Implantologie 08.02.2013
Die computergestützte Implantologie im Alter
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In der Behandlung von komplexen Fällen älterer Patienten ist die computerassistierte Implantologie (CAI) ein wertvolles Instrument.
Alte Menschen stellen eine verschiedenartige Patientengruppe dar, welche das ganze Spektrum zahnärztlicher Heilkunde beanspruchen. Die Patienten wissen, was die Zahnmedizin zu bieten hat, und entsprechend steigen ihre Ansprüche und Wünsche. Grundsätzlich steht einer Therapie mit modernen Technologien im Rahmen eines gerodontologischen Konzeptes nichts entgegen. Implantate sind ein wichtiges therapeutisches Mittel und vereinfachen die oro-dentale Rehabilitation. Auch bei alten Patienten kann eine komplexe Implantatsanierung sinnvoll und machbar sein. Das chronologische Alter entspricht nicht immer dem biologischen Altern. Typischerweise jedoch zeigen ältere Patienten oft mehrere systemische Erkrankungen mit Auswirkungen auf das kardiovaskuläre System (Angina Pectoris), den Zuckerhaushalt usw. Vor diesem Hintergrund ist die computerassistierte Implantologie (CAI) in der Behandlung von komplexen Fällen ein wertvolles Instrument. Insbesondere Patienten mit zahnlosem Oberkiefer oder mit reduziertem Allgemeinzustand, in der Regel ältere Menschen, können von der detaillierten virtuellen Implantatplanung und der Möglichkeit der minimalinvasiven Implantatplatzierung profitieren. Die Abklärung der individuellen Implantationsrisiken im Vorfeld der Behandlung ist als Mittelpunkt der Planungssysteme zu betrachten. Für den Patienten bedeutet dies eine umfassende Information betreffend des Knochenangebotes, allfällig nötiger chirurgischer Eingriffe zur Vorbereitung des Implantationssitus und der machbaren prothetischen Versorgung (Abb. 1).
Sorgfältige Diagnostik
Die Visualisierung der Planung ist ein weiterer Vorteil dieser Systeme. Der Patient sieht mithilfe der bildlichen Darstellung in drei Dimensionen und auf Schnittbildern ganz genau, was der Behandler ihm erklären will. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Dies vereinfacht die Patienteninformation deutlich für beide Seiten. Für den Behandler vereinfacht es die Entscheidungsfindung, ob eine Implantation indiziert ist oder nicht. Zudem kann er sich optimal auf einen zukünftigen Eingriff vorbereiten. Bei sorgfältiger und detaillierter Diagnostik im Vorfeld des chirurgischen Eingriffes ist kaum noch mit Überraschungen während der Implantatplatzierung zu rechnen. Diese kann – ob konventionell mit offener Chirurgie oder transgingival – optimal geplant und klinisch gelassen angegangen werden. Es ist also für beide Seiten ein beruhigender Informationsgewinn vorhanden.
Prothetische Kenntnisse unabdingbar
Für das Erreichen eines voraussagbaren Resultates sind prothetische Kenntnisse und deren Anwendung zu Beginn der Behandlung unabdingbar. Die digitale Technologie ist im synoptischen Gesamtkonzept eingeordnet und soll nicht im Alleingang eingesetzt werden. Die klinische Vorgehensweise für die computergestützte Implantatplanung richtet sich nach prothetischen Prinzipen. Die Vorbereitung des Set-ups ist insbesondere bei komplett Unbezahnten einer der wichtigsten Schritte zu Beginn der Behandlung. Diese Zahnaufstellung wird nämlich in korrekter Positionierung in situ zusammen mit dem Patienten digitalisiert. Die Wiederherstellung der Kaufähigkeit von Patienten mit zahnlosem Oberkiefer ist bei fortgeschrittener Kieferatrophie mit erhöhtem Behandlungsaufwand verbunden. Die orale Rehabilitation beinhaltet dabei nicht nur den Ersatz der Zähne, sondern auch die Wiederherstellung der Gesichtsmorphologie durch Einstellung der Kauebene, der Bisshöhe, der Lippen- und Wangenstütze. Dazu muss das verloren gegangene Gewebe des Kieferkammes wiederaufgebaut werden, sei es mit chirurgischen oder prothetischen Mitteln. Die dreidimensionale Bildgebung basiert auf der klassischen Computertomografie oder der digitalen Volumentomografie. Einmal auf dem Bildschirm des Computers, muss der Behandler sicher sein, dass die Kronenposition(en) klinisch akzeptabel ist. Deshalb muss das Set-up klinisch mit dem Patienten gemeinsam begutachtet und für die weitere Verwendung in der Planung freigegeben werden.
Vorteile schablonengeführter Chirurgie
Viele Systeme bieten zudem die Möglichkeit, die virtuelle Planung in eine chirurgische Schiene zu übertragen und diese für eine minimalinvasive Implantatplatzierung zu verwenden (Abb. 2). Klinische Studien zeigen, dass mit einer Ungenauigkeit von rund 0,5 mm bis 1,5 mm in der Horizontalen auf Höhe der Implantatschulter respektive des Implantatapex zu rechnen ist. Die schablonengeführte, transmukosale Chirurgie (ohne Lappenbildung) vermindert die körperliche Belastung während und nach dem chirurgischen Eingriff. Dazu tragen folgende Faktoren bei:
- verkürzte Operationszeit
- geringere Menge an Lokalanästhetikum
- Compliance minimal bei stabiler Verankerung der Schiene
- minimale Blutung während der Chirurgie
- vermindertes Risiko einer Nachblutung und eines Hämatoms nach dem minimalinvasiven Eingriff
- verminderte Schwellung im Gesichtsbereich
- geringerer Bedarf an Schmerzmitteln
- Kaufunktion kaum gestört
- Sprechfunktion wenig beeinträchtigt.
Bei älteren Patienten mit relativen Implantationsrisiken kann die CAI durch die geringe Invasivität stressmindernd wirken, die Lokalanästhetikummenge inkl. Adrenalinzusätze minimieren, peri- und postoperative Blutungsneigung (Thrombocytenaggregationshemmer häufig vorhanden) verkleinern und für die Wundheilung von Vorteil sein (Abb. 3). Die Problematik der Osteoporosepatienten mit langjähriger oralen Bisphosphonattherapie (v.a. ältere Frauen) wird aktuell kontrovers diskutiert. Es scheint nicht ausschließlich die (kurzfristige) Wundheilung als vielmehr die mittel- bis langfristige Osseointegration und das Infektrisiko von Bedeutung zu sein, weshalb die Insertionsart weniger ins Gewicht fällt. Durch die stabile Verankerung der chirurgischen Schablone, sei es dental oder mukosal, kann auch bei erschwerten Situationen wie leichter Dyskinesie, Husten-, Würgereiz durch Wasserkühlung in liegender Position oder ängstlichen Patienten in einer für den Patienten angenehmen Lage behandelt oder kurze Pausen eingelegt werden. Bei entsprechender Vorbereitung und unter Einhaltung von bestimmten Aspekten (Primärstabilität, Eindrehmoment, Verteilung und Anzahl der Implantate) kann oft eine erste Rekonstruktion unmittelbar nach der Implantatinsertion abgegeben werden. Obwohl die Indikation für eine Sofortbelastung nur selten gegeben ist, scheint die sofortige Wiederherstellung der Kaufähigkeit beim geriatrischen Patienten oft sinnvoll. Die Nahrungsaufnahme ist deshalb weiterhin möglich, da es kaum Schmerzen im Operationsbereich gibt. Die Patienten können somit den gewohnten Tätigkeiten nachgehen und brauchen keine postoperative Rehabilitation. Dies kommt älteren Menschen besonders entgegen.
Fazit
Die Einsatz der CAI und der einhergehende relative Mehraufwand in der präoperativen Abklärung erweist sich somit in Abhängigkeit der oralen und medizinischen Ausgangssituation im Alter als mehr oder weniger sinnvoll. Für ältere Patienten mit einem relativen Risiko für chirurgische Eingriffe ist eine individuelle Einschätzung nötig.