Zahntechnik 30.08.2011
Die Zukunft der Verblendtechnik
share
Die digitale Individualproduktion dentaler Gerüste hat sich als alltagstauglich bewährt und in Zukunft werden weitere Technologien folgen, die immer mehr manuelle Tätigkeiten ersetzen. Doch die keramische Verblendtechnik wird noch lange nur manuell zu realisieren sein. Hier gibt es gerade für kleinere Unternehmen Möglichkeiten, sich im Markt zu positionieren und sich durch geschickte Strategien zu differenzieren. Im Folgenden wird ein Trend in der keramischen Verblendtechnik aufgezeigt, die Idee eines kombinierten Verblendsystems vorgestellt, ein neues Verständnis der Ästhetik erläutert und ein visionärer Ausblick auf die Zukunft der Verblendtechnik gewagt.
Als Vorläufer der modernen Architektur und des wissenschaftlich begründeten Industriedesigns stellte die Bauhaus-Architektur ein Zusammenwirken von Kunst und Industrie in den Fokus. Ebenso ist das Zusammenwirken von Zahnarzt, Techniker und Industrie heute von besonderer Bedeutung. Anfang des 19. Jahrhunderts entstand durch die Gründung des „Deutschen Werkbundes“ ein für damalige Verhältnisse revolutionäres Netzwerk, das sich aus Architekten, Künstlern, Vertretern des Handwerks und der Industrie zusammensetzte. Durch dieses Netzwerk in Zeiten der allgemeinen Industrialisierung wurde der Begriff „form follows function“ geprägt und das Design auf das Wesentliche reduziert. Das Grundprinzip der Simplizität wird auch heute immer wieder erfolgreich aufgegriffen. So nutzt Mercedes Benz zum Beispiel für den Werbespot des Smart den Slogan: „Reduce to the max!“ und im Bereich der Informatik etablierte sich das KISS-Prinzip: „Keep it simple and stupid“, das von der Firma DeguDent aufgegriffen und modifiziert wurde, als „Keep it simple and safe“. Dies trifft punktgenau einen großen Trend im Bereich der Verblendtechnik: Durch Simplizität und Sicherheit eine hohe Wertigkeit erzielen, oder anders ausgedrückt: „Mit einfachen Mitteln mehr erreichen!“ (Abb. 1 und 2).
Der neue Minimalismus
Der neue Minimalismus der keramischen Verblendsysteme zeigt sich darin, dass die Menge der Einzelmassen in den Standardsortimenten reduziert wird und die Bezeichnungen sich auf die Verwendung der jeweiligen Masse beschränken. Trotzdem muss auf ein hohes Maß an Nuancierungsmöglichkeiten sowohl des Chromas als auch der Transparenz und der Opazität nicht verzichtet werden. Hinzu kommen weitere Verbesserungen im Schichtungsverhalten und der Brennstabilität, sodass die modernen Massen insgesamt noch anwenderfreundlicher sind. Frei nach dem Motto „simplify your ceramic systems“ werden die Sortimente wieder einfacher und übersichtlicher.
Die Bauhaus-Ästhetik
Die Erwartungen an neue Technologien und Materialien sind hoch. Neben optimalen funktionellen Eigenschaften sind auch hervorragende ästhetische Eigenschaften gefordert. Der Begriff Ästhetik stammt von dem griechi- schen Wort „aisthesis“ ab und bedeutet sinnliche Wahrnehmung, Empfindung. Heute steht die Ästhetik als Synonym für schön, geschmackvoll oder ansprechend. Ästhetik ist aber dennoch keine rein subjektive sinnliche Wahrnehmung, denn nach den Erkenntnissen der Evolutionspsychologie ist auch das ästhetische Empfinden des Menschen das Ergebnis evolutionärer Anpassung. Im Laufe der Evolution hat der Mensch bestimmte ästhetische Vorlieben entwickelt, für die eine genetische Grundlage vorausgesetzt wird. So reagieren Menschen heute immer noch auf bestimmte Schlüsselreize, die in früheren Jahrmillionen dem Überleben, der Fortpflanzung und der Weitergabe der menschlichen Gene förderlich waren. Das bedeutet für die Ästhetik des Zahnersatzes, insbesondere für die Verblendtechnik, dass die Funktion der Ästhetik („form follows function“) darin besteht, den Patienten attraktiver, gesünder und selbstbewusster wirken zu lassen, ohne die natürliche Ausstrahlung zu verletzen. Die Ästhetik hat sich relativiert. Die Zeiten, in denen jeder Schmelzriss oder gar eine Füllung imitiert wurde, sind schon lange vorbei. Auch übertriebenes Bleaching gehört mittlerweile der Vergangenheit an. Durch neue, ausgereifte keramische Verblendsysteme besteht die Möglichkeit, Verblendungen herzustellen, die im Munde des Patienten nicht direkt sichtbar sind und dennoch positive Veränderungen schaffen. Natürlich gibt es auch hinsichtlich der Ästhetik bestimmte Grundsätze, die es zu beachten gilt. Wie zum Beispiel die Länge der Schneidekanten und viele andere Dinge, aber darüber hinaus ist die Ästhetik genauso individuell wie der Patient selbst. Eine Ästhetik von der Stange gibt es heute schon in Form einer computergestützten Restauration.
Die Zukunft der Verblendtechnik
Es wird sicher noch eine Weile dauern, bis auch eine hochwertige, individuelle Verblendung maschinell gefertigt werden kann. Eins ist jedoch sicher: Es wird sich etwas ändern und es wird sich immer wieder etwas ändern! Die Fähigkeit, mit den Veränderungen umgehen zu können, ist möglicherweise von besonderer Bedeutung, wenn man die Herausforderungen der Zukunft betrachtet, denn der allgemeine Zukunftspessimismus und die Verunsicherung im Zahntechniker-Handwerk sind groß. Unsere dentale Arbeitswelt befindet sich in einem ständigen Wandel, aber jede Veränderung bringt auch Gewinne mit sich. Anstatt aber über den Verlust zu trauern, ist es besser, die Realitäten anzunehmen und die Chancen der neuen Entwicklungen zu nutzen. Für die nahe Zukunft bietet sich die Möglichkeit, sich auf eine der schönsten und kreativsten Fachbereiche der Dentaltechnik, die individuelle Verblendtechnik, zu konzentrieren (Abb. 8).
Ein visionärer Ausblick
Nicht nur die manuelle Leistung des Zahntechnikers ist sein Alleinstellungsmerkmal, sondern es ist die Kombination aus Wissen, Erfahrung, Fertigkeiten und den Eigenschaften, die ihn auszeichnen. Mit seiner Leidenschaft für die Sache ist er dazu in der Lage, einen Teil der Zukunft mitzugestalten. Und wer weiß, vielleicht sitzen wir ja schneller am Computer als wir denken und kreieren mithilfe einer von uns mitentwickelten Designsoftware eine individuelle Verblendung, die anschließend maschinell gefertigt wird. Mit Sicherheit würde diese Vorgehensweise große Vorteile mit sich bringen. Es gäbe eine Reproduzierbarkeit, durch die man nicht nur die Verblendung ein zweites oder gar drittes Mal herstellen könnte, sondern auch eine maximale Optimierung hinsichtlich der Funktion, Ästhetik als auch Sicherheit realisieren kann. Die so designte Verblendung ließe sich mit wenig Aufwand auf andere Zähne übertragen und nach Belieben modifizieren. Die innovativen Technologien werden Chancen eröffnen, die noch weitaus größere Folgen für die Verblendtechnik haben werden. Irgendwann wird es möglich sein, auch die manuellen Fähigkeiten eines Menschen in der „Königsdisziplin“, der Individualität der dentalen Verblendtechnik, zu erreichen oder zu übertreffen.