Endodontologie 01.09.2014

Stempeltechnik – direkte Kompositversorgung



Stempeltechnik – direkte Kompositversorgung

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Die Vorteile für den Einsatz der Stempeltechnik sind offensichtlich: Kavitäten können rein defektbezogen geplant und entsprechend substanzschonend präpariert werden. Die Kompositrestaurationen sind in einer Sitzung fertiggestellt und dadurch relativ preisgünstig.

Dentale Erosionen resultieren aus chronischen, nicht bakteriell bedingten Säureeinwirkungen auf die Zahnsubstanz. Diese Säureeinwirkungen können einerseits durch extrinsische Faktoren (Ernährung, Medikamente) oder aber durch intrinsische Faktoren (Gastroösophageale Refluxerkrankung [GERD], Bulimia nervosa) bedingt sein. Ungeachtet der ihnen zugrunde liegenden Faktoren, führen diese regelmäßigen Säureeinwirkungen mit der Zeit zu einem Verlust von Zahnsubstanz. Dies zeigt sich initial etwa durch Veränderung der Oberflächenstru ktur wie den Verlust von Perikymatien, später durch einen Seidenglanz des Zahnschmelzes oder durch abstehende Füllungsränder. Bei weiterer Progredienz der Erosionen reichen die Substanzdefekte bis ins Dentin und es entsteht somit oft ein Verlust an vertikaler Bisshöhe. Durch diese verminderte Bisshöhe ist in vielen Fällen für die Restauration und Rehabilitation der Erosionen eine Bisshebung indiziert. Traditionell wurden diese Bisshebungen mit einer Überkronung gelöst.

Heute gehören direkte Kompositrestaurationen zu den häufigsten Behandlungen in der modernen Zahnmedizin. Kompositrestaurationen gelten heute im Seitenzahngebiet weitgehend als Standard für eine substanzschonende und kostenbewusste Füllungstechnik. Die Vorteile einer direkten Kompositrestauration sind für Zahn und Patient offensichtlich: Kavitäten können rein defektbezogen geplant und entsprechend substanzschonend präpariert werden und die Kompositrestaurationen sind in einer Sitzung fertiggestellt, sind dadurch relativ preisgünstig und unabhängig von Laborfristen. Desweiteren darf davon ausgegangen werden, dass sowohl die Infrastruktur als auch das Wissen bezüglich Anwendung von Komposit in jeder Praxis vorhanden ist. Aus diesen Gründen liegt es auf der Hand, dass Komposite bei der Rehabilitation von erosionsgeschädigten Dentitionen eingesetzt werden. Für den okklusalen Aufbau erosionsgeschädigter Dentitionen mit Komposit gibt es verschiedene Möglichkeiten. Dies kann defektorientiert mittels Freihandtechnik (freier Aufbau der Morphologie) geschehen. Oftmals gestaltet sich diese Freihandtechnik bei mittel- bis stark zerstörten Zähnen als schwierig, da dem Zahnarzt Anhaltspunkte für die korrekte Gestaltung der Morphologie beziehungsweise der Okklusion und Artikulation fehlen. So ist einerseits die Gestaltung der Morphologie von der Geschicklichkeit des Behandlers abhängig und – ohne sichere Referenzpunkte – zeitaufwendig. Andererseits ist die Neueinstellung der vertikalen Dimension oft unklar und dadurch komplex.

 

 

Damit diese Probleme der Freihandtechnik behoben und der okklusale Aufbau vereinfacht werden kann, wurden verschiedene Techniken entwickelt. Dabei wird auf Gipsmodellen durch ein Wax-up eine für die erosionsgeschädigte Dentition passende, zukünftige Okklusion gestaltet. Als Transferhilfe für die Übertragung der zukünftigen Okklusion von extra- nach intraoral können Tiefziehschienen (ähnlich derjenigen beim Home-Bleaching) verwendet werden.1,2 Eine andere Möglichkeit für die Übertragung der zukünftigen Okklusion ist die Stempeltechnik.3,4 Es ist das Ziel des vorliegenden Beitrages, die Herstellung großflächiger, direkter Komposit restaurationen während der Erosionssanierung mittels Stempeltechnik vorzustellen.

Das Prinzip der Stempeltechnik

Die hier beschriebene Stempeltechnik bei der Erosionssanierung wurde erstmals 2010 von Ramseyer & Helbling vorgestellt.3 Sie hat zum Ziel, in möglichst schonender und präziser Weise eine geplante, zukünftige Okklusion vom Gipsmodell mit einem Wax-up in den Mund zu übertragen. Die Stempeltechnik nutzt dazu das Prinzip der Formübertragung der zukünftigen Okklusion mit Silikonstempeln (z.B. PRESIDENT putty soft, Coltène Whaledent, Altstätten, Schweiz). Dieses Silikonmaterial ist in der Zahntechnik seit einiger Zeit weitverbreitet und wird in der Zahnmedizin teilweise ebenfalls eingesetzt. Die Stempel kommen für die Okklusionsgestaltung zum Einsatz und ergänzen die konventionellen Matrizensysteme für den Approximalbereich. Bedingung für das Gelingen dieser Technik sind glatte und saubere Stempelflächen (glattes Putty-Material) und ein Komposit, das nach Abnahme des Stempels standfest bleibt.

Bisshebung bei einem Erosionspatienten (Patientenfall)

Die Ursache dentaler Erosionen ist meist multifaktoriell, und ohne präzise Diagnose ist es nicht möglich, alle ätiologischen Parameter zu eliminieren. Im Rahmen dieses Artikels kann auf diese weitreichende Thematik leider nicht näher eingegangen werden und es wird stattdessen auf entsprechende Literatur verwiesen.5 Der in Abb. 1a und 1c gezeigte Patient stellte sich für eine Sanierung seiner erosionsgeschädigten Dentition vor. Allgemeinmedizinisch leidet er an gastroösophagealer Refluxerkrankung (GERD). Nach einer Erosionssprechstunde mit anschließender gastroenterologischer Abklärung (Gastroskopie und 24-h-pH-Impendanzmessung) wurde der Patientenfall geplant. Nach der korrekten Durchführung der Diagnostik stellt die Fallplanung einen weiteren wichtigen Schritt vor der Rehabilitation mit Kompositrestaurationen dar. Zuerst wird auf einartikulierten Gipsmodellen vom Zahntechniker die geplante, zukünftige Okklusion als Wax-up aufgebaut und im Anschluss wird für jeden Quadranten ein Silikonschlüssel hergestellt (Abb. 2a und 2b). Diese werden nach Quadranten beschriftet und so geschnitten, dass pro Zahn zwei einzelne halbe Stempel verbleiben, welche zwischen Approximal-Matrizen positioniert und lateral abgestützt werden können. Damit wird später in zwei Schritten zuerst die eine (z.B. vestibuläre) Hälfte und dann die andere (orale) Hälfte der Okklusalfläche des jeweiligen Zahnes geformt (Abb. 2c und 2d). Für die Sanierung der Dentition des Patienten wurden jeweils die Zähne quadrantenweise mit Kofferdam trockengelegt und das erodierte Dentin leicht angeraut, um einen zuverlässigen Haftverbund zu erzielen.6 Die Interdentalräume wurden mit unverkeilten, transparenten Matrizenstreifen separiert und die Zähne im Anschluss mit einem gut dokumentierten Adhäsivsystem vorbehandelt. Eine Verkeilung ist meist nicht nötig, da die aufzubauende Fläche oberhalb des Kontaktpunkts zu liegen kommt. Nach dieser Vorbehandlung wurde der erste Silikonstempel mit Komposit beschickt und im Anschluss mit leichtem Druck in einem Winkel von 45° zur Zahnachse von einer Seite her (vestibulär bzw. oral) an den Zahn angedrückt. Im Anschluss wurde der Stempel vor der Polymerisation mit einer leichten Rotation sorgfältig wieder abgenommen. Durch dieses Vorgehen konnte das Füllungsmaterial im weichen, aber vorgeformten Zustand mit einem Instrument approximal und an den Rändern adaptiert, vorhandene Überschüsse entfernt und das Komposit durch Lichtpolymerisation einzeitig und kontrolliert gehärtet werden. Zudem konnte die spätere Ausarbeitung auf kleinere Finierarbeiten und die Glanzpolitur beschränkt werden. Auch ein Verfärben der Komposite im Randbereich konnte somit minimiert oder sogar ausgeschlossen werden. Im Anschluss an den jeweiligen ersten Stempel wurde die entsprechende kontralaterale Seite des zu restaurierenden Zahnes mit dem zweiten Stempel des Zahnes analog zum ersten Stempel aufgebaut und polymerisiert (Abb. 2c und 2d). Nach vollständiger Sanierung beider Kiefer erfolgte eine abschließende Sitzung mit Nachpolitur sowie einer klinischen und radiologischen Schlusskontrolle (Abb. 1b und 1d).

Schlussfolgerung

Der Aufbau von ganzen Kiefern einer erosionsgeschädigten Dentition mit Kompositrestaurationen und mittels Freihandtechnik ist schwierig und zeitaufwendig. Das Prinzip der Formübertragung von extraoral nach Planung und mittels Gipsmodellen und Wax-ups nach intraoral vereinfacht diese Problematik. Die Stempeltechnik ist für die Sanierung von Erosionspatienten mit mittleren bis großflächigen Substanzverlusten eine hervorragende Alternative zu der Freihandtechnik: Weil eine aufwendige Überschussentfernung und Approximalgestaltung unter Einsatz von Präparationsinstrumenten wegfällt, ist die Stempeltechnik außerordentlich zahnschonend. Wie jede Technik hat die Stempeltechnik eine Lernkurve. Diese ist jedoch erfahrungsgemäß schnell, da vertraute Materialien und Techniken der allgemeinen Füllungstechnik zum Einsatz kommen.

Literatur

1. Schmidlin PR, Filli T, Imfeld C, Tepper S, Attin T: Three-year evaluation of posterior vertical bite reconstruction using direct resin composite–a case series. Oper Dent 34: 102–108 (2009).
2. Attin T, Filli T, Imfeld C, Schmidlin PR: Composite vertical bite reconstructions in eroded dentitions after 5.5 years: a case series. J Oral Rehabil 39: 73–79 (2012).
3. Ramseyer S, Helbling C: Neue Methode zur präzisen Rehabilitation von erosiven Defekten mit Komposit. Poster #6; Deutscher Zahnärztetag Frankfurt, Dentsply Förderpreis (2010).
4. Perrin P, Zimmerli B, Jacky D, Lussi A, Helbling C, Ramseyer S: Die Stempeltechnik für direkte Kompositversorgungen. Schweiz Monatsschr Zahnmed 123: 111–29 (2013).
5. Lussi A, Jaeggi T: Dentale Erosionen. Quintessenz-Verlag, Berlin (2009)
6. Zimmerli B, De Munck J, Lussi A, Lambrechts P, Von Meerbeck B: Long-term bonding to eroded dentin requires superficial bur preparation. Clin Oral Investig 16: 1451–61 (2012).

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