Implantologie 07.03.2013

Virtuelle Implantatplanung im Vergleich



Virtuelle Implantatplanung im Vergleich

Computergestützte Planungsverfahren, die Daten tomografischer Röntgenaufnah­men (Computertomografie, digitale Volumentomografie etc.) verarbeiten, kommen seit einigen Jahren bei umfangreichen Implantatversorgungen vermehrt zum Einsatz. Dabei erlauben die unterschiedlichen Systeme nicht nur die dreidimensionale Darstellung zur Begutachtung und Analyse des knöchernen Implantatlagers, sondern auch die hochpräzise Umsetzung der vom vorbereiteten prothetischen Endergebnis bestimmten Implantatposition in Bohrschablonen. Der Beitrag vergleicht drei am Markt erhältliche Systeme.

Die Orthopantomografie (OPG), als Grundlage jeder implantologischen Planung, besitzt als zweidimensionale Projek­tion ei­nes dreidimensionalen Geschehens den Nachteil, zwar die Höhe des für die Implantation vorhandenen Knochens wiederzugeben, aber nicht die Breite. Sägeschnittmodelle eignen sich ausschließlich im Bereich der befestigten Gingiva zur tatsächlichen Darstel­lung der Knochenbreite und bedeuten einen erheblichen zusätzlichen Aufwand mit fraglichem Ergebnis. Aber auch das vertikale Knochenangebot ist anhand einer OPG aus verschiedenen Gründen nicht immer sicher zu bestimmen: Zunächst erschwert die Projektion der Wirbelsäule häufig die Beurteilung sowohl des knöchernen Fundaments im Oberkieferfrontzahn­bereich als auch die Ausdehnung der Apertura piriformis. Weiter kann es zu einer fehlerhaften Deutung der Anatomie der Kieferhöhle durch die Projektion des harten Gaumens kommen. Auch ist der Unterkieferalveolarfortsatz im Bereich der Molaren häufig extrem nach lingual geneigt, was sich bestenfalls durch Tasten herausfinden lässt. Bei der Operation stellt sich in manchen Fällen nach Planung anhand einer OPG auch für erfahrene Implantologen das Implantatlager überraschenderweise anders als an­genommen dar, was günstigstenfalls durch mehr Aufwand (Augmentation) kompensiert werden, im schlechtesten Falle aber zum Abbruch der Implantation führen kann. Diese Erfahrungen haben zu einer immer stärkeren Verwendung dreidimensionaler Darstellungsverfahren (Computertomografie, digitale Volumentomografie) für die Planung von Implantatoperationen geführt. Als minimaler Aufwand sollte vor der dreidimen-sionalen Röntgenaufnahme mindestens eine über Wachsaufstellung oder Aufwachsen erstellte Planungsschablone gefertigt werden, in die röntgendichte Metallhülsen in der prothetisch gewünschten Position eingelassen sind. Diese trägt der Patient während der Aufnahme, denn nur so kann eine Planung in entsprechender Position stattfinden (Abb. 1 und 2). Eine Anpassung der Planungsschablone und ihre Überführung in eine Operationsschablone sind mit diesem Verfahren jedoch leider nicht möglich; die Operation lässt sich aber genauer planen.

Computernavigierte Implantation

Es gibt aber Planungsprogramme, welche die Umsetzung der in der Software erstellten Planung in eine Operationsschablone zulassen. Diese führen den Bohrer über eine Hülse, deren Position aufgrund der Software ermittelt und über unterschiedliche Hardware in eine Kunststoffschablone eingesetzt wird. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen echten Navigationssystemen wie zum Beispiel RoboDent (Fa. RoboDent), bei dem über zwei Hochfrequenzkameras die Position des Bohrers zum Kieferknochen bestimmt und auf einem Bildschirm dargestellt wird, und navigierten, computertomo­grafiebasierten Bohrschablonen, die über Hülsen den Bohrer führen. Der Umweg über Bohrschablonen bedeutet zwar zunächst eine Erhöhung des Arbeitsaufwandes durch die Herstellung der Schablone, ist aber dennoch praktikabler, was die Vielzahl unterschiedlicher Systeme belegt, mit denen sowohl Software- als auch Implantathersteller den Markt bereichern. Aus diesem Grund werden in diesem Beitrag ausschließlich Systeme zur Herstellung ­navigierter Bohrschablonen dargestellt. Je nach System werden die Bohrschablonen entweder dezentral direkt vom Zahntechniker hergestellt (z.B. implant3D von med3D; coDiagnostiX von IVS Solutions) oder zentral durch Stereolithografie (z.B. SimPlant von Materialise; NobelGuide von Nobel Biocare).


Bohrschablonenfertigung beim Hersteller

Eines der ersten Programme zur Planung von Implantaten durch Einlesen von DICOM-Datensätzen aus Computertomografien war SimPlant. Erst nach dem Kauf der amerikanischen Software hat der belgische Hersteller von Prototypen Materialise die ­Planungs­software mit seiner Hardware verknüpft und zur Herstellung von Operationsschablonen weiterentwickelt. Die Umsetzung der Planung erfolgt über die Stereolithografie, einem gängigen Prinzip des Rapid Prototyping, wie es auch in der Automobilentwicklung Anwendung findet. Dabei wird ein lichtaushärtender Kunststoff von einem Laser in dünnen Schichten ausgehärtet (Abb. 3). Die Prozedur geschieht in einem Bad, welches mit den Basismonomeren des lichtempfindlichen Kunststoffes gefüllt ist. Nach jedem Schritt wird das Werkstück einige Millimeter in die Flüssigkeit abgesenkt und auf eine Position zurückgefahren, die um den Betrag einer Schichtstärke unter der vorherigen liegt. Der flüssige Kunststoff über dem Werkstück wird danach durch einen Wischer gleichmäßig verteilt. Anschließend fährt ein Laser, der von einem Computer über bewegliche Spiegel gesteuert wird, auf der neuen Schicht über die Flächen, die ausgehärtet werden sollen. Nach dem Aushärten erfolgt der nächste Schritt, sodass nach und nach ein dreidimensionales Modell entsteht. Die Anlagen zur Produktion von Stereolithografiemodellen sind so aufwendig und teuer, dass die Daten ­online zu Materialise in Leuven/Belgien geschickt werden müssen, wo sich die Produktion der Schablonen befindet. Da die Operationsschablonen direkt auf Basis der Bilddaten erzeugt werden, muss dem Patienten beim Röntgenscan keine systemspezifische Referenz in den Mund eingegliedert werden. Dennoch empfiehlt sich auch hier die Verwendung von Wachs-aufstellungen oder Interimsprothesen, die durch Überführung in bariumsulfathaltigen Kunststoff röntgenopak werden (Abb. 4). Bei den Schablonen ist darauf zu achten, dass die Zähne jeweils eine Bohrung in der Zahnachse erhalten, da dies die Planung und Positionierung erheblich erleichtert. Hier wären aber auch CT-Schablonen mit in Zahnachsenrichtung eingearbeiteten Titanhülsen ausreichend. SimPlant bietet als einziger Hersteller Bohrschablonen an, die direkt auf dem Knochen platziert  werden, was insbesondere im zahnlosen Kiefer von Vorteil ist (Abb. 5 und 6).

Ein großes Problem ist hier, dass Metallrestaurationen an noch vorhandenen Zähnen zur Streustrahlung führen, die eine Umsetzung der Planung in knochen­gelagerte Operationsschablonen ausschließt, wenn die Streustrahlung das Knochenniveau überlagert. In diesem Fall kann man auf schleimhaut- oder zahngetragene Schablonen ausweichen, die allerdings nur dann hergestellt werden können, wenn die Basis der CT-Schablone aus einem Kunststoff mit einer spezifischen Bariumsulfatkonzentration besteht. Falls die Computertomografie ohne eine solche Scanschablone durchgeführt wurde, kann im Nachhinein keine schleim­haut- oder zahngetragene Operationsschablone hergestellt werden und es muss gegebenenfalls eine neue Com­putertomografie erfolgen. Alternativ ist der Austausch der Metallrestaurationen gegen Kunststoffprovisorien möglich, was selbstverständlich nur dann sinnvoll ist, wenn diese ohnehin erneuerungs­bedürftig sind. Falls man in der OPG bereits metallene Stiftaufbauten erkennt, die nicht entfernt werden können, sollte man auf eine knochen­gelagerte Operationsschablone verzichten.

Umsetzung im Labor

Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Implant3D und SimPlant besteht darin, dass die technische Herstellung der Schablone nicht zentral durch die aufwendige Stereolithografie erfolgt, sondern dezentral im zahntechnischen Labor. Hier muss nach dem Prinzip des Backward Planning zunächst eine Wachsaufstellung erstellt werden, um die optimale Zahnposition aus prothetischer Sicht für die spätere Versorgung zu ermitteln. Diese Zahnaufstellung dient zugleich als Vorgabe für die an­zufertigende CT-Schablone, die danach zur Bohrschablone umgebaut wird. Um die Zahnpositionen der Schablone im CT sichtbar zu machen, ist dem Kunststoff im Zahnkranzbereich ebenfalls Bariumsulfat beizumischen. Die Implant3D-Navigation verwendet als Bezugs­system einpolymerisierte Legosteine (Abb. 7), die sehr präzise gefertigt sind, wobei lediglich Abweichungen von Tausendstel Millimetern bestehen. Weiter haben Legosteine den Vorteil, dass der Hersteller sie aus röntgen­opakem Material produziert, damit nach einem Verschlucken oder Einatmen durch spielende Kinder ihre Position in Darm oder Lunge mithilfe einer Röntgenaufnahme bestimmt werden kann. Die Genauigkeit und die Röntgenopazität macht sich die Software zunutze und erkennt den Legostein als Referenz. Es wird eine Computertomografie vom Patienten mit Schablone durchgeführt und die Daten in die Implant3D-Software eingelesen. Die Referenzebenen des Bausteins werden mit denjenigen der Software in Übereinstimmung gebracht. Auf diese Weise können alle Planungen der Implantatpositionen in der Software exakt übereinstimmend mit der Schablonenposition und der Mundsituation des Patienten erfolgen. Allerdings ist auch hier zu beachten, dass durch Streustrahlung aufgrund metallener Restaurationen die Referenz Legostein durch das Programm möglicherweise nicht erkannt wird. Nachdem alle Implantate auf den gewünschten Positionen geplant sind, erstellt das Programm die Koordinatenliste für die Positionierung der Bohrhülsen in der Schablone. Dies dient der Überführung der CT-Schablone in die Bohrschablone mithilfe des zum System gehörenden Hexapod (Abb. 8). Die sechs Beine der Positioniererplatte las­sen eine Einstellung auf den Zehntel Millimeter genau zu. Jedes Bohrloch wird zur Positionierung der Bohrhülse in der Schablone über die Längeneinstellung eines jeden Beines dreidimensio­nal im Raum definiert. Die Bohrschablone gewährleistet nun die präzise Reproduzierbarkeit der am PC geplanten Implantatpositionen. Im Gegensatz zu SimPlant können keine knochengetragenen Schablonen hergestellt werden, sondern nur zahn- oder schleimhaut­getragene (Abb. 9).

Teeth-in-an-Hour-Konzept

Ein anderes Verfahren zur computer­navigierten Implantatinsertion mittels Bohrschablonen steht unter der Bezeichnung NobelGuide zur Verfügung. Dieses Verfahren ermöglicht es, Im­plantate in Schaltlücken, bei Freiendsi­tuationen oder im zahnlosen Kiefer bei ausreichender Primärstabilität mit bereits präoperativ unter Verwendung der Bohrschablone angefertigtem, temporärem oder definitivem Zahnersatz sofort zu versorgen (Teeth–in-an-Hour-Konzept). Dabei kann man sich den Vorteil computergestützter Planungssysteme zunutze machen, dass diese auf der Grundlage tomografischer Röntgenaufnahmen nicht nur das vorhandene Knochenangebot in beliebigen Schnittebenen darstellen, sondern auch die Analyse der Knochendichte und der Knochenqualität erlauben. Dies ermöglicht es, die Indikation für eine Sofortbelastung von Implantaten exakter zu stellen. Die im CAD/CAM-Verfahren hergestellten Bohrschablonen wurden so weiterentwickelt, dass die Präzision der Umsetzung die Eingliederung eines zuvor anhand der Schablone hergestellten, provisorischen oder defini­tiven Zahnersatzes erlaubt. Zusätzlich entfällt bei diesem Verfahren die Notwendigkeit der Knochenfreilegung mittels eines Mukoperiostlappens. Die Implantate können über die Bohrschablone durch die ausgestanzte Schleimhaut hindurch (das heißt minimalinvasiv bzw. flapless) inseriert werden. Auch bei NobelGuide erfolgt die Implantatpositionierung auf der Basis einer optimierten Prothese oder einer in eine Röntgenschablone überführten Wachsaufstellung. Hier genügt es jedoch, eine form- und funktionstüchtige Prothese mit radiopaken Markierungspunkten zu versehen, die nur mit einem Kugel­fräser und Guttapercha angebracht werden (Abb. 10), was die Herstellung der CT-Schablone erheblich erleichtert und die Kosten dafür auf ein Minimum reduziert. Als nachteilig ist zu werten, dass sowohl eine Tomografie des Pa­tienten mit eingesetzter Prothese und zusätzlich eine separate Tomografie nur der Prothese alleine (Abb. 11) notwendig ist, was die Kosten beim Ra­diologen erhöht. Die DICOM-Daten der beiden tomografischen Untersuchungen werden in die Planungssoftware eingelesen und mithilfe der radiopaken Mar­kierungspunkte können die Tomografie-Datensätze von Patient und Prothesen überlagert werden, was die Prothesen im Planungsprogramm sichtbar macht (Abb. 12). Anschließend kann der Behandler nicht nur die virtuellen Implantate im Datensatz planen, sondern auch die dazu passenden Aufbauteile und die benötigten Verankerungsstifte für die Operations- bzw. Bohrschablonen. Ähnlich wie bei SimPlant bildet hier ebenfalls der Datensatz die Grundlage für die stereolithografische Herstellung der Operationsschablonen. Die Operationsschablone kann wie ein Abdruck zur Modellherstellung verwendet werden und dient somit zur Fertigung eines Zahn­ersatzes noch vor der Insertion der Implantate (Abb. 13). Die Bohrschablone wird mit drei transversalen Verankerungsstiften fixiert und die Implantate nach Schleimhautstanzung und entsprechender Knochenbohrung trans­gingival eingebracht (Abb. 14). Alle wei­teren Operationsschritte erfolgen über die Schablone, die vor Abschluss der Implantatinsertion nicht entfernt werden muss (Abb. 15). Wenn alle Implantate eine Primärstabilität von mehr als 35 Ncm aufweisen, ist nach Ent­fernung der Bohrschablone die direkte Verschraubung der Suprakonstruktion über spezielle Aufbauten möglich (Abb. 16). Bei diesem Verfahren wirkt sich vorteilhaft aus, dass die Implantate über eine Stanzung der Schleimhaut inseriert werden, was die postoperative Beeinträchtigung des Patienten, ins­besondere durch Schwellung und Schmerzen, erheblich reduziert. Allerdings geht auch die Übersicht verloren, wodurch sich ein Fehler bei der Planung oder bei der Platzierung der Bohrschablone sehr negativ auswirken kann.

Erhöhter Aufwand lohnt

Wie die Ausführungen zeigen, ist der Aufwand einer computernavigierten Planung deutlich höher als der einer konventionellen. Trotzdem lohnt sich bei umfangreichen oder komplexen Fällen ihr Einsatz, da durch konsequentes Backward Planning nicht nur der Ablauf der Operation, sondern auch das Ergebnis vorhersagbar wird. Natürlich muss die Implantatplanung im virtuellen Raum ebenso wie das Erkennen der anatomischen Strukturen in einer Tomografie zunächst erlernt werden.1 Eine Kontrolle der Planung am Modell ist häufig nur mit Einschränkungen möglich, was dazu führt, dass sich Feh­ler in der Form und der Funktion der Scanprothese fortsetzen und letzt­endlich zu prothetisch ungünstigen Implantatpositionen führen. Daher kommt der Planung bei diesen Ver­fahren eine zentrale Bedeutung zu. Es hängen alle weiteren Schritte direkt von ihr ab und sie erfordert aus diesem Grund auch ein Höchstmaß an Präzision.2 Grundsätzlich gilt, dass trotz aller Hilfsmittel – angefangen bei bildgebenden 3-D-Verfahren bis hin zu den unterschiedlichen verfügbaren Navigationstechniken – weiterhin entsprechendes chirurgisches Können und Routine erforderlich sind, um eine in­dividuelle Patientensituation erfolgreich versorgen zu können. Werden alle Arbeitsschritte korrekt ausgeführt, kann jedoch durch die virtuelle Planung und navigierte Umsetzung die Sicherheit und Präzision der Implantatinsertion gesteigert werden. So sind häufig schnellere und minimalinvasivere Behandlungen bei kalkulierbarem und effektivem Operationsverlauf möglich.

Literatur
[1] Jacobs R, Adrianses A, Versteken A, Seutens P, Van Steenberghe D, Predictability of a three-dimensional planning system for oral
implant surgery. Dentomaxillofac Radiol, 1999. 28 (105–112)
[2] Jaffin RA, Kumar A, Berman CL, Immediate loading of implants
in the completely edentulous maxilla: a clinical report. Int J Oral
 Maxillofac Implants, 2004. 19: p. 721–730

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