Prophylaxe 07.09.2011
White-Spot-Management
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Eine interdisziplinäre Herausforderung im Kindes- und Jugendalter
Unter präventiven Gesichtspunkten ist die Reduzierung der kariogenen Plaque die effektivste Methode zur Vermeidung initialkariöser Läsionen. In Fällen mit bereits etablierten (initialen) White Spots kann durch geeignete Maßnahmen ein Fortschreiten verhindert werden; diese Läsionen werden in vielen Fällen arretiert (oder sogar remineralisiert).
Die initialkariöse Läsion
Es ist seit vielen Jahrzehnten anerkannt, dass Karies eine Infektionskrankheit ist, die durch unterschiedliche Einflüsse (u. A. Frequenz der Aufnahme niedermolekularer Kohlehydrate, Speichelqualität) beeinflusst werden kann. Primäres Ziel bei der Vermeidung von bakteriell bedingten Remineralisationen ist daher die Reduzierung der Infektion durch regelmäßige Entfernung des Biofilms. Die chirurgische Intervention (im Sinne einer Kavitätenpräparation) ist erst dann erforderlich, wenn die Demineralisation zu weit fortgeschritten und die Oberfläche bereits eingebrochen ist (Mikrokavitation). In diesen Fällen kann ein kontinuierliches Plaquewachstum im Rahmen der häuslichen Mundhygiene nicht mehr verhindert werden, sodass die Oberfläche zu restaurieren ist.
Die Präparation solcher Läsionen sollte immer schadensgerecht erfolgen; minimalinvasiv bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nur die vollständig demineralisierten und infizierten Bereiche zu entfernen sind. Teilweise demineralisierte (und als remineralisierbar zu betrachtende) Läsionsbereiche können belassen werden; auf diese Weise können große Teile der natürlichen Zahnhartsubstanz erhalten werden. Moderne adhäsive Materialien ermöglichen zudem die von den Patienten geforderte Ästhetik.
Dieses Vorgehen unterscheidet sich deutlich vom über Jahrzehnte propagierten, chirurgisch orientierten Präparationskonzept (extension for prevention), mit dem große Bereiche gesunder Zahnhartsubstanz (nicht zuletzt auch unter materialkundlichen Aspekten) geopfert wurden. Mittlerweile liegt auf der Hand, dass Füllungstherapie per se kein Mittel ist, die Ursache der Erkrankung zu therapieren; mit jeder Restauration steigt zudem die Wahrscheinlichkeit einer (dann wiederum größeren) Wiederholungsfüllung und der damit verbundenen Schwächung des Zahnes.
Zeitgemäße Therapieansätze bei initialkariösen Läsionen
Moderne Therapieansätze gehen davon aus, dass initiale Demineralisationen (im Sinne einer Remineralisation) repariert werden können, sofern diese nicht zu weit fortgeschritten sind und keinen Oberflächeneinbruch zeigen. Solange die Oberfläche also glatt erscheint (Abb. 1), kann mithilfe von fluoridhaltigen Präparaten eine Remineralisation versucht werden. In den zurückliegenden Jahren wurde mehrfach auch der Einsatz von Casein-Phosphopeptiden als vielversprechend beschrieben; im Zusammenspiel mit Nanokomplexen (insbesondere amorphem Kalziumphosphat) konnte insbesondere die australische Arbeitsgruppe um Reynolds eine gute Wirksamkeit im Sinne einer Reparation aufzeigen. Dabei geht man davon aus, dass die Kalziumphosphatverbindungen in den demineralisierten Schmelz penetrieren und auf diese Weise zur Remineralisation beitragen.
Auch im Falle eines ausbleibenden kompletten Remineralisationserfolges – wenn die Läsion also stagniert, aber aus ästhetischer Sicht als störend empfunden wird – kann mithilfe der in den zurückliegenden Jahren in Berlin entwickelten Infiltrationstherapie mit niedrigviskösen Kunststoffen ein minimalinvasives Konzept verfolgt werden, dass die maximale Erhaltung der Zahnhartsubstanzen zum Ziel hat. Neben der damit zu erzielenden ästhetischen Wirkung wird ein Fortschreiten der Läsion behindert, indem der Infiltrationskunststoff die durch die Demineralisation entstandenen Poren verschließt und auf diese Weise Diffusionswege für Säuren blockiert. Es sollte jedoch unstrittig sein, dass auch die Infiltration keine kausale Therapie darstellt.
Aus heutiger Sicht ist zu betonen, dass die auf eine Remineralisierung abzielende Therapie auch unter zeitlichen Aspekten immer zu präferieren ist. Schreiten initiale Schmelzläsionen (Demineralisationen) fort, so dauert es mehrere Jahre, bis das Dentin erreicht wird. Unter diesem Aspekt ist zunächst der Optimierung der häuslichen Mundhygiene (ggf. zusammen mit anderen Maßnahmen wie beispielsweise der Ernährungsumstellung) und dem Versuch der Remineralisation immer der Vorzug zu geben.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit von Zahnärzten und Kieferorthopäden
Gerade im Kindes- und Jugendalter besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, an Karies zu erkranken. Dies hat unterschiedliche Gründe – hinsichtlich der Entstehung von White Spots auf Glattflächen ist jedoch in den vergangenen Jahren nicht zuletzt die kieferorthopädische Behandlung mit festsitzenden Apparaturen in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt (Abb. 2). Die subjektive Interessenslage der jugendlichen Patienten kollidiert hierbei häufig mit der im Falle einer Therapie mit Brackets erheblich erschwerten häuslichen Mundhygiene; daher verwundert es nicht, dass unterschiedliche Studien gezeigt haben, dass die Prävalenz von White Spots während und nach einer kieferorthopädischen Behandlung vergleichsweise hoch ist.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach sinnvollen und wirksamen Präventionskonzepten für ein effektives Management der White-Spot-Läsionen. Hierbei ist auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen (häufig überweisendem) Zahnarzt und Kieferorthopäden zu setzen. Diese Zusammenarbeit sollte beide Expertisen – auf der einen Seite die kariologische und auf der anderen Seite die kieferorthopädische – mit einschließen. Grundsätzlich kann der Kieferorthopäde diesen Aspekt auch vollständig übernehmen, wenn sein Schwerpunkt auch präventiv-kariologische Aspekte umfasst oder diese zumindest von einer Dentalhygienikerin übernommen werden können. Entscheidend sind in diesem Zusammenhang die engmaschige Kontrolle (nicht nur des kieferorthopädischen Fortschrittes) und die Kenntnisse zum Thema De- und Remineralisation. Auf diese Weise können die in den Abbildungen 2 und 3 dargestellten Auswirkungen vermieden werden.