Recht 06.09.2023
Kein Anspruch auf Kindergeld in der Assistenzzeit
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Gemäß § 32 Einkommensteuergesetz besteht ein Anspruch auf Kindergeld, wenn das Kind noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird. Der Bundesfinanzhof hat diesen Anspruch für Kinder verneint, die sich in der ärztlichen Assistenzzeit befinden. Er sieht im Rahmen der Tätigkeit während der medizinischen Assistenzzeit den Charakter der Erwerbstätigkeit stärker im Vordergrund als den der Ausbildung.
In seinem Urteil vom 22.09.2022 (Az. III R 40/21) führt der Bundesfinanzhof zur Begründung aus: „Das FG (= Finanzgericht; Anm. d. Verf.) hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil die von X zur Erlangung der Facharztqualifikation durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen bei einer Gesamtbetrachtung des Dienstverhältnisses hinter den Erwerbscharakter dieses Dienstverhältnisses zurücktreten. Das FG hat die Frage, ob bei dem von X eingegangenen Dienstverhältnis der Erwerbs- oder der Ausbildungscharakter überwog, zwar im Rahmen des § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG geprüft. Die insoweit getroffenen Feststellungen reichen aber aus, um bereits das Vorliegen einer Ausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu verneinen.Das FG hat in Abschn. I. Nr. 2 der Entscheidungsgründe festgestellt, dass X im Rahmen ihrer Tätigkeit an der Klinik bereits ihre zuvor durch die ärztliche Prüfung erlangte Qualifikation als Ärztin eingesetzt hat. Weiter hat es dort ausgeführt, dass die reinen Ausbildungsinhalte zum einen aus einem mindestens einmal jährlich durchgeführten Gespräch zwischen dem anleitenden Arzt und X bestanden, in welchem der Stand der Weiterbildung beurteilt und in einem Logbuch dokumentiert wird. Zum anderen sind in den gesamten 60 Monaten 80 Stunden Kurs-Weiterbildung vorgesehen. Weitergehende Regelungen – insbesondere zum genauen zeitlichen Umfang und der Ausgestaltung der Anleitung – sind in der zugrunde liegenden Weiterbildungsordnung nach Feststellung des FG nicht enthalten. Weiter ist das FG aufgrund der Weiterbildungsordnung davon ausgegangen, dass die Facharztqualifikation ganz überwiegend aufgrund der praktischen Erfahrung aus der ärztlichen Tätigkeit und nur in geringerem Umfang aus der Vermittlung von theoretischem Wissen und Methodenkompetenz erworben wird. Schließlich hat das FG in Abschn. I. Nr. 3 der Entscheidungsgründe die Voraussetzungen eines Ausbildungsdienstverhältnisses verneint und dabei darauf abgestellt, dass X schwerpunktmäßig ihrem Arbeitgeber nach dessen Weisung ihre ärztliche Arbeitsleistung schuldete und die Vergütung nicht auf die Teilnahme an einer Berufsausbildungsmaßnahme ausgerichtet, sondern für die geschuldete ärztliche Tätigkeit angemessen war.“
Das Argument der klagenden Assistenzärztin, sie dürfe noch keine selbstständige und eigenverantwortliche Tätigkeit ausüben, schob der Bundesfinanzhof ebenso zur Seite wie es die Parallele zu der juristischen Ausbildung verneinte, da während des Referendariats noch kein abgeschlossener Beruf ausgeübt wird und auch die Vergütung nicht erwerbsorientiert erfolgt. „Da somit schon der weite Ausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht erfüllt war, muss der Senat nicht der Frage nachgehen, ob es sich im Rahmen des engeren Ausbildungsbegriffes des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG um eine Erst- oder Zweitausbildung handelte. Es kommt deshalb auch nicht auf die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen an, ob X eine langfristige Bindung an den Arbeitgeber eingegangen ist und welchen Umfang die wöchentliche Arbeitszeit hatte. Dass X – wie von der Klägerin behauptet – ganztägig durch einen weiterbildenden Arzt angeleitet wurde und noch keine eigenverantwortliche und selbstständige Tätigkeit ausüben durfte, hat das FG so nicht festgestellt und dürfte im Berufsalltag eines Assistenzarztes in einer Klinik auch eher unüblich sein. Das Berufsziel der X spielt hinsichtlich der Abwägung zwischen den Ausbildungs- und den Erwerbsanteilen ihres Dienstverhältnisses keine Rolle. Eine Parallele zwischen der Assistenzarzttätigkeit auf der einen Seite und dem Referendariat im Bereich der Juristen- oder Lehramtsausbildung sowie den Finanzanwärtern auf der anderen Seite kann schon deshalb nicht gezogen werden, weil bei Letzteren noch kein Eintritt in einen durch den Abschluss ermöglichten Beruf stattgefunden hat und die Vergütung sich an dem Ausbildungscharakter und nicht an einer Erwerbstätigkeit orientiert. Soweit die Klägerin eine Parallele zu Ausbildungsmaßnahmen bei Zeitsoldaten ziehen will, hat der Senat im Urteil in BFH/NV 2021, 1486 ebenfalls bereits das Vorliegen einer Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verneint, weil auch dort der Erwerbscharakter des Dienstverhältnisses dominierte.“
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs befasste sich mit einer ärztlichen Assistenzzeit. Es ist davon auszugehen, dass für die zahnärztliche Assistenzzeit nichts anderes entschieden würde.
Dieser Beitrag ist im OJ Oralchirurgie Journal erschienen.