mitarbeiter der Praxis sollen effektiver eingesetzt werden. Damit das gelingen kann, müssen die Grundvoraussetzungen im Vorfeld geschaffen werden. Fazit: Achten Sie als Praxisinhaber auf die Qualifikation Ihrer Mitarbeiter. Ohne die erforderlichen EDV-Kenntnisse können die QM-Systeme nicht kostenschonend eingeführt werden.
QM – auch ohne Computer
Viele von Ihnen denken, dass die Einführung eines QM-Systems nur mit einem Computer zu bewerkstelligen sei. Sicherlich können zum Beispiel Dokumente für eine geübte Computeranwenderin schneller erstellt werden. Für Ungeübte kann es zu einem großen Problem und Belastung führen. Es gibt aber QM-Handbücher am Markt, die auf die Praxis bereits personalisiert wurden.
Formulare zur Aufzeichnung von Ergebnissen, durchgeführte Schulungen, Wareneingangsprüfungen oder eine Chargendokumentation können ohne den Einsatz eines Computers zum Einsatz kommen. Die Formulare dienen als einfache Kopiervorlage. Die Ergebnisse werden handschriftlich festgehalten. Die Aufzeichnungen werden nach dem Vervollständigen in einem Ordner archiviert.
Gerade bei Unterlagen, auf denen wir die Unterschriften der Mitarbeiter benötigen, kommen wir – derzeitig noch – mit dem Computer nicht weiter. Fazit: Gute QM-Handbücher lassen sich auch ohne den Einsatz eines Computers anwenden.
Tipp
Unter www.der-qmberater.de können interessierte Praxen sich Leseproben kostenlos als PDF-Datei herunterladen.
Autor: Christoph Jäger