Digitale Zahnmedizin 24.08.2011

Der sichere Weg in die dritte Dimension



Der sichere Weg in die dritte Dimension

Bildgebende Verfahren mittels Röntgenstrahlen gehören zu den klassischen diagnostischen Mitteln der Zahnmedizin. Die Einführung digitaler Systeme hat dabei in den letzten Jahren zu zahlreichen Innovationen und erweiterten diagnostischen Möglichkeiten in der zweidimensionalen Darstellung geführt. Darüber hinaus hat die Einführung der digitalen Volumentomografie auch die dreidimensionale Röntgentechnik für die zahnärztliche Praxis nutzbar gemacht. Im Vergleich zur konventionellen Computertomografie zeichnet sich die DVT-Aufnahme durch eine deutlich reduzierte Strahlenbelastung und eine geringere Ausbildung von Metallartefakten aus.

Grundsätzliche Indikationsbereiche der digitalen Volumentomografie werden in der aktuellen S1-Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde gegeben, dabei ergeben sich folgende Hauptindikationen in den einzelnen Teilbereichen:

1. Endodontie: Apikale Veränderungen bei Vorliegen klinischer Auffälligkeiten, wenn diese auf zweidimensionalen Aufnahmen nicht detektierbar sind. Ebenso Wurzelfrakturen, da diese aus rein mathematischen Gründen sicherer identifiziert werden als mit zweidimensionalen Aufnahmen.
2. Parodontologie: Visualisierung der knöchernen Parodontalsituation, da die dreidimensionale parodontale Morphologie gut abgebildet wird.
3. Funktionsdiagnostik: Diagnostik von knöchernen Erkrankungen des Kiefergelenkes.
4. Implantologie: Virtuelle Planung von implantatprothetischen Versorgungen, Verknüpfung der 3-D-Daten mit der Konstruktionssoftware von CAD/CAM-Systemen (z.B. für CAD/CAM-gefertigte Bohrschablonen). Aber auch bei sogenannten Standardindikationen liefert die dreidimensionale Darstellung wertvolle Informationen zur Positionierung der Implantate, die durch eine summarische zweidimensionale Darstellung nicht verfügbar sind (Abb. 1). Die dreidimensionale präimplantologische Diagnostik ist daher zu einem unverzichtbaren Planungshilfsmittel in vielen Indikationen der Implantatprothetik geworden.
5. Oralchirurgie: Lageanomalien von Zähnen, Alveolarfortsatz-Frakturen, präoperative Schnittbilddiagnostik bei der geplanten operativen Entfernung von retinierten Weisheitszähnen. Hier kann ein Einsatzgebiet für die DVT gegeben sein, wenn auf bereits vorhandenen konventionellen Röntgenaufnahmen die räumliche Lagebeziehung zwischen Mandibularkanal und dem Weisheitszahn nicht ausreichend sicher interpretiert werden kann oder als kritisch einzuschätzen ist (Abb. 2).

Bereits aus dieser nicht vollständigen Übersicht zu möglichen Indikationen der DVT ist erkennbar, dass ein Einsatz heute in allen Teilbereichen der Zahnheilkunde gegeben sein kann. Aus Gründen des Strahlenschutzes gilt auch für die DVT die Einblendung des Nutzstrahlenbündels, d.h. die Eingrenzung des resultierenden FOV auf die interessierende anatomische (Teil-)Region. Für die einzelnen Indikationsbereiche sind entsprechend unterschiedliche Field-of-View-Größen erforderlich. Ein DVT-Gerät, das in der zahnärztlichen Praxis alle Hauptindikationsbereiche abdecken kann, sollte daher über ein Multi-FOV-Konzept verfügen. Für die Darstellung einer endodontischen Fragestellung ist dabei ein kleines FOV (z.B. 5x5cm mit möglichst hoher Auflösung, also mit möglichst kleinen Voxeln) zu bevorzugen. Für eine implantatprothetische Komplettsanierung sollte dagegen ein FOV zur Verfügung stehen, das möglichst beide Kiefer in einer Aufnahme darstellen kann.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass die digitale Panoramaschichtaufnahme (PSA) immer noch das Standardverfahren der Röntgendiagnostik darstellt. Eine PSA ist in der zahnärztlichen Praxis unverzichtbar. Daher muss entweder zusätzlich zu einem DVT noch ein konventionelles Röntgengerät für Panoramaschichtaufnahmen vorhanden sein oder aber das DVT-Gerät ist in der Lage, auch „echte“ PSAs herzustellen. Die Aufstellung von zwei Röntgengeräten scheitert in vielen Praxen am begrenzten Raumangebot, sodass Kombigeräte unter praktischen Gesichtspunkten Vorteile bieten. Für eine hochwertige PSA ist zumeist ein separater Sensor erforderlich. Der Wechsel des Sensors kann dabei je nach Gerätetyp entweder manuell oder automatisch erfolgen. Der manuelle Sensorwechsel bietet dabei das theoretische Risiko, dass der Sensor beim Wechsel versehentlich fallen gelassen und beschädigt wird. Für einen möglichst störungsfreien Routinebetrieb sind daher Geräte mit automatischem Sensorwechsel vorteilhaft (Abb. 3). Ein sehr wichtiges Kriterium bei der Geräteauswahl ist zudem die Frage, welche Strahlenexposition durch die einzelne Aufnahme ausgelöst wird. Wie bei jeder Röntgenuntersuchung gilt auch bei der Anwendung der DVT grundsätzlich das ALARA- (As low as reasonably achievable-)Prinzip. Das heißt, dass die Anwendung mit der für die Fragestellung geringstmöglichen Strahlendosis bei gleichzeitig suffizienter Abbildungsqualität zu erfolgen hat.

Nutzen eines DVT für die zahnärztliche Praxis

Der Nutzen eines DVT-Gerätes für die zahnärztliche Praxis liegt im Wesentlichen in einer deutlich verbesserten diagnostischen Absicherung und damit auch in einer Risikominimierung für den Patienten. Im Bereich der Implantatplanung werden durch die Verbindung von dreidimensionalen Röntgendaten und Implantatplanungssoftware zudem minimalinvasive Versorgungskonzepte mit Flapless-Surgery möglich. Durch das Verfahren der Flapless-Surgery lässt sich nachweislich die Patientenmorbidität  (Schwellung, Schmerzen) im Vergleich zum konventionellen chirurgischen Vorgehen senken und die Operationszeit verkürzen (Nkenke et al. 2008). Die dreidimensionale Diagnostik hilft zudem, bereits präoperativ schwierige Situationen bzw. Komplikationen, wie sie bei der Entfernung verlagerter Zähne auftreten können, zu erkennen und zu vermeiden. Auch in der aktuellen Rechtssprechung findet die digitale Volumentomografie immer mehr Berücksichtigung: In einem Urteil aus dem Jahr 2008 urteilte das AG München (AZ 173 C31251/08), dass die medizinische Notwendigkeit des DVT einschließlich der Datenübertragung an Simplant bei einer geplanten Weisheitszahnentfernung gegeben ist. Die klagende PKV wurde zur Erstattung der Kosten für die DVT einschließlich der dreidimensionalen Rekonstruktion verurteilt (GOÄ 5370 + GOÄ 5377). Die Kostenerstattungspflicht bestand trotz der Tatsache, dass der geplante Eingriff (Weisheitszahnentfernung) später nicht durchgeführt wurde. Vor dem Hintergrund, dass die medizinische Notwendigkeit der DVT-Aufnahme immer wieder von Erstattungsstellen infrage gestellt wird, ist dieses Urteil sehr wichtig.

Bei der Entfernung verlagerter Zähne ermöglicht die DVT durch exakte Informationen zur Lageorientierung des Zahnes eine genaue Planung des operativen Zugangs. Dies führt zu einer Verkürzung der Operationszeit und einer Verringerung der Patientenmorbidität (Abb. 4). Für die wirtschaftlich sinnvolle Integration des Gerätes ist es jedoch wichtig, dass man möglichst viele Indikationsbereiche abdecken kann. Eine ausschließliche Fokussierung auf den Bereich der Implantologie wird sicher nur in wenigen Fällen ausreichen, um ein tragfähiges Konzept für das DVT zu entwickeln. Die Indikationsbereiche der konservierenden Zahnheilkunde, der Funktionsdiagnostik, Oralchirurgie und Implantologie kann man mit DVT-Geräten abdecken, die ein FOV von ca. 5 x 5 cm bis zu 8 x 12 cm haben. Für kieferorthopädische Fragestellungen sind dagegen Geräte mit einem FOV von mehr als 13cm x 13cm erforderlich.

Chancen durch Netzwerkbildung

Abhängig von dem in der Praxis vorhandenen DVT-Gerät können dann auch gezielt Netzwerkstrukturen aufgebaut werden. Dies soll nachfolgend anhand eines Kombigerätes mit Multi-FOV-Konzept (PaX-Duo 3D, orangedental) erläutert werden.
Das PaX-Duo 3D ist ein Kombinationsgerät mit Flat-Panel-Detector und separaten Sensoren für PSA und DVT-Aufnahmen.
Das Standgerät ermöglicht DVT-Aufnahmen in vier verschiedenen FOVs (5x5cm; 8,5x5cm; 8,5x8,5cm und 8,5x 12cm). Zudem verfügt das Gerät über eine spezielle Softwareoption zur Darstellung der knöchernen Kiefergelenksstrukturen. Mit dieser Gerätekonfiguration können entsprechend alle zahnmedizinischen Fragestellungen außer der Kieferorthopädie abgedeckt werden. Für den Aufbau eines Überweisernetzwerkes haben sich folgende Schritte bewährt. Zuerst gilt es, potenzielle Netzwerkpartner zu identifizieren. Im vorliegenden Beispiel könnten dies folgende Zielgruppen sein:

  • Implantologisch tätige Einzelpraxen
  • Praxen mit Tätigkeitsschwerpunkt Funktionsdiagnostik, Parodontologie, Endodontologie.

Im nächsten Schritt ist es erforderlich, die potenziellen Netzwerkpartner auf das neue Angebot der Praxis aufmerksam zu machen. Dies geschieht am effektivs-ten durch ein persönliches Anschreiben oder ein Telefonat. Hier hat es sich bewährt, einen Praxisbesuch außerhalb der Öffnungszeiten mit einer Vorführung des Gerätes anzubieten. Bei der individuellen Beratung in der Praxis sollten die potenziellen Partner dann natürlich auch über die Kosten und Abrechnungsmodalitäten der DVT aufgeklärt werden. Sinnvoll ist es auch, wenn ein Überweisungsformular für die DVT-Aufnahme mitgegeben wird. Ebenso sind Anfahrtsskizzen zur Patienteninformation und ein fester Ansprechpartner für den Überweiser sehr hilfreich (Abb. 5). Die eigenen Erfahrungen mit diesem Konzept haben gezeigt, dass bereits innerhalb der ersten vier bis sechs Monate 20 bis 25% zusätzliche DVT-Aufnahmen durch die gezielte Ansprache dieser Zielgruppen erreicht werden (Abb. 6). Mit diesen relativ einfach umzusetzenden Maßnahmen lässt sich innerhalb einer überschaubaren Zeit eine zusätzliche Auslastung des DVT-Gerätes erzielen, wodurch sehr schnell ein tragfähiges wirtschaftliches Konzept erzielt wird.

Schlussfolgerung

Aufgrund der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der DVT sollte bereits in der Phase der Investitionsplanung ein genaues Konzept zur späteren Nutzung aufgestellt werden. Geräte mit einem möglichst breit gefächerten Indikationsbereich, wie z.B. das PaX-Duo 3D, bieten die Möglichkeit einer vielfältigen Nutzung bei praxiseigenen Patienten, aber auch die Chance für den Aufbau eines Überweisernetzwerkes, wodurch zeitnah ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept für den Gerätebetrieb erreicht wird.

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