Digitale Zahnmedizin 24.09.2013
Die digitale Abformung im Praxistest
Digitale Verfahren bieten dem Behandler und Zahntechniker zahlreiche Vorteile und sind aus dem Alltag der Zahnarztpraxen nicht mehr wegzudenken. Besonders Intraoralscanner versprechen in puncto Abformung einen großen Nutzen für den Workflow. Bereits seit einigen Jahren nutzt Autorin Dr. Anna Jacobi Intraoralscanner und schildert nun ihre Erfahrungen aus der Praxis für die Praxis.
Die Zahnarztpraxis wird immer digitaler – digitale Karteikartenführung und digitales Röntgen gehören mittlerweile zum Standard. Bei der digitalen Karteikarte wird – um nur einige Vorteile zu nennen – das Abrechnen, Dokumentieren und Archivieren vereinfacht. Als Bonus muss sich das Praxispersonal nicht mehr über die manchmal doch recht unleserliche Handschrift des Zahnarztes ärgern. Das digitale Röntgen vermindert die Strahlenbelastung für den Patienten und das aufwendige Entwickeln der Filme entfällt. Außerdem kann der Zahnarzt in Sekundenschnelle die Qualität der Abbildung beurteilen und bei Bedarf den Sensor in die richtige Position korrigieren. Das Röntgenbild kann anschließend bearbeitet werden, ohne dass die Originalaufnahme verloren geht. Diese „digitalen“ Vorteile der modernen Zahnmedizin, wie
- erhöhte Präzision
- unmittelbare Kontrolle der Qualität in Echtzeit
- verbesserte Kommunikation
- vereinfachter Arbeitsablauf
- Archivieren ohne Platzbedarf
- erhöhter Patientenkomfort können und sollten auch im Bereich der Abformung genutzt werden.
Die Abformung ist der Knotenpunkt zwischen Zahnarzt und Labor. Selbst die sorgfältigste Präparation wird zu einer schlechten Restauration führen, wenn bei der Abformung nicht auf das Genaueste gearbeitet wird. Denn eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied bzw. „die Abformung ist die Visitenkarte des Zahnarztes“.
Die möglichen Fehlerquellen bei der Abformung sind nicht immer unmittelbar sichtbar, sondern werden im hektischen Praxisalltag oft übersehen: falsche Löffelauswahl, Verzüge während des Abbindens und Entnehmen des Abdrucks oder auch falsche Desinfektion und Lagerung sind oftmals nicht sofort zu erkennen. Ungenauigkeiten besonders im Bereich der Präparationsgrenze oder ein Ablösen des Materials vom Löffel sind hingegen gut erkennbar, werden aber leider doch häufig ignoriert, um dem Patienten (und sich selbst) ein erneutes Abformen zu ersparen. Hier wird auf das Können des Zahntechnikers gebaut.
Aus diesen Gründen – welche mehr praxisrelevanter und weniger wissenschaftlicher Natur sind – wird in unserer Praxis seit zwei Jahren bei Einzelzahnversorgungen und kleinen Brückenversorgungen im Seitenzahnbereich ausschließlich mit dem LavaTM-Chairside Oral Scanner (3M ESPE) digital abgeformt. Aus mehr als hundert Scans ist dieser Erfahrungsbericht entstanden.
Maßgeblich entscheidend über Erfolg und Misserfolg ist die richtige Indikationsstellung: Da es sich wie bei allen derzeit auf dem Markt erhältlichen Intraoralscannern bei dem LavaTM Chairside Oral Scanner (C.O.S.) um ein optisches System handelt, können nur sichtbare Bereiche gescannt werden. Subgingivale Präparationsgrenzen müssen also zuvor dargestellt werden. Wie bei einer konventionellen Abformung kann dies durch die Retraktion der Gingiva mit Fäden und durch Elektrotomie erreicht werden. Bewährt hat sich hier die Anwendung eines Lasers, der gleichzeitig eine Hämostase bewirkt (Abb. 1). Da der Intraoralscan in unserer Praxis der Beginn einer rein CAD/CAM-gestützten Herstellung des Zahnersatzes ist, werden nur Arbeiten digital abgeformt, die auch die Indikationen für die anschließende CAD/CAM-Herstellung erfüllen. Funktionsgestörte Patienten oder großspannige Arbeiten, die eine Funktionsdiagnostik voraussetzen, werden konventionell abgeformt bzw. hergestellt.
Der Scanprozess lässt sich problemlos in den Praxisablauf integrieren, da die Präparation und die Darstellung der Präparationsgrenze unverändert bleiben. Die zu scannenden Bereiche werden mit Titaniumoxid bepulvert – nur so kann das System die Zahnform erkennen (Abb. 2). Nun erfolgt die digitale Erfassung von Präparation, Antagonist und Bisssituation. Anders als bei „Point and Click“-Systemen wird hier bereits während der Aufnahme das digitale Datenmodell in Echtzeit am Monitor angezeigt –> unmittelbare Kontrolle der Qualität in Echtzeit. Eine Kontrolle der Abbildungsqualität ist somit während des Scanvorgangs möglich und kann bei Bedarf ohne erneuten Scan korrigiert werden. Im 3-D-Datensatz kann die Präparationsgrenze in 20-facher Vergrößerung kontrolliert und für den Techniker markiert werden (Abb. 3) –> erhöhte Präzision. Auch eine Kontrolle des Platzangebotes kann hier durchgeführt werden – der unangenehme Anruf des Technikers, dass nachpräpariert werden muss, wird so vermieden. Zum Schluss wird der Datensatz per Internet an das Labor, hier das Fertigungszentrum von absolute Ceramics/biodentis GmbH (Leipzig), versendet. Es müssen keine passenden Löffel gesucht und individualisiert werden, es müssen keine Abdrücke desinfiziert und verschickt werden –> vereinfachter Arbeitsablauf. Im Fertigungszentrum wird mittels CAD/CAM-Technologie die Restauration modelliert (Abb. 4), geschliffen und auf SLA-Modellen aufgepasst (Abb. 5). Die Daten werden gespeichert und können jederzeit und unverändert aufgerufen werden –> Archivieren ohne Platzbedarf. Der Zahntechniker im Fertigungszentrum arbeitet auf den gleichen Datensätzen, die der Zahnarzt in seiner Praxis erhoben hat und die dort auch auf dem Scanner gespeichert bleiben – bei Fragen des Zahntechnikers können diese sofort aufgerufen und diskutiert werden. Gerade bei der Festlegung der Präparationsgrenze führt dies durch gezielte Kommunikation zu mehr Sicherheit (Abb. 7 und 8) –> verbesserte Kommunikation.
Die Abformung ist für viele Patienten mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden: Würgereiz, Unterdrücken des Schluckreflexes und unangenehmer Geschmack machen die Dauer, die die Abformung im Mund verbleibt, schier unendlich lang. In der Tat ist der Scanvorgang hier von Vorteil –> erhöhter Patientenkomfort. Gerade aber auch nach der „Abformung“ mit dem C.O.S. erlebt der Patient die Vorteile der digitalen Datenerfassung: Er kann den Defekt sehen und oftmals verstehen die Patienten erst zu diesem Zeitpunkt, warum eine Versorgung des Defektes mit einer indirekt hergestellten Versorgung notwendig ist. Dies ist in der Patientenkommunikation von unschätzbarem Nutzen.
Natürlich hat die konventionelle
Abformung weiterhin ihren Platz in der Zahnarztpraxis, die digitale
Abformung ist – bisher zumindest – nur eine Ergänzung.
Angesichts der „digitalen Vorteile“ wird diese neue Technik wohl
aber ein fester Bestandteil des Praxisalltags werden. Aus unserer
Praxis ist der LavaTM Chairside Oral Scanner nicht mehr wegzudenken,
sowohl unser Praxispersonal als auch unsere Patienten wissen den
neuen Weg der Abformung sehr zu schätzen. Ob es irgendwann eine
komplett digitale Praxis geben wird ist fraglich – letztendlich
bleibt die Zahnmedizin zu großen Teilen ein Handwerk und gerade
das macht aus unserer Sicht den Reiz des Berufes aus.
Autor: Dr. Anna Jacobi