Qualitätsmanagement 21.02.2011

QM: Bestandsaufnahme Dezember 2010

QM: Bestandsaufnahme Dezember 2010

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Am 31. Dezember 2010 ist die Zeit abgelaufen: Alle Zahnarztpraxen müssen ein Qualitätsmanagementsystem eingeführt haben. Doch nicht alle werden diese Zeitvorgabe erfüllen. Und noch immer gibt es offene Fragen. Der Autor versucht, eine Bestandsaufnahme zu machen.

Vor nunmehr zehn Jahren war der Autor zusammen mit anderen im Auftrag der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein an der Entwicklung eines der ersten Qua­litätsmanagementsysteme (QM-Systeme) für Zahnarztpraxen beteiligt. Grundlage war ein Beschluss der 72.

Gesundheitsministerkonferenz aus dem Jahr 1999, nach dem alle Einrichtungen des Gesundheitswesens bis zum 1. Januar 2005 ein an dem Stand der Wis-senschaft und Technik orientiertes Qualitätsmanagement einführen sollten. Das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) konkretisierte dies in 2004 über den §135a des SGB V: „Vertrags(-zahn)-ärzte … sind … verpflichtet, …einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiter zu entwickeln.“ Im Jahr 2006 verabschiedete der Gemeinsame Bundesausschuss die „Richtlinie … über grundsätzliche Anforderungen an ein einrichtungsinter-nes Qualitätsmanagement in der vertragszahnärztlichen Versorgung (Qualitätsmanagement-Richtlinie vertragszahnärztliche Versorgung)“ oder auch „QM-RiLi“. Sie trat am 31.12.2006 in Kraft und sagt aus, dass alle Zahnarztpraxen eben bis zum 31.12.2010 ein wie dort beschriebenes QM-System einzuführen haben. Der Autor hat diesen Prozess in Vorträgen, in der Lehre und in vielen Gesprächen begleitet.

Der Name „Qualitätsmanagement“

Nach wie vor ist wohl der Name der unglücklichste Bestandteil des QM-Systems. Mit dem „Managen der Qualität“ assoziiert man zwangsläufig, dass es um die Qualität der zahnmedizinischen Behandlung geht. Aber darum geht es gerade nicht. Der Begriff kommt aus der Industrie, wo das Management der Abläufe, die von Maschinen und Facharbeitern durchgeführt werden, die Qualität der Produkte einschließlich ihrer termingerechten Fertigung maßgeblich beeinflusst. Die Qualität der zahnme­dizinischen Versorgung aber wird in erster Linie vom Zahnarzt als persönliche (freiberufliche) Leistung sichergestellt – und der (bzw. die Zahnärztin) ist hoch qualifiziert. Die Abläufe in der Pra-xis tragen selbstverständlich auch zur Qualität bei, z.B. bei den Lieferanten-prozessen, aber nicht in demselben Maße wie in der Industrie.

Dass der Zahnarzt nach seiner langen Ausbildung und der erworbenen Erfahrung keine aus der Industrie abgeleiteten Anweisungen bekommen wollte, die suggerierten, damit könne die Qua­lität seiner Behandlung verbessert werden, ist verständlich. Heute ist den meisten Zahnärzten klar, dass es um die Qualität der Abläufe in der Praxis geht. Doch hat der Name sicher dazu beigetragen, dass dem QM zumindest in den Anfängen sehr skeptisch begegnet wurde. Und das ist schade, denn bei aller berechtigten Kritik kann QM für die Praxis sehr viel bringen.

Die Hygiene

Die Anforderungen an die Hygiene sind immer umfangreicher geworden. Jede Praxis setzt sich in letzter Zeit mehr und mehr damit auseinander. Auch sind bestimmte Praxisabläufe im Zusammenhang mit den Hygieneanfor­derungen zu betrachten.

Aber: Die QM-RiLi hat zunächst einmal nichts mit den Anforderungen an die Hygiene zu tun. Das wird oft in einen Topf geworfen. Das QM-System kann (und sollte) zwar dazu genutzt werden, bestimmte Anforderungen an die Hygiene zu organisieren. Wer aber die Hygiene-Vorschriften erfüllt, hat noch lange kein QM-System.

Die Systeme

In einer groben Einteilung können drei verschiedene QM-System-Typen unterschieden werden:
– KZV- bzw. Kammer-Systeme
– Praxissoftware-Systeme
– Freie Systeme.

Viele Kammern bzw. KZVen bieten ihren Mitgliedern eigene oder von zugelas­senen Dritten entwickelte Systeme an. Diese erreichen den größten Marktanteil. Es sind Handbuch- oder Software- beziehungsweise auch internetgestützte Lösungen. Alle erfüllen die Anforderungen der QM-RiLi.

Viele Hersteller von Praxissoftware bieten Erweiterungs-Tools an, mit denen ebenfalls die Anforderungen an die RiLi erfüllt werden – jedenfalls wenn sich die Praxis wirklich damit auseinandersetzt. Denn es ist immer zu beachten, dass man QM nicht einfach kaufen kann – QM wird erst durch Handeln aktiv.

Die freien Systeme basieren oft auf etablierten Normen wie z.B. der DIN EN ISO 9000. In den unterschiedlichsten Erscheinungsformen gibt es von äußerst bedenklichen Handbüchern bis hin zur exzellenten Software so ziemlich alles. Eine intensive Auseinandersetzung mit den Systemen und auch den Preisen erfolgte z.B. bei Sander in der ZWP 12/2007, S. 10–12 und soll hier nicht wiederholt werden.

Der Umsetzungsstand

Nach Rückfrage bei einigen Kammern bzw. KZVen kann davon ausgegangen werden, dass bis zum 31. Dezember ca. 70 bis 75 Prozent aller Praxen ein von der Kammer bzw. von der KZV angebotenes System eingeführt haben werden. 10 bis 15 Prozent der Praxen verwenden bereits ein anderes System (siehe oben). Und weiter 10 bis 15 Prozent werden die Anforderungen wohl nicht fristgerecht erfüllt haben. Ihnen werden die Kammern/KZVen in 2011 Nachschulungen anbieten.

Die Zertifizierung

Hinsichtlich der Zertifizierung herrscht teilweise noch große Unsicherheit. Eine Zertifizierung ist ein „Nachweis der gestellten Anforderungen“. Und hier machen sich einige schwarze Schafe die Unsicherheit mancher Zahnärzte zunutze, indem sie die aus der Indus­-trie bekannte Zertifizierung, z.B. für die Anforderungen gemäß der schon erwähnten DIN EN ISO 9000, anbieten. Die QM-RiLi verlangt ausschließlich die Einführung des QM-Systems, nicht dessen Zertifizierung. Im Einklang mit Dr. Rüdiger Schott, Mitglied des Vorstandes der Bayerischen Landeszahnärztekammer und Referent der KZVB für Qualitäts- und Praxismanagement, warnt der Autor dringend davor, sich einen solchen Nachweis aufschwatzen zu lassen: „Die Zertifizierung ist keine Pflicht.“ Gleichwohl kann die freiwillige Zerti­fizierung für einige Praxen, die sich intensiv z.B. mit der DIN EN ISO 9000 auseinandergesetzt haben, durchaus sinnvoll sein. Für die meisten Praxen ist sie aber – auch aus Kostengründen – nicht zu empfehlen.

Die Konsequenzen

Ab Anfang 2011 werden an zwei Prozent zufällig ausgewählter Praxen Fragebögen versendet, die ihren QM-Umsetzungsstand schriftlich dokumentieren sollen. Die QM-RiLi sagt: „Die Ergebnisse sind der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) zu melden, die spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie dem Gemein­samen Bundesausschuss jährlich über den Umsetzungsstand des einrichtungsinternen Qualitätsmanagements in den zahnärztlichen Praxen berichtet.“ In einem bundeseinheitlichen Erhebungsbogen müssen die ausgewähl-ten Praxen ankreuzen, welche der in der QM-RiLi genannten Instrumente sie geplant haben bzw. welche sie bereits anwenden. Außerdem müssen sie er­klären, dass sie die Anforderungen der Richtlinie erfüllen und dass die ent­sprechende Dokumentation in der Praxis vorliegt. Die Dokumentation selbst muss nicht eingereicht werden.

Wenn eine Praxis die Anforderungen an die Richtlinie ganz oder teilweise nicht erfüllt, drohen zunächst keine Konsequenzen. „Es ist ja davon auszugehen, dass niemand gar nichts haben wird“,
so Dr. Rüdiger Schott. „Wir werden uns mit den betreffenden Praxen unter­halten und weisen darauf hin, dass irgendwann auch Sanktionen zu erwarten sind. Gleichzeitig bieten wir Hilfestellung bei der Vervollständigung des Systems an.“

Die Bewertung

Bis zu 90 Prozent der deutschen Praxen werden bis zum Stichtag ein QM-System eingeführt haben. Leider ist es der Politik nicht gelungen, alle Zahnärzte gleichzeitig auch von den Vorteilen eines QM-Systems zu überzeugen. Doch die gibt es: Ein gutes QM-System kann dazu beitragen, die Abläufe der Praxis zu verbessern, die Kommunikation mit Mitarbeitern und Partnern zu optimieren, die Patientenzufriedenheit zu steigern, das Controlling zu unterstützen und auch das Marketing erfolgreich zu gestalten. Es wäre wünschenswert, wenn sich viele Praxen die aufgezwungene Maßnahme zunutze machen und im Hinblick auf ihre Zukunftsentwicklung zumindest Teile des Systems in ganz eigenem Interesse bewusst anwenden. Die Chance dazu besteht.

Autor: Prof. Dr. Thomas Sander


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