Endodontologie 06.02.2017
Versorgungstherapie: Standardisierung im Dienste der Vorhersagbarkeit
Fast überall im Leben ist es so, dass uns Dinge am besten gelingen, wenn wir mit den eingesetzten Materialien vertraut sind und eine bewährte Vorgehensweise wählen. Dies trifft auf Zutaten und deren Kombination beim Kochen ebenso zu wie auf den Einsatz von Acrylfarben beim Malen. Gleiches gilt auch für die Zahnheilkunde, wie sich anhand eines Fallbeispiels im Folgenden zeigen lässt.
In der Zahnheilkunde wird eine standardisierte Vorgehensweise unter Verwendung immer gleicher Materialien und Komponenten mit steigender Komplexität eines Behandlungsablaufs zunehmend wichtiger. Beispielsweise im Workflow zur Herstellung und Eingliederung indirekter Restaurationen ist sie die Voraussetzung für den Behandlungserfolg. Es lohnt sich, Materialkombinationen festzulegen, Aufgaben im Team zu verteilen und im Behandlungsablauf so wenige Variablen wie möglich zuzulassen.
In unserer Praxis wurde für jeden Behandlungsschritt ein Ablauf festgelegt, der abhängig von der Indikation und dem eingesetzten Restaurationsmaterial lediglich leicht variieren kann. Je nach Komplexität der Versorgung setzen wir beispielsweise ein anderes Abformmaterial ein, die weiteren Materialien und Geräte im Workflow bleiben aber identisch.
Fallbeispiel
Der standardisierte Ablauf mit den festgelegten Materialkombinationen kam auch bei einem 32-jährigen Patien ten zum Einsatz. Dieser berichtete über Blutungen am Zahnfleischrand, die regelmäßig bei der Verwendung von Zahnseide im Interproximalbereich zwischen den Zähnen 36 und 37 auftraten.
Insuffizienter Kronenrand
Bei der klinischen Untersuchung des mit einer Krone aus Metallkeramik versorgten Zahnes 36 konnte die Ur sache für die Blutungen nicht festgestellt werden, wohl aber eine leichte Entzündung in dem beschriebenen Bereich. Aus diesem Grund wurde eine Röntgenaufnahme angefertigt (Abb. 1). Auf dieser zeigte sich, dass der Kronenrand im distalen Bereich undicht war und sich eine hygienisch nicht beherrschbare Schmutznische gebildet hatte, die eine Zahnfleischentzündung begünstigte.
Austausch der Krone geplant
Daraufhin wurde beschlossen, die bestehende Krone durch eine neue Versorgung aus Metallkeramik zu ersetzen. Um direkt am Behandlungsstuhl ein Provisorium anfertigen zu können, wurde im ersten Schritt eine Vorabformung mit Imprint 4 Preliminary Situationsabformmaterial (3M) durchgeführt (Abb. 2). Dies erfolgt, wann immer ein Provisorium zu fertigen ist.
Gingivamanagement mit Faden und Paste
Nachfolgend wurde die bestehende Versorgung entfernt, der Präparationsrand nachfiniert und ein Retraktionsfaden in den Sulkus gelegt – die Blutung im entzündeten Bereich ist deutlich sichtbar (Abb. 3). Um eine mehrtägige Wartezeit bis zum Abheilen des Gewebes zu vermeiden und die Abformung sofort durchführen zu können, verwenden wir die Adstringierende Retraktionspaste (3M). Diese ist in Kombination mit einem Retraktionsfaden einsetzbar und führt zu einer zuverlässigen Hämostase (Abb. 4). Im vorliegenden Fall wurde die Paste nach einer Einwirkzeit von rund 2 Minuten gründlich mit einem Luft-Wasser-Gemisch aus dem Sulkus entfernt.
Mit der Doppelmischtechnik zur präzisen Abformung
Danach erfolgte die Doppelmischabformung mit Imprint 4 Penta Heavy und Imprint 4 Super Quick Light Abformmaterialien (3M). Es wurde bewusst ein schnellabbindendes Umspritzmaterial (maximale intraorale Verarbeitungszeit: 35 Sekunden, Mundverweildauer 1:15 Minuten) mit einem normal abbindenden Löffelmaterial (maximale Verarbeitungszeit: 2 Minuten, Mundverweildauer: 2 Minuten) kombiniert. Dies bietet den Vorteil, dass die Assistenz nach der relativen Trockenlegung zuerst das Löffelmaterial im automatischen Mischgerät Pentamix 3 anmischen und den Löffel befüllen kann. Anschließend kehrt sie an den Behandlungsstuhl zurück und assistiert beim Umspritzen der Stümpfe, während der Löffel bereits zum Einsetzen bereitliegt. Vom Hersteller empfohlen wird die Kombination von Materialvarianten mit identischer Abbindezeit.
Für die punktgenaue Applikation des Umspritzmaterials am präparierten Stumpf wurde eine Einwegspritze für A-Silikone (3M) verwendet. Diese lässt sich bis zu zwölf Stunden vor der Behandlung mit Abformmaterial aus dem Garant Dispenser befüllen (Abb. 5) und ist danach jederzeit für den klinischen Einsatz bereit. Da sie kleiner und handlicher ist als übliche Dispenser, erleichtert sie das Ausbringen des Materials im Mund erheblich – das korrekt angemischte Imprint 4 Vinyl Polysiloxan Abformmaterial lässt sich ganz ohne Zittern präzise dort applizieren, wo es benötigt wird (Abb. 6). Die Spritze ist auch für Polyether erhältlich, das für die Abformung komplexerer Situationen (z.B. Implantatabformungen) empfohlen wird. Abbildung 7 zeigt das Ergebnis der Abformung. Die Besonderheit der Imprint 4 Abformmaterialien liegt in ihrer extrem kurzen Mundverweildauer, die ein effizientes Arbeiten ermöglicht. Es folgten die Bissnahme mit Imprint 4 Bite (Abb. 8 und 9) sowie die Abformung des Gegenkiefers mit Imprint 4 Preliminary, für das auch Einweglöffel verfügbar sind (Abb. 10).
In wenigen Schritten zum Provisorium
Für die Herstellung des Provisoriums wurde die Vorabformung genutzt (Abb. 11): Protemp 4 Temporäres Kronen- und Brückenmaterial wurde direkt in die Abformung appliziert (Abb. 12) und anschließend im Patientenmund reponiert. Nach einer Abbindezeit von 2 Minuten erfolgte die Entnahme der Abformung aus dem Mund, nach weiteren 3 Minuten die der provisorischen Krone aus der Abformung. Dank Abstimmung des Abformmaterials auf Protemp 4 lässt sich auf Anhieb eine sehr glatte Oberfläche erzielen. Somit ist eine Politur nicht zwingend erforderlich, falls gewünscht, lässt sich diese einfach und rasch mit einem Baumwollschwabbel durchführen. Abbildung 13 zeigt das mit RelyX Temp NE Temporärer Zinkoxidzement eingesetzte Provisorium im Patientenmund.
Eingliederung im Handumdrehen
Nach der Herstellung der finalen Versorgung wurde diese mit dem kunststoffmodifizierten Glasionomer- Befestigungszement Ketac Cem Plus Automix final zementiert (Abb. 14). Dieses Produkt bietet die Möglichkeit einer äußerst einfachen und sicheren Entfernung der Überschüsse nach kurzer Lichthärtung: Die Kurzzeit-Lichtpolymerisation (5 Sekunden je Oberfläche) sorgt dafür, dass der Zement eine gummiartige Konsistenz annimmt. Dadurch lassen sich die Überschüsse komplett ohne Schmieren und Bröckeln beseitigen. Dies spart nicht nur Zeit, sondern vermeidet gleichzeitig, dass möglicherweise Entzündungen verursachende Zementrückstände im Patientenmund verbleiben. Hinzu kommt, dass in unserer Praxis auch nach Jahren der Anwendung dieses Zements sowie seines Vorgängers noch keinerlei postoperative Sensitivitäten aufgetreten sind. Abbildung 15 zeigt das Behandlungsergebnis.
Fazit: Ziel erreicht durch vorhersagbare Ergebnisse
Durch die beschriebene Vorgehensweise unter Verwendung immer gleicher Materialkombinationen, klarer Zuständigkeiten der Mitarbeiter und der identischen Durchführung der Arbeitsschritte wird die Anzahl potenzieller Fehlerquellen auf ein Minimum reduziert. Durch die Verwendung der beschriebenen Produkte kann sichergestellt werden, dass Geräte und Materialien miteinander kompatibel sind – eine Grundvoraussetzung für vorhersagbare Ergebnisse. Hinzu kommt, dass ein standardisiertes Vorgehen auch zu mehr Sicherheit im Team führt. Das kommt auch bei Patienten an, die sich gut aufgehoben und sicher betreut fühlen, was schließlich zu ihrer Zufriedenheit mit dem erzielten Resultat beiträgt.
Autorin: Dr. Peggy Wolter
Der Beitrag erschien erstmalig in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 1+2/17.