Statements 21.02.2011
Darf es ein kleines bisschen mehr sein?
… so lautet die oft kolportierte Frage von der Fleischtheke. Darf es ein kleines bisschen mehr sein – fragen wir auch den Kassenpatienten, wenn die ausreichend zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung aus dem GKV-Leistungskatalog mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft und betriebswirtschaftlichen Kriterien so gar nicht mehr übereinstimmt. Das gilt gleichermaßen für den privat Versicherten, wenn wir ihm eine Spitzenleistung als Lösung für sein gesundheitliches Problem vorschlagen.
Hochwertige Privatleistungen sind ein Zeichen von Qualität, Kompetenz und Leistungsfähigkeit. Die Zeiten, in denen ein Zahnarzt seine Praxis alleine mit vielen „Kassen-Scheinen“ wirtschaftlich erfolgreich führen konnte, sind lange vorbei. Private Leistungen sichern die Existenz und sind das Gebot der Stunde für aufstrebende Praxen – sei es als Zusatz zu oder anstelle von Behandlungen nach den Regeln der gesetzlichen Krankenversicherung oder als spezialisiertes Angebot für privat versicherte Patienten.
Sobald wir uns in den veralteten Strukturen der privaten Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) bewegen, beginnen die Schwierigkeiten. Einerseits wurden seit ihrer Einführung vor 22 Jahren sehr viele Heilmethoden entwickelt, die sich auch mit der Analogberechnung nach § 6 (2) GOZ mitunter nur schwierig darstellen lassen. Andererseits stehen diese analogen Abrechnungen oft selbst unter Beschuss und werden in endlosen gerichtlichen Auseinandersetzungen immer wieder geprüft, verworfen oder dann doch anerkannt.
Das Hauptproblem der GOZ aber ist der Stillstand in der Gebührenhöhe. In den letzten 22 Jahren hat sich der Preisindex für Dienstleistungen um 59 Prozent erhöht. Mit anderen Worten: Zahnärzte arbeiten gegenwärtig für 41 Prozent des Vergütungsniveaus von 1988, der Steigerungssatz 2,3 aus dem Jahre 1988 entspricht im Jahre 2009 dem Satz 3,66.
Ähnlich wie der Preisindex für Dienstleistungen sind auch unsere Betriebskosten gestiegen. Alleine die mittleren jährlichen Hygienekosten einer Praxis erhöhten sich von 30.000 Euro im Jahre 1996 auf 55.000 Euro im Jahre 2006 (IDZ-Information 2/2008).
Dieses Dilemma lässt sich selbst bei Ausnutzung der Gestaltungsmöglichkeiten der GOZ nicht mehr zufriedenstellend lösen. Steigerungssatz 3,66 bedeutet, es ginge nur noch mit freien Vereinbarungen nach § 2 GOZ. Die Schwierigkeiten der Patienten bei den Kostenerstattern wären vorprogrammiert. Die Alternative zur „GOZ 88“ heißt HOZ – eine Honorarordnung für Zahnärzte, die von der Bundeszahnärztekammer gemeinsam mit der zahnärztlichen Wissenschaft erarbeitet wurde. Unterlegt ist sie mit seriösen betriebswirtschaftlichen Betrachtungen des renommierten prognos-Instituts. Hier ist für die fiktive Durchschnittspraxis ein Praxisstundensatz von 215 Euro festgestellt worden. Das liegt meilen-weit von den Wirklichkeiten der „GOZ 88“ entfernt.
Ein wenig Besserung scheint in Sicht: Eine neue GOZ steht weiter ganz oben auf der Tagesordnung im Bundesgesundheitsministerium. Wie man hört, soll die HOZ bei den Gesprächen zur neuen
GOZ eine Rolle spielen. Interessant wird sein, wie die Politiker angesichts der Kassenlage (Stichwort: Beihilfe) mit den betriebswirtschaftlich begründeten Gebührensätzen umgehen. Auch die Privatversicherungen wollen sich über Öffnungsklauseln die Möglichkeit geben lassen, unabhängig von der Gebührenordnung den Preis mit Einzelverträgen drücken zu können. Qualität hat ihren Preis. Das hohe Niveau der deutschen Zahnheilkunde ist nur zu halten, wenn betriebswirtschaftlich stimmige Honorare zu erzielen sind.
In diesem Sinne sagen wir der Verhandlungsrunde zur neuen GOZ in Berlin: Es muss ein kleines bisschen mehr sein!
Statement von Dr. Wolfram Sadowski , Stellvertretender Bundesvorsitzender Freier Verband Deutscher Zahnärzte