Recht 20.03.2017

Untreue – Ärzte und Zahnärzte als Vermögenswalter der Kassen?



Untreue – Ärzte und Zahnärzte als Vermögenswalter der Kassen?

Foto: Manuel Schönfeld – stock.adobe.com

Vertrags(zahn)ärzte können sich wegen ihres Abrechnungs- und Verordnungsverhaltens auch wegen Untreue strafbar machen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung (erneut) entschieden (Beschl. v. 16.08.2016, Az.: 4 StR 163/16).

Der Fall:

Angeklagt war ein niedergelassener Chirurg. Dieser hatte sich von einer mit ihm kooperierenden physiotherapeutischen Praxis in insgesamt 479 Fällen die Versicherungskarten von Patienten übermitteln lassen und ohne Untersuchung oder Indikation für diese Patienten physiotherapeutische Leistungen verordnet. Die Physiotherapeuten erbrachten die verordneten Leistungen zudem nicht, ließen sich die Erbringung aber mit Wissen des Chirurgen wahrheitswidrig von den Patienten bestätigen und rechneten sie gegenüber der jeweiligen GKV ab.

Der Angeklagte erhielt keine Beteiligung an den so erzielten Einnahmen, er wollte sich lediglich die physiotherapeutische Praxis im Sinne der weiteren Kooperation gewogen machen bzw. halten. In erster Instanz war er u. a. wegen Untreue in 479 Fällen zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt worden.

Die Entscheidung:

Zu Recht, entschied der BGH auf die Revision des Angeklagten.

Der Angeklagte habe mit der Verordnung als Vertragsarzt seine gegenüber den Kassen bestehende sog. Vermögensbetreuungspflicht als Hauptpflicht verletzt und damit eine Untreue zulasten der betroffenen Kassen begangen.

Mit der selbstverantwortlichen Verordnung von Heilmitteln erkläre der Arzt, dass diese notwendig und wirtschaftlich sind und treffe damit die Feststellung, dass der Anspruch des jeweiligen Versicherten zulasten der jeweiligen Kasse bestehe. Damit trage er eine herausgehobene Verantwortung für deren Vermögensinteressen, ohne im Einzelnen kontrolliert zu werden.

Diese Verantwortung sei auch eine "Hauptpflicht". Das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) sei von herausgehobener Bedeutung für das Funktionieren des gesamten Systems der GKV. Demnach stehe der Einordnung als Hauptpflicht nicht entgegen, dass der Arzt in erster Linie die Interessen seiner Patienten zu wahren habe. Dagegen spreche auch nicht, dass der Vertragsarzt in keiner direkten vertraglichen Beziehung zu den Kassen stehe, es genüge die Verletzung des "mittelbar das Vermögen (der Kassen) schützenden" § 12 SGB V.

Die Entscheidung enthält eine durchaus bedeutsame Klarstellung. Auch wenn ein Vertragszahnarzt für die betrügerische oder unwirtschaftliche Verordnung von Heil- oder Hilfsmitteln keinen unmittelbaren Vorteil erhält und deshalb weder nach dem jüngst eingeführten § 299a StGB ("Bestechlichkeit im Gesundheitswesen") noch wegen Abrechnungsbetruges strafbar ist, verbleibt ein Bereich strafbaren Verhaltens wegen Untreue.

Quelle: lennmed.de, Kanzleinewsletter 02-17

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