Digitale Zahnmedizin 26.02.2013
3-D-Anwendungen in der Zahnheilkunde
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Der rasante technische Fortschritt der letzten Jahre hat nicht nur neue Möglichkeiten der bildgebenden Verfahren, sondern auch bei deren Umsetzung in der dentalen klinischen Anwendung geschaffen. CT und DVT bilden zunächst die Grundlage für die dreidimensionale Bildgebung. Die vielfältigen Visualisierungstechniken der räumlichen Strukturen ermöglichen eine umfassendere Diagnostik als es mit herkömmlichen radiologischen Verfahren möglich war. Die Bilddaten dienen aber auch dazu, operative Eingriffe im Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich präoperativ am Rechner zu planen und Operationshilfen oder sogar präfabrizierte Immediatprothetik herzustellen.
Den Beginn der digitalen Röntgentechnik markierte der 1972 von Godfrey N. Hounsfield eingeführte Computertomograf (CT), der dann ab den Achtzigerjahren zur breiten klinischen Anwendung zur Verfügung stand. Bei dieser Technik umkreist eine Röntgenröhre den innerhalb der Kreisbahn liegenden Patienten. Die abgeschwächten Strahlen werden von einem Liniendetektor ohne Bildverstärker und optische Bildketten erfasst. Primär ist das CT daher zweidimensional, erst durch die Anfertigung vieler Schichten durch einen translatorischen Vorschub des Patienten (Spiral-CT) und anschließender Stapelung der Schichten aufeinander entsteht ein dreidimensionaler Datensatz. Moderne Multislice-CTs verwenden mehrere einzeilige Detektoren und mehrere Strahlenfächer, sodass bereits in einem Umlauf mehrere Schichten abgescannt werden können. Die technische Veränderung eines digitalen Volumentomografen (DVT oder Cone Beam Volume Tomographie CBVT) im Vergleich zum CT besteht in der Verwendung eines konusförmigen Strahlenbündels und eines zweidimensionalen Flächendetektors. Im Gegensatz zum CT wird bei einem Umlauf der Röntgenröhre nicht die eindimensionale Abbildung einer Ebene, sondern die zweidimensionale Abbildung eines Volumens dargestellt. Daher genügt ein einziger Umlauf, um aus den 2-D-Transilluminationsbildern den dreidimensionalen Volumendatensatz zu berechnen, was die Strahlendosis im Vergleich zum CT deutlich reduziert. Die Geräte unterscheiden sich hardwareseitig hauptsächlich in der Größe des Aufnahmevolumens (Field of View, FOV), der verwendeten Bildsensortechnologie sowie der Patientenpositionierung (sitzend, stehend oder liegend). Softwareseitig existieren Varianten bei den 3-D-Rekonstruktionsalgorithmen sowie in der unterschiedlichen Visualisierung der Diagnostik-, Planungs- und Anwendungsmodule.
Das Herz der Datenerfassung bilden die Bildsensoren. Hier unterscheidet man grundsätzlich Systeme ohne und mit Bildverstärker. Bei den Sensoren mit Bildverstärker treffen die durch das Volumen abgeschwächten Strahlen zunächst auf eine dem Sensor vorgelagerte Folie (Beschichtung), deren Kristalle analog der empfangenen Strahlenintensität leuchten und von dem eigentlichen Bildsensor aufgenommen werden. Für diese Technik ist eine geringere Strahlendosis erforderlich, jedoch leidet die Bildqualität gegenüber den Verfahren ohne Bild-verstärker. Hierbei handelt es sich entweder um Sensoren mit strahlengehärteten Halbleiterelementen, auf die die Strahlen direkt auftreffen können, oder um solche mit einer Umlenkung der Strahlen durch optische Medien, je nach Größe des Sensors und Eigenschaften der Halbleiter.
Bildqualität, Genauigkeit und Dosis
Trotz des geringeren Kontrastumfangs ist die DVT-Bildqualität vergleichbar mit den Multislice-CT-Geräten. Systembedingt haben hier Flatpanel DVT-Geräte eine bessere Bildqualität als solche mit Bildverstärkersystemen. Auch die Auflösung von CT und DVT ist ausreichend genau für 3-D-Vermessungen in den klinischen Anwendungen, wobei sowohl die begrenzte Detektorgröße als auch die fehlende Differenzierbarkeit der Weichgewebe beim DVT Einschränkungen für einige klinische Fragestellungen ergeben können. Dafür ist beim DVT die Empfindlichkeit gegenüber Metallartefakten geringer. Allerdings ist zu beachten, dass im Scan- bzw. Rekonstruktionsvolumen Inhomogenitäten und damit Ungenauigkeiten auftreten können, die in den Randgebieten im Vergleich zum Zentrum beim DVT größer sind als beim CT. Dies kann gerade für die Passgenauigkeit bei knochengelagerten rechnerhergestellten Schablonen oder Zahnersatz von Bedeutung sein. Ein weiterer Unterschied ist jedoch die Zulassung der DVT-Geräte zum Betrieb in der zahnärztlichen Praxis. Hinsichtlich der Strahlenbelastung sind nur ungenaue Daten verfügbar. Sie sind von Gerät zu Gerät unterschiedlich und abhängig von der jeweils gewählten Einstellung, dem Aufnahmevolumen sowie weiteren gerätespezifischen Eigenschaften. So liegt die Strahlendosis einer DVT-Aufnahme zwischen 0,05–1,0mSv im Vergleich zur Panoramaschichtaufnahme 0,01–0,02mSv und zum Zahnfilm <0,05mSv, während die CT-Aufnahme eines Multidetektorsystems zwischen 2,0–11,0mSv liegen kann. Letztendlich sind vergleichbare Dosisangaben aber nur dann möglich, wenn sie nach den ICRP Richtlinien (International Comission on Radiological Protection) erfasst werden.
Indikation und Diagnostik
Die Entscheidung für die Anfertigung einer Röntgenaufnahme, egal ob OPT, CT oder DVT, erfordert die Feststellung, dass der gesundheitliche Nutzen der Anwendung am Menschen gegenüber dem Strahlenrisiko überwiegt. Laut Röntgenverordnung gilt grundsätzlich: „Für jede Aufnahme ist eine rechtfertigende Indikation erforderlich, und jede diagnostische Fragestellung mit der geringsten Dosis zu bearbeiten.“ Andererseits muss unabhängig von Dosisaspekten für den Patienten das geeignete Verfahren gewählt werden. Herkömmliche Röntgenbilder wie Zahnfilme oder Orthopantomogramme erlauben nur eine zweidimensionale Betrachtung der Kiefer und der Zähne. Die aus den Datensätzen errechneten dreidimensionalen Schnittbilder und Ansichten bilden die Voraussetzungen für die klinische Diagnostik in allen drei Ebenen und finden zunehmend Anwendungen in der gesamten Zahnheilkunde.
Neben den klassischen CT-basierten Indikationen wie
- der Darstellung knöcherner Defekte, entstanden durch entzündliche Prozesse, Zysten oder Tumore,
- der Abklärung pathologischer Veränderungen im NNH-Bereich,
- der Darstellung knöcherner Verletzungen in der Traumatologie,
- der Abklärung unklarer Raumforderungen
- oder der Planung orthodontisch-chirurgischer Eingriffe, kommen durch die geringere Strahlenbelastung des DVT neue Indikationen hinzu, die einen erhöhten diagnostischen Nutzen erbringen, wie
- der Darstellung fehlender Zähne,
- der Darstellung von gefährdeten bzw. schutzpflichtigen Strukturen oder anderen Fragestellungen in der Kieferorthopädie, der Parodontologie, der Endodontie oder der Implantologie.
Im Bereich der Implantologie scheint sich mit dem Einsatz dreidimensionaler DVT-Datensätze eine Art „Routine-Applikation“ entwickelt zu haben. Von der Darstellung der Knochenschnitte im Bereich fehlender Zähne, der Darstellung von Nervverläufen oder der Kieferhöhle bis hin zur Planung und kompletten Erstellung von Datensätzen zur präoperativen Herstellung von Bohrschablonen oder Zahnersatz wurden eine Vielzahl unterschiedlicher konkurrierender Verfahren entwickelt.
Planung
Das Bindeglied zwischen den bildgebenden Geräten und der implantologischen Planungssoftware sollte die DICOM-Schnittstelle (Digital Interface Communication) bilden. Aufgrund unterschiedlicher Dialekte im Header der Datensätze der vielen DVT-Hersteller können jedoch einige Planungsprogramme nur nach manueller File-Modifikation auf die Daten zugreifen. Ist diese Hürde einmal überwunden, stehen umfangreiche Softwaremodule zur Verfügung, die sowohl von Implantatherstellern als auch freien Systemhäusern angeboten werden. Hardwareseitig reicht für den Basisbetrieb ein Standard-PC mit Windows XP und aufwärts aus. Für weitergehende Anwendungen und das Ausschöpfen der Potenziale der DVT-Geräte und Softwareprogramme (Bild-qualität, Geschwindigkeit, Datensicherung …) empfiehlt sich der Einsatz einer professionellen Rechnerinfrastruktur mit Hochleistungs-CPU und -Grafikkarte, hohem Speichervolumen und einem röntgengeeigneten Medical-Bildschirm. Grundsätzlich lassen sich aus dem zugrunde liegenden CT/DVT-Datensatz mit allen Planungsprogrammen beliebige 2-D- und 3-D-Darstellungen rekons-truieren und in den Fenstern des Planungsbildschirms visualisieren. Standard ist hier die Darstellung einer Panoramaansicht, eines Axialschnittes sowie mehrerer sagittaler Schnittbilder zur Beurteilung der optimalen Bohrwinkel. Auch die Möglichkeit frei wählbarer Visualisierung eines Volumens ist bei einigen Programmen zu finden. Sofern es sich nicht um Planungsprogramme von Implantatherstellern handelt, werden in einer Bibliothek die geometrischen Daten der gängigsten Implantatsysteme bereitgestellt. Via Drag and Drop erfolgt die virtuelle Insertion der Implantate, wobei jederzeit eine Korrektur in allen Raumachsen möglich ist. Eine Kollisionserkennung vorgegebener Strukturen wie Nervkanal, Implantate oder Zähne warnt bei zuvor definierter Mindestdistanz. „Viewer“ dienen als zusätzliche Softwaretools zum Datenexport und zur Visualisierung der Planungsergebnisse zwischen Operateur, Prothetiker und Zahntechniker. Eine Installation der eigentlichen Planungssoftware ist hierzu nicht erforderlich, es können aber auch keine Änderungen mehr vorgenommen werden. Letztendlich dienen Dokumentationsprotokolle dazu, die Umsetzung der Planungsdaten in die klinische Anwendung hinreichend genau zu realisieren.
Navigation
Bei der Umsetzung der Implantationsdaten in den operativen Situs unterscheiden sich generell zwei Verfahren. Zum einen gibt es die rein computergestützte Implantatnavigation, bei der Sensoren am Restzahnbestand, am Winkelstück und einer
Raumeinheit die räumliche Zuordnung der Koordinatensysteme von Planungsprogramm, Patient und Bohreinheit übernehmen, und zum anderen Verfahren, die auf eine Bohrschablonentechnik zurückgreifen. Bei der Schablonentechnik wiederum gibt es zwei grundlegende Unterschiede im Koordinatentransfer sowie in der Herstellung der Bohrhilfen. Einerseits wird beim CT/DVT-Scan zunächst ganz ohne Schablone gearbeitet, wobei sich die Planungsdaten als auch die Herstellung der Bohrschablonen durch Stereolithografie oder Rapid Prototyping direkt auf den 3-D-CT-Datensatz referenzieren. Andererseits wird der 3-D-Datensatz mit einer speziell markierten Schablone erstellt, dessen Koordinatenreferenz dann auf das Planungsprogramm und die Bohrhilfeherstellung übertragen werden kann. Scanscha-blone und Bohrschablone sind bei einigen Anbietern identisch. Aber auch bei den Schablonen mit Bohrführungen variieren die klinischen Ausführungen. Sie reichen von der einfachen Pilotbohrung bis hin zur schablonengeführten Implantation sowie darüber hinaus bis hin zur Eingliederung präfabrizierter Prothetik. Während die virtuelle Planung meist durch den Implantologen durchgeführt wird, erfolgt bei den meisten Systemen die Herstellung der Bohrschablone durch externe Anbieter. Hier sind bei der Wahl des Planungssystems Aufwand, Kosten und Nutzen hinsichtlich der Indikation kritisch abzuwägen.
Ausblick
Die digitalen 3-D-Konzepte haben sich in den letzten Jahren in der Zahnheilkunde und speziell in der Implantologie etabliert und werden sich in Zukunft in schwierigen und umfangreichen Fällen durchsetzen, auch wenn es in einigen Fällen „ohne“ gehen wird. Es hat sich gezeigt, dass trotz aller Hightech die operative Erfahrung des Behandlers nicht zu ersetzen ist, und besonders transgingival schablonengesetzte Implantate bei kritischem Knochenangebot hinsichtlich der Summe der Ungenauigkeiten in der Fehlerkette der einzelnen Systemkomponenten ein hohes Risiko beinhalten. Kritisch zu beobachten sind auch die Entwicklungen hinsichtlich rechtlicher Aspekte bei Haftungsfragen, da letztendlich der Verantwortungsbereich der 3-D-basierten Implantations-Kette allein beim Operateur liegt. Implantationssicherheit wird daher im Sinne der Qualitätssicherung zunehmend ein Bedarf sein. Die Industrie hat den Vorteil dieser dreidimensionalen Bildgebung erkannt. Der Markt der DVT-Gerätehersteller ist in einem solchen Maß gestiegen, dass es für potenzielle Anwender schwierig geworden ist, das für seine Zwecke geeignete Gerät zu finden. Hier unterstützen die Fachberater des Dentalfachhandels durch eine Strukturierung des Angebotes. Letztendlich ist es aber das Zusammenspiel von allen Beteiligten (Radiologe, Implantologe, Prothetiker, Zahntechniker und Dentalindustrie), die den Erfolg einer 3-D-geplanten und -umgesetzten
implantologischen Versorgung gewährleisten.