Cosmetic Dentistry 21.02.2011
Zehn Thesen zur Zahnaufhellung
Als Referent zu Themen der ästhetischen und adhäsiven Zahnheilkunde habe ich in den vergangenen Jahren mit vielen Kollegen über das Thema „Zahnaufhellung“ gesprochen. In vielen Praxen ist man offenbar unsicher, ob und wie dieses Behandlungssegment in den Praxisalltag integriert werden kann. Ist es sinnvoll und vertretbar, Zähne aufzuhellen? Ist es überhaupt unsere Aufgabe? Was bringt es in der Praxis, hier aktiv zu werden? Diese und andere Fragen werden immer wieder gestellt. Darum will ich versuchen, die Thematik hier anhand von zehn Thesen aufzurollen:
1. Schöne, helle Zähne zu haben, ist ein alter Wunschtraum – und heute endlich realisierbar
Schon lange sind Menschen bestrebt, das Aussehen ihrer Zähne zu verbessern – bereits vor über 2.000 Jahren wurden Versuche unternommen, Zähne mit Urin aufzuhellen. Zwar ist über die Wirkung dieser Methoden nichts bekannt, aber man sieht, wozu Patienten bereit waren, um die Attraktivität ihrer Zähne zu steigern. In den darauf folgenden Jahrhunderten wurden immer wieder neue Substanzen und Methoden ausprobiert, um Zähne aufzuhellen. Fast alle waren entweder schädlich für die Zahnsubstanz oder unwirksam. Erst seit etwa fünfzehn Jahren stehen uns unschädliche, wirksame und praktikable Möglichkeiten zur Zahnaufhellung zur Verfügung. Darum werden unansehnliche Zähne heute immer häufiger als „unentschuldbar“ angesehen. Die Erfahrungen zeigen: Beim berühmten „ersten Eindruck“, aber auch für eine fundierte Beurteilung des Gegenübers, spielen Zähne und ihr Erscheinungsbild eine entscheidende Rolle.
2. Zahnaufhellung ist keine Kosmetik
Viele Kollegen betrachten auch heute noch die Aufhellung von Zähnen als „kosmetischen Unfug“; oft würden dieselben Kollegen aber nicht zögern, aus ästhetischen Gründen Kronen oder Veneers zu empfehlen. Professionelle Zahnaufhellung ist die minimalinvasivste Behandlung einer krankheitsbedingten oder einer als unansehnlich empfundenen Verfärbung von Zähnen. Als Zahnarzt gebe ich meinem Patienten damit bei maximaler Substanzschonung Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen und oft die Fähigkeit, wieder gern zu lachen, zurück. „Mental health“ ist mindestens so wichtig wie „Dental health“.
3. Zahnaufhellung: (fast) keine Altersbegrenzung
In den letzten Jahren hat sich auch die Aufhellung verfärbter Zähne bei jungen Patienten ab dem 8. Lebensjahr als unproblematisch erwiesen. Eine zwölfjährige Patientin mit Dentinogenesis imperfecta und der hierbei typischen Braunfärbung hat beispielsweise durch Zahnaufhellung innerhalb von zwei Monaten den unbeschwerten Umgang mit ihren Klassenkameraden wiedergefunden, statt lange unter der Demaskierung zu leiden.
Selbstverständlich sind vor allem unsere älteren und alten Patienten dankbar, wenn wir ohne Belastung ihrer Gesundheit die im Laufe des Lebens dunkler gewordenen Zähne wieder aufhellen und gegebenenfalls an existierenden Zahnersatz wieder farblich angleichen.
4. Zahnaufhellung gehört in Zahnarzthand
Mittel zur Zahnaufhellung stehen heute in Apotheken, Drogerien und im Supermarkt für jedermann griffbereit. Und dennoch muss man immer wieder darauf hinweisen, dass eine Zahnaufhellungsbehandlung in professionelle, zahnärztliche Hände gehört. Warum? Der wichtigste Grund: Weil es vor einer Aufhellungsbehandlung unabdingbar ist, eine gründliche Untersuchung durchzuführen. Dunkle, verfärbte Zähne können möglicherweise nicht nur ein ästhetisches Problem sein. Karies, Beläge, Zahnstein oder ein Vitalitätsverlust brauchen keine Aufhellungsbehandlung, können jedoch vom Patienten bei einer Selbstbehandlung – oder im „Bleaching-Studio“ – nicht differenziert erkannt werden. Ebenso wenig ist Patienten meist die Lage von zahnfarbenen Füllungen und Verblendungen bekannt. Da sich diese bei der Aufhellung nicht verändern, muss zuvor ein informierendes Gespräch erfolgen.
In den meisten Fällen ist zudem eine professionelle Zahnreinigung vor der Aufhellung erforderlich. Erst nach Belagentfernung stellt sich die „echte“ Zahnfarbe dar, und die Aufhellungsmittel können optimal in Schmelz und Dentin eindiffundieren. Auch diese PZR gibt es nur beim Zahnarzt. Nicht zuletzt führen Aufhellungsmaßnahmen nur dann zum gewünschten Erfolg, wenn sie sachgerecht und mit optimalen Präparaten durchgeführt werden. Auch hierbei ist die zahnärztliche Praxis im Vorteil; ihr stehen wirksamere und schonendere Mittel zur Verfügung, und die ordnungsgemäße Anwendung ist gesichert.
5. Zahnaufhellungsprodukte müssen pH-neutral sein
Sie kennen den Effekt von Phosphorsäure: Beim Anätzen von Schmelz entsteht eine „kreidig weiße“ Oberfläche. Den gleichen Effekt haben saure Aufhellungsmittel. Es ist sicher plausibel, dass eine so behandelte Schmelzoberfläche zwar kurzzeitig heller wirkt, aber dauerhaft aufgeraut ist und damit einer raschen, erneut eintretenden Verfärbung Vorschub geleistet wird. Die Verwendung ätzender Mittel sollte heute endgültig der Vergangenheit angehören. Auch ein „Öffnen der Schmelzporen“ durch Ätzung ist nicht nötig: Die Peroxide der modernen Präparate wandern zwischen den Prismen des unversehrten Schmelzes hindurch und spalten Farbstoffe in Schmelz und Dentin so auf, dass sie nicht mehr verfärbend wirken1, ohne dabei zu demineralisieren.
6. Zahnaufhellung ist integraler Teil eines prophylaxeorientierten Behandlungskonzepts
„Prophylaxe“ und „Zahnaufhellung“ ergänzen und unterstützen sich ideal. Viele Prophylaxepatienten, die bereits regelmäßig ihre Zähne reinigen lassen, werden es hoch schätzen, nicht nur saubere, sondern auch helle Zähne erhalten zu können. Auf der anderen Seite werden Patienten, die eine Zahnaufhellung durchgeführt haben, anschließend regelmäßig zur PZR kommen – denn sie wollen ja die neu gewonnene Ästhetik möglichst lange erhalten. Zudem sind mittlerweile Zahnaufhellungsmittel erhältlich, die den Zahnschmelz durch die Aufhellungsbehandlung nicht nur unversehrt lassen, sondern sogar gegen Karies stärken.2 Eine aktuelle Studie konnte zeigen, dass mit Opalescence PF (mit Kaliumnitrat und Fluorid) aufgehellter Schmelz kariesresistenter war als unbehandelte Kontrollproben. Somit können Zahnaufhellungsmittel heute auch direkt einen Beitrag zur Zahngesundheit leisten.
7. Zur Zahnaufhellung ist ein „Mix der Methoden“ am besten
Inzwischen gibt es für den professionellen Einsatz eine Vielzahl an Produkten zur Zahnaufhellung. Man unterscheidet dabei Präparate zur Direktapplikation in der zahnärztlichen Praxis („In-Office-Chairside-Bleaching“ und „Walking-Bleaching“) und Präparate, die nach Einweisung in der Praxis vorwiegend zu Hause vom Patienten selbst mit Schienen appliziert werden („Home-Bleaching“). Ich erfahre immer wieder, dass viele Praxen lediglich eine einzige Methode anbieten. Der Patient kann also dazu nur „ja“ oder „nein“ sagen.
In meiner Praxis hat es sich bewährt, dem Patienten durchaus die Wahl zu lassen. „Chairside-Bleaching“ geht zwar gezielt und schnell, ist jedoch – da Stuhlzeit gebraucht wird – aufwendiger als das „Home-Bleaching“. Zudem kann beim „Home-Bleaching“ mit individuellen Schienen mehr variiert werden – der Patient ist frei in der Tragezeit, und die Konzentration des Aufhellungsgels kann entsprechend der Tragedauer (über Nacht oder einige Stunden am Tag) gewählt werden.
Geht es um die Aufhellung des gesamten Zahnbogens, hat sich daher das Aufhellen mit Tiefziehschienen als Standard etabliert. Die Schienen stellen wir selbst mit eigenem Tiefziehgerät her – das ist wirtschaftlich und jeder Praxis zu empfehlen. Der Patient kann die Schienen aufbewahren und langfristig für Auffrischungs-Behandlungen nutzen. Wenn dem Patienten der Aufwand für die individuellen Schienen zu hoch ist – und der Fall dazu geeignet ist – , können auch vorgefertigte KombiTrays („très-white“) Verwendung finden; dann ist der Aufwand auch für die Praxis noch geringer, und die Behandlung günstiger. Gerade mit dieser preiswerten Methode sprechen wir einen Patientenkreis an, den wir mit einem aufwendigen Chairside-Bleaching abschrecken und evtl. auf Dauer verlieren würden. Und bedenken Sie: Der „arme Student“ von heute kann morgen ein gut verdienender Manager sein … Auch Kombinationen sind denkbar; so kann z.B. einzelnen Zähnen, die vielleicht bei einer Schienenaufhellung im Farbton leicht „zurückgeblieben“ sind, mit Chairside-Bleaching „nachgeholfen“ werden. Dies ist z.B. meist bei einzelnen devitalen Zähnen der Fall.
Natürlich lassen wir den Patienten mit der Entscheidung für ein System nicht allein. Andererseits geben wir durch das Angebot verschiedener Möglichkeiten mehr Patienten die Möglichkeit, Zugang zur professionellen Zahnaufhellung zu erhalten. Und diese Behandlung bewirkt weit mehr als nur hellere Zähne – siehe These 9.
8. Zahnaufhellung mit Licht ist Marketing, keine Wissenschaft
Manche Anbieter von „Chairside“-Systemen propagieren den Einsatz von Spezialleuchten, mit denen ihre Aufhellungspräparate aktiviert werden sollen. Die wesentliche Wirkung einer Belichtung von Zahnaufhellungs-Gel ist das Erzeugen von Wärme, die bekanntlich viele chemische Prozesse rascher und intensiver ablaufen lässt. Warum also nicht auch die Prozesse bei der Zahnaufhellung?
Soweit die Theorie – in der Praxis hat sich allerdings gezeigt, dass ein verstärktes Aufhellungsergebnis unmittelbar nach Gebrauch von Lampen oder Lasern in erster Linie auf die Dehydration der Zähne zurückzuführen ist, welche als Folge der Zahnerwärmung eintritt. Lässt man den Zähnen einige Tage Zeit zur Rehydration, geht diese „Wärme induzierte“ Aufhellung wieder zurück, und das Ergebnis ist das gleiche wie ohne Leuchten-Einsatz. Nach anfänglichen Beobachtungen, die einen Vorteil im Einsatz von Leuchten erwarten ließen (der beschriebene Dehydrations-Effekt), mehren sich inzwischen die Studien, welche die Lichtaktivierung als überflüssig ansehen und ihr keinen dauerhaften Effekt zusprechen.3 Auch um eine Schädigung des Zahnes durch Überhitzung zu vermeiden, greifen wir bei „In Office-Bleaching“ auf ein auch laut Hersteller rein chemisch aktiviertes Aufhellungsgel (Opalescence Xtra Boost) zurück.
9. Zahnaufhellung ist wichtig für die zahnärztliche Praxis
Zahnaufhellung ist zweifellos wichtig für unsere Patienten, aber warum ist diese Erweiterung des Behandlungsspektrums auch wichtig für unsere Praxen?
Patienten mit aufgehellten Zähnen – das zeigt unsere Erfahrung – sind künftig unsere „besseren“ Patienten. Die Aufhellung hat bewirkt, dass sie ihren Zähnen künftig mehr Aufmerksamkeit schenken, sie genauer beobachten, sie besser pflegen und regelmäßig zur Kontrolle und Zahnreinigung in die Praxis kommen. Zudem haben sie ihre Zähne als Wert erfahren, den es zu erhalten gilt, und dafür sind sie auch bereit, bei anderen Behandlungen für eine höherwertige Leistung zu bezahlen. So ist Zahnaufhellung aus meiner Praxis nicht mehr wegzudenken. Sie hat sich als ein echter „Praxis-Builder“ erwiesen, und mancher Aufhellungspatient brachte anschließend seinen halben Freundeskreis mit.
Es lohnt sich also für alle Seiten, Zahnaufhellung aktiv in das eigene Praxiskonzept einzubinden: Der Patient freut sich über seine helleren Zähne; die Mundgesundheit profitiert von erhöhter Aufmerksamkeit und besseren Mundhygienebemühungen; und die Praxis freut sich über engagierte, treue Patienten, die zudem einen guten Ruf nach außen tragen.
10. Sich selbst und beim Praxisteam die Zähne aufhellen
Sicher haben Sie das auch schon erlebt: ein Kollege erklärt Ihnen das ästhetische Restaurationskonzept, das er in seiner Praxis realisiert, und lächelt Sie dabei mit einem verfärbten Frontzahn an … Meine Empfehlung: Hellen Sie bei sich selbst und vor allem auch bei Ihrem gesamten Praxisteam die Zähne auf. Nur eine konsistente Botschaft ist glaubwürdig für den Patienten.
Autor: Dr. Stephan Höfer
Literatur
1. Goldstein GR, Kiremidjian-Schumacher L.: Bleaching: is it safe and effective? J Prosthet Dent, 1993, 69:325. 6
2. T.Al-Qunaian: The Effect of Whitening Agents on Caries Susceptibility of Human Enamel. Oper Dent, 2005, 30-2, 265-270
3. CRA-Newsletter: Neue Methode zur Bleichung vitaler Zähne, Teil I und II. Jan./Mai 2003; Reality-Now Jan. 2006