Recht 04.03.2024

Die Aufklärungspflicht zwischen Zahnextraktion und der WKB



Die Aufklärungspflicht zwischen Zahnextraktion und der WKB

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Der Patient ist vor der Behandlung im „Großen und Ganzen“ aufzuklären. Aufgeklärt werden muss auchüber alternative Behandlungsmaßnahmen. Dabei muss die andere Behandlungsmaßnahme eine echte Alternative darstellen. Ist sie dies nicht, muss die theoretisch mögliche Alternative nicht erwähnt werden.

Das OLG Koblenz hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem beim späteren Kläger in mehreren Sitzungen eine Wurzelkanalbehandlung an Zahn 17 durchgeführt wurde. Der Zahn wurde kurz darauf von einem anderen Zahnarzt gezogen. Die Parteien kamen über die Behandlung in Streit, wobei der Kläger u. a. Aufklärungsversäumnisse behauptete. Konkret warf der Kläger vor, er sei nicht über die Alternative der Zahnextraktion aufgeklärt worden. Ob dies notwendig gewesen wäre, musste das OLG Koblenz in zweiter Instanz klären.

Die Verpflichtung zu einer Aufklärung über eine Zahnextraktion verneinte das OLG Koblenz in seinem Urteil vom 23.09.2015 (Az. 5 U 603/15) und begründete dies wie folgt: „Eine darüber hinausgehende Aufklärung über Behandlungsalternativen war nicht geboten. Eine entsprechende Verpflichtung besteht nur dann, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen für den Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und/oder Erfolgschancen bieten … Im Gegensatz zu einer Zahnextraktion, bei der über eine Wurzelkanalbehandlung aufzuklären ist, besteht im umgekehrten Fall keine Aufklärungspflicht. Die Zahnextraktion stellt gegenüber einer Wurzelkanalbehandlung keine Alternative dar. Die Wurzelkanalbehandlung ist auf die Erhaltung des Zahns ausgerichtet. Sie soll die Extraktion vermeiden. Eine Aufklärungspflicht besteht daher nur dann, wenn die Prognose für den Erfolg der Wurzelkanalbehandlung schlecht ist und mit einer Zahnerhaltung nicht in belastbarer Weise gerechnet werden kann … Der Sachverständige hat jedoch in Kenntnis und unter Würdigung der bei der Behandlung des Klägers bestehenden Risiken festgehalten, dass die Wurzelbehandlung kein besonders hohes Behandlungsrisiko und daher auch keine geringe Erfolgsaussicht aufgewiesen habe. Insoweit ist die Entscheidung des Landgerichts, eine Aufklärung über Behandlungsalternativen habe nicht erfolgen müssen, in keiner Weise zu beanstanden.“

Auch die Aufklärung über eine Hemisektion sah das OLG Koblenz nicht als erforderlich an: „Denn der Sachverständige hat die Wurzelbehandlung als Versuch der Erhaltung des Zahns als indiziert angesehen. Eine Hemisektion – also die Entfernung der erkrankten Zahnwurzel und eines Teils der Zahnkrone – steht dem als Teilextraktion folglich ebenso wie die Extraktion des Zahns nicht als Behandlungsalternative gegenüber. Nach dem schicksalhaft ungünstigen Verlauf war nach den Feststellungen des Sachverständigen die Extraktion jedoch erforderlich. Auch für dieses Behandlungsstadium hat der Sachverständige daher die Möglichkeit einer Hemisektion als Behandlungsalternative nicht erwogen. Hinzu tritt, dass die Entscheidung über die Extraktion letztlich nicht von den Beklagten, sondern von dem nachbehandelnden Zahnarzt getroffen wurde, weshalb die Aufklärung über die vom Kläger behauptete Behandlungsalternative gegenüber einer Extraktion des Zahns von diesem zu verantworten gewesen wäre.“Der Leitsatz zu der Entscheidung des OLG Koblenz fasst zusammen: Vor einer Zahnextraktion muss der Zahnarzt den Patient über die Möglichkeit einer Wurzelkanalbehandlung aufklären. Hingegen ist vor einer Wurzelkanalbehandlung in der Regel nicht über die Möglichkeit der Zahnextraktion oder der Hemisektion als Behandlungsalternativen aufzuklären.

Dieser Beitrag ist im EJ Endodontie Journal erschienen.

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