Recht 23.01.2017

BGH: Verordnung ohne Leistung ist eine strafbare Untreue



BGH: Verordnung ohne Leistung ist eine strafbare Untreue

Foto: © Cherries – shutterstock.com

Das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen ist seit Inkrafttreten im Juni 2016 in aller Munde. Neben den neuen Vorschriften des Antikorruptionsgesetzes gibt es jedoch auch andere Straftatbestände, die für Ärzte und Zahnärzte im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit von Bedeutung sind. Dies zeigt auch ein Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH), der besagt, dass sich ein Vertragsarzt der Untreue (§ 266 StGB) schuldig macht, der Leistungen in dem Wissen verordnet, dass sie gar nicht erbracht, aber dennoch abgerechnet werden. Insoweit besteht gegenüber den Krankenkassen eine Vermögensbetreuungspflicht des Vertragsarztes.

Der Entscheidung des BGH (Az.: 4 StR 163/16) lag der Fall eines Chirurgen 
zugrunde, der als Vertragsarzt zugelassen war. Der Chirurg arbeitete seit 1999 für die Betreiber von drei regionalen 
Gesundheitszentren als Kooperationsarzt, die unter anderem Physiotherapie und Krankengymnastik anboten. In 
den Jahren 2005 bis 2008 stellte der Vertragsarzt in insgesamt 479 Fällen Heilmittelverordnungen für physiotherapeutische Leistungen, insbesondere manuelle Therapie, Wärmepackungen, Unterwasserdruckstrahlmassagen sowie gerätegestützte Krankengymnastik aus. Diese Heilmittelverordnungen erstellte der Chirurg für „Patienten“ ohne Untersuchung oder anderweitige Konsultation; eine medizinische Indikation bestand für sie also nicht.Die Betreiber der Gesundheitszentren ließen sich die Erbringung der vom 
Chirurgen verordneten Leistungen von den „Patienten“ bestätigen und rechneten ihrerseits 217 dieser Verordnungen ab, ohne sie erbracht zu 
haben. Die von den Krankenkassen 
geleistete Vergütung in Höhe von 51.245,73 EUR behielten die Gesundheitszentren für sich. Von den Zahlungen erhielt der Chirurg keinen Anteil. Ihm ging es darum, mit seiner 
Gefälligkeit seine Stellung als Kooperationsarzt der Gesundheitszentren zu erhalten.

Das Landgericht Halle hatte den Chirurgen daraufhin wegen Untreue in 
479 Fällen und Beihilfe zum Betrug 
in 217 Fällen zu einem Jahr Haft auf 
Bewährung verurteilt. Dagegen legte der Chirurg beim BGH Revision ein. 
Der BGH bestätigte sowohl die Verurteilung wegen Untreue als auch das Strafmaß von einem Jahr Haft auf Bewährung. Aufgehoben wurde die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zum Betrug.

Der BGH stellte in seiner Begründung eindeutig klar, dass dem Vertragsarzt gegenüber den geschädigten Krankenkassen eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinn des § 266 Abs. 1 StGB oblag. Eine sog. Vermögensbetreuungspflicht erfordert, dass der Täter in einer Beziehung zum (potenziell) Geschädigten steht, die eine 
besondere Verantwortung für dessen 
materielle Güter mit sich bringt. Hier
bei sei nicht nur auf die Weite des 
dem Täter eingeräumten Spielraums abzustellen, sondern auch auf das 
Fehlen von Kontrolle, also auf seine 
tatsächlichen Möglichkeiten auf das Vermögen zuzugreifen, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber. Dies zugrunde gelegt, hätte eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB gegenüber den geschädigten Krankenkassen bestanden, die ihm zumindest geboten hat, Heilmittel nicht ohne jegliche medizinische Indikation in der Kenntnis zu verordnen, dass die verordneten Leistungen 
nicht erbracht, aber gegenüber den Krankenkassen abgerechnet werden sollten.

Vertragsärzte, die Leistungen in dem Wissen verordnen, dass sie gar nicht 
erbracht werden, machen sich demnach der Untreue schuldig. Sie unterliegen der „Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Vermögen der Krankenkassen“. Auch wenn zwischen dem Vertragsarzt und den Krankenkassen keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen bestehen, gehen die Befugnisse des Vertragsarztes, auf das Vermögen der Krankenkassen einzuwirken, über eine rein tatsächliche Möglichkeit hier
zu weit hinaus.

Die Vermögensbetreuungspflicht gehöre zu den Hauptpflichten gegen&über den Krankenkassen. Denn der 
Vertragsarzt erklärt mit der Heilmittelverordnung in eigener Verantwortung, dass alle Anspruchsvoraussetzungen für das Heilmittel erfüllt sind, insbesondere, dass das Heilmittel notwendig und wirtschaftlich ist. Die hiermit verbundene Rechtsmacht des Vertragsarztes zur Konkretisierung des Anspruches von gesetzlich Versicherten begründet die Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Vermögen der Krankenkassen.

Diese Maßstäbe gelten gleichermaßen für Vertragszahnärzte, zumal auch in 
der Zahnarztpraxis regelmäßig Heilmittelverordnungen erfolgen. Zahnärzte können Heilmittel immer dann verordnen, wenn eine zahnmedizinische 
Indikation für eine Heilmitteltherapie 
vorliegt. Das ist so im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte geregelt, der in 
§ 2 Abs. 1 festlegt, dass zum Umfang 
der zahnärztlichen Versorgung auch 
die Verordnung von Heilmitteln gehört. Zu den Heilmitteln, die der Zahnarzt 
im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung verordnen kann, gehören danach die Sprachtherapien (logopädische Behandlung) und die physiotherapeutischen Maßnahmen. Wie bei allen zahnärztlichen Leistungen ist auch bei der Verordnung von Heilmitteln das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Diese Maßnahmen sind hinsichtlich ihrer Art und ihres Umfanges bei sorgfältiger Prüfung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verordnen.

Fazit

Daher trifft in diesen Fällen auch den 
Vertragszahnarzt gegenüber den Krankenkassen eine Vermögensbetreuungspflicht, die ihn dazu verpflichtet, Verordnungen nicht ohne Indikation zu 
verordnen, in dem Wissen, dass diese nicht erbracht, aber gegenüber den Krankenkassen abgerechnet werden. Tut er dies dennoch, ist er der Un
treue im Sinne des § 266 Abs. 1 
StGB schuldig.

Mehr News aus Recht

ePaper