Parodontologie 25.05.2012

Parodontologische Prävention



Parodontologische Prävention

Die nichtchirurgische, minimalinvasive Behandlung von Parodontitis und Periimplantitis beschränkt sich heutzutage immer noch hauptsächlich auf die Reinigung bzw. Dekontamination der freiliegenden und mit parodontopathogenen Mikroorganismen besiedelten Zahn- bzw. Implantatoberflächen. Im Folgenden sollen nun präventiv orientierte, nichtchirurgische Therapiemöglichkeiten der Parodontitis und Periimplantitis vorgestellt werden.

Die biofilmzerstörende Wirkung beschränkt sich bei allen verfügbaren Verfahren auf den Zeitpunkt der Anwendung. Der nachfolgende und begleitende Einsatz von Antiseptika ermöglicht leider keine nennenswerte Verlängerung der Kontaminationsfreiheit. Wird der (parodontal erkrankte) Patient aus der Praxis entlassen, kann dieser in der Regel die betroffenen Oberflächen nicht einmal ansatzweise im Rahmen der täglichen Mundhygiene weiterführend reinigen, sodass in den meisten Fällen eine Neubesiedelung innerhalb kurzer Zeit stattfindet und oft die Ausgangswerte der Keimbelastung vor Therapiebeginn erreicht werden.1,2,3  Zur rein mechanischen Biofilmentfernung stehen derzeit neben den gebräuchlichen Metallküretten für die nichtchirurgische Parodontitisbehandlung auch Plastik- und Titanküretten, speziell modifizierte Arbeitsenden für Ultraschallsysteme, hochenergetische Laserlichtanwendungen, die antimikrobielle Photodynamische Therapie und Pulverstrahlverfahren, insbesondere auch für die Periimplantitisbehandlung, zur Verfügung. Mit Plastik- oder Titanküretten wird jedoch nur eine unzureichende Reinigung (geschweige denn vollständige Dekontamination) der texturierten und durch die Schraubenwindungen stark verwinkelten Implantatoberflächen erreicht. Ultraschallsysteme, insbesondere mit modifizierten Ansätzen für die Periimplantitisbehandlung optimierte Systeme (z. B. das Vector-System; Dürr, Bietigheim-Bissingen, Deutschland, oder das Piezon Master/ Implant Cleaning, EMS, Nyon, Schweiz) können die bakteriellen Biofilme insbesondere von den texturierten Implantatoberflächen wirkungsvoller entfernen,4 obwohl langfristig betrachtet nur ähnliche Attachmentgewinne im Vergleich zu handinstrumentellem Scaling und Wurzelglätten erzielbar sind.5

Zur Dekontamination von Zahn- und Implantatoberflächen wurden in den letzten Jahren vermehrt auch Laserlicht-Systeme eingesetzt.6,7 CO2-, Dioden- und Er:YAG-Laser scheinen für die klinische Anwendung am geeignetsten zu sein, da durch die Bestrahlung, in Abhängigkeit von der Behandlungsdauer sowie den Energieeinstellungen, eine schonende Instrumentierung der Zahn- und Implantatoberfläche erreicht werden kann.8,9,10 Bereits bei der Parodontitistherapie konnte gezeigt werden, dass vor allem mit dem Er:YAG-Laser ein schonender Abtrag subgingivaler Konkremente von der Wurzeloberfläche möglich ist,11,12 was unter anderem zu einem signifikanten Attachmentgewinn führt.13,14  Darüber hinaus entfernte der Er:YAG-Laser bakterielle Biofilme von texturierten Implantatoberflächen initial deutlich besser als solche, welche mit dem Vector-Ultraschall-System oder mit Handinstrumenten bearbeitet wurden.4

Die antimikrobielle Photodynamische Therapie (aPDT) erreicht ihre dekontaminierende Wirkung über die Lichtaktivierung einer an die Bakterienmembranen angelagerten Farbstofflösung, welche zu einer irreversiblen Schädigung der Bakterienmembranen führt. Die Ergebnisse von aussagekräftigen, prospektiven Untersuchungen müssen jedoch noch abgewartet werden, bevor die Wirksamkeit der aPDT hinreichend beurteilt werden kann.  Pulverstrahlgeräte sind bereits seit Jahren im Rahmen der supragingivalen Anwendung insbesondere bei der professionellen Zahnreinigung erfolgreich im Einsatz. Die Indikationserweiterung auf subgingivale mit Biofilm belastete Oberflächen wurde mithilfe eines nur wenig abrasiven Glyzin-Pulvers (z.B. Air-Flow powder Perio, EMS, Nyon, Schweiz) möglich. Die Reinigungs- bzw. Dekontaminationswirkung an Implantatoberflächen dieser (ca. 25µm großen) aus der Aminosäure Glyzin bestehenden Kristalle ist im Vergleich zu konventionellen Handinstrumenten und Ultraschallscalern erheblich besser.15,16,17 Darüber hinaus konnte in einer klinischen Untersuchung gezeigt werden, dass das Glyzin-Pulver im Rahmen des Strahlverfahrens keine negativen Effekte auf das umgebende Weichgewebe ausübte. Im Vergleich hierzu bewirkten konventionelle Handinstrumente eine erhebliche Traumati-sierung der angrenzenden Weichgewebe.18 Die Entwicklung neuer Instrumentenansätze, insbesondere für die geschlossene Parodontitis- und Periimplantitistherapie (Perio-Flow Handstück für Air-Flow Master, EMS), ermöglicht nunmehr eine effiziente Reinigung der Zahn- und Implantatoberfläche bei einer weitestgehend atraumatischen, geschlossenen Vorgehensweise (Abb. 1 bis 4).1

Die Therapiemethode ermöglicht eine drei- bis fünfmal kürzere Behandlungsdauer mit erheblich weniger Schmerzen für den Patienten verglichen mit konventionellen Handinstrumenten.1 Allerdings kann auch mit der niedrigabrasiven Pulverstrahltechnik selbst kurzfristig betrachtet keine verbesserte Keimreduktion erreicht werden, da der erneute mikrobiologische Befund (sieben Tage nach Therapie) eine vergleichbare Keimbelastung bei den mit Handinstrumenten oder Pulverstrahltechnik behandelten Patienten zeigte.1 Neben der rein physikalisch-mechanischen Bearbeitung der Implantatoberflächen werden auch chemische Verfahren (z.B. die Applikation von Chlorhexidinspüllösungen, Zitronensäure, Wasserstoffperoxid, Natriumhypochlorit, Triclosan, Listerine u.a.) zur Desin­fektion der biofilmbesiedelten Implantatoberflächen eingesetzt. Chemische Verfahren allein haben aufgrund der zum Teil nur geringen Durchdringungstiefe des Biofilms und der nur kurzen Effektdauer eine klinisch nicht ausreichende desinfizierende Wirkung. In der Regel werden deshalb die rein mechanischen Dekontaminationsverfahren in Kombination mit einer chemischen Komponente angewendet (z. B. Chlorhexidinspüllösungen und die Anwendung von Lasern oder Kürettage). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, nach der mechanisch/chemischen Dekontamination der Implantatoberfläche ein 1,5%iges Chlorhexidingel (0,5% Chlorhexidindigluconat und 1% Chlorhexidindihydrochlorid) auf Xanthan-Basis (ChloSite, Ghimas, Italien) direkt in den Defekt bzw. die Zahnfleischtasche zu applizieren. Die klinische Verweildauer in der behandelten Zahnfleischtasche soll zwei bis drei Wochen betragen, wobei parallel zum Abbau des Gels stetig Chlorhexidin freigesetzt wird und somit während der gesamten Phase Bakterien bekämpft werden können. Hier sind jedoch noch kontrollierte, prospektive klinische Untersuchungen notwendig, um die klinische Wirksamkeit überhaupt beurteilen zu können.

Fazit

Die Tatsache, dass einige Methoden eine initial bessere Dekontamination ermöglichen (insbesondere niedrigabrasive Pulverstrahl- und Laserlichtverfahren), darf somit nicht darüber hinwegtäuschen, dass bereits unmittelbar nach der Therapie eine Neubesiedelung der gereinigten Zahn- und Implantatoberflächen beginnt und ein Reattachment der periodontalen und periimplantären Gewebe nur in sehr eingeschränktem Maße stattfindet bzw. primär von der Leistungsfähigkeit des patienteneigenen Immunsystems abhängig ist. Praktisch nicht wirksam behandelbar sind diejenigen Patienten, welche trotz einer guten Mundhygiene eine Parodontitis oder Periimplantitis aufgrund eines partiell kompromittierten Immunsystems entwickeln. Ohne eine Optimierung der wirtseigenen Immunantwort auf die parodontalpathogenen Keime können sowohl die derzeitigen Parodontitis- als auch Periimplantitisbehandlungen für solche Patienten insbesondere langfristig betrachtet oftmals den Zahn- bzw. Implantatverlust nicht verhindern.

Abschließend lässt sich festhalten, dass derzeit nur eine partielle Keimreduktion für eine kurze Zeitspanne auf wenigen ausgewählten Oberflächen innerhalb der Mundhöhle erzielbar sein dürfte. Die hierfür verfügbaren Verfahren unterscheiden sich erheblich in Bezug auf die Einfachheit und die Zeiteffizienz der Anwendung, den mitunter schmerzvollen Nebenwirkungen für den Patienten und dem erreichbaren, initialen Dekontaminationsgrad. Handinstrumente sind zwar günstig in der Anschaffung, jedoch sehr zeitintensiv in der Anwendung, bei initial z.T. nur geringer biofilmentfernender Wirksamkeit und vergleichsweise starken traumatisierenden Effekten auf die angrenzenden Weichgewebe, was für den Patienten nicht nur während der Behandlung sehr unangenehm werden kann. Mit einigem apparativen Aufwand kann beispielsweise mithilfe des niedrigabrasiven Pulverstrahlverfahrens eine in der Regel kaum schmerzhafte und zeitlich deutlich verkürzte Behandlung bei einer erheblich besseren initialen Dekontaminationsleistung erreicht werden.

Eine ausführliche Literaturliste finden Sie hier.

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