Endodontologie 27.01.2022

Fragmententfernung aus Wurzelkanälen – Teil 2



Fragmententfernung aus Wurzelkanälen – Teil 2

Foto: Dr. Sebastian Riedel

Techniken und Möglichkeiten

Im ersten Teil dieses Fachbeitrags im Endodontie Journal 3/2021 wurde ein Überblick über die Bedeutung frakturierter Wurzelkanalinstrumente und deren Entfernung gegeben. Im Folgenden werden nun einige spezielle Techniken vorgestellt, die zur erfolgreichen Entfernung von metallischen Fragmenten genutzt werden können.

Bildgebung und Diagnostik: Einzelbild vs. DVT

Zur Behandlungsplanung gehört immer ein aussagekräftiges Röntgenbild. Basisdiagnostik sollte eine zweidimensionale Aufnahme sein. Mit deren Hilfe kann ein frakturiertes Instrument meistens sehr zuverlässig lokalisiert werden. Die Unterscheidung, ob Fremdmaterial im Zahn eher metall-, wurzelfüllungs- oder kompositdicht erscheint, ist für das geübte Auge leicht möglich. Damit kann eine Aussage über die wahrscheinliche Länge, Lage und den Querschnitt des Fragments getroffen werden. Allerdings fehlen entscheidende Informationen, wenn es sich um ein gekrümmtes Wurzelkanalsystem handelt: Die multiplanare Krümmung der Kanäle, die in den meisten Molarwurzeln gang und gäbe ist, muss identifiziert und „gelesen“ werden, um eine Fragmententfernung planen und erfolgreich durchführen zu können.

In DVT-Aufnahmen dagegen kann nach Meinung des Autors die Unterscheidung weniger gut gelingen, welche Materialien vorliegen: Sowohl metallische Werkstoffe als auch Wurzelfüllungen reflektieren die Strahlung in geringem Grad, sodass Fragmente oft nicht unterscheidbar vom Rest der Wurzelfüllung sind. Allerdings können DVTs hervorragend genutzt werden, um die Behandlung in allen Raumebenen zu planen: Es können „Wegmarkierungen“ ausgemessen werden, die später zur Orientierung im Kanal dienen. Daher ist die Anfertigung einer dreidimensionalen Aufnahme absolut notwendig, vorausgesetzt, es existiert eine Basisdiagnostik in Form einer Einzelaufnahme oder eines OPGs.

Ultraschall

Ein effizientes Verfahren zur Freilegung und Entfernung von Fragmenten aus dem Wurzelkanal stellt die Ultraschallanwendung dar. Hierbei wird mit einer dünnen, hochfrequent schwingenden Ultraschallspitze (z. B. U-Files, NSK) die Zahnsubstanz der Wurzelkanalwand so bearbeitet (Abb. 1), dass der koronalste Anteil des Fragments freigelegt wird. Wichtig ist, dass im koronalen Wurzeldrittel zirkulär um das Fragment gearbeitet werden darf, da regelmäßig genügend Hartsubstanz in allen Richtungen vorhanden ist. Im mittleren und apikalen Wurzeldrittel muss in Richtung der Innenkrümmung der Wurzel gearbeitet werden. So richtet sich das Instrument im Kanal auf. Wenn hingegen an der Außenwand Substanz entfernt wird, hat das Fragment die Tendenz, sich horizontal auszurichten. Die Entfernung kann dann unmöglich werden.

Ist der Instrumentenkopf freigelegt, kann das Umfahren mit der schwingenden Ultraschallspitze bewirken, dass es zur Lockerung und zum eigenständigen Herausdrehen des Instruments kommt. Hilfreich ist in dem Zusammenhang zu wissen, um was für ein Instrument es sich handelt: rechts schneidende Feilen werden entgegen dem Uhrzeigersinn entfernt, WaveOne® Gold (Dentsply Sirona) und RECIPROC® (VDW) schneiden entgegen dem Uhrzeigersinn und müssen deshalb mit einer Rechtsdrehung entfernt werden.

Die Ultraschalltechnik gilt als ein Vorgehen, das wenig Substanzverlust am Zahn produziert. Außerdem herrscht während des gesamten Arbeitens sehr gute Sicht auf das Fragment. Allerdings müssen manche sehr langen Fragmente aufwendig und weit freigelegt werden, um in Schwingung zu geraten und entfernt werden zu können. Das kann gerade in Hinblick auf die Wandstärke der Wurzel problematisch sein. Die Erwärmung des Parodontiums kann problematisch sein. Trotzdem stellt diese Technik eine hervorragende Methode zur Entfernung von Fragmenten dar.

Zangen

Um ein frakturiertes Wurzelkanalinstrument oder einen Silberstift mit einer grazilen Greifzange entfernen zu können, muss es sich um eine koronale Lage mit ausreichend Platz zirkulär ums Fragment handeln: Auch sehr spitz zulaufende Stieglitz-Zangen können nur bedingt innerhalb des Wurzelkanals eingesetzt werden, das Einsatzgebiet ist limitiert auf wenige Situationen. Silberstifte können aber relativ sicher mit solch einer Zange gepackt werden, ebenso abgebrochene Gates-Bohrer, deren langer und dünner Schaft aus dem Kanaleingang herausschaut.

Tube-Technik

Man kann mit einer Hohlkanüle und geeignetem Kleber (dualhärtendes Komposit, Sekundenkleber) einen Überwurf über das Fragment konstruieren und nach dem Abbinden des Klebers die Kanüle mit dem verklebten Fragment aus dem Wurzelkanal entfernen (Abb. 2). Für diese Technik muss aber in der Regel auch der Instrumentenkopf mindestens ca. 3 mm freigelegt werden. Die Friktion im Kanal sollte gering sein, sonst löst sich der Verbund zwischen Kanüle und Fragment beim Entfernen. Eine Indikation für die Tube-Technik besteht nur bei sehr langen Fragmenten mit retentiver Oberfläche im oberen koronalen Drittel bei geraden Wurzeln mit ausreichender Wandstärke. Fragmente im mittleren und apikalen Drittel können nur mit großem Verlust von Wurzeldentin und damit einhergehender Gefahr der Vertikalfraktur entfernt werden. Im Handel erhältliche Sets für die Tube-Technik beinhalten auch Trepan-Bohrer zum Umfräsen des Instrumentenkopfs. Die Anwendung solcher Bohrer geschieht ohne gleichzeitige visuelle Kontrolle. Es kann dabei zu Perforationen und Verlagerung des Fragments kommen.

Schlingen und der FragRemover®

Eine elegante Methode zur Entfernung von frakturierten Instrumententeilen stellen Schlingen dar. Dabei wird ein sehr dünner Draht wie ein Lasso über den freigelegten Instrumentenkopf gelegt, diese Schlinge wird dann kontrolliert zugezogen und so am Fragment fixiert. Es ist von Vorteil, wenn man die Arbeit unter einem Mikroskop durchführen kann, denn mit optimaler Beleuchtung und Vergrößerung gelingt der anfangs knifflige Schritt recht kontrolliert. Eine nützliche Vorrichtung ist der FragRemover®, dessen dünner Draht mit einer Hand gespannt werden kann (Abb. 3). Zwar muss auch Dentin zirkulär um den Fragmentkopf entfernt werden (Abb. 4), aber der notwendige freiliegende Bereich beträgt oft nur 1–2 mm. Somit kann Zahnsubstanz geschont werden, es kommt selten zu Perforationen und das Parodontium wird bei geringerer invasiver Ultraschallanwendung weniger erwärmt.

Da der verwendete Draht ca. 0,1 mm dick ist, kann nicht unendlich viel Kraft damit appliziert werden. Stark verblockte Fragmente müssen manchmal weiter freigelegt werden, um die Entfernung zu ermöglichen. Im Normalfall ist die Anwendung des FragRemovers® aber eine zeitsparende Methode und ermöglicht sogar das Entfernen von Fragmenten, die teilweise periapikal liegen.

Liquidation

Die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) sieht keine Leistung in ihrem Katalog vor, mit deren Hilfe eine Berechnung der Entfernung von frakturierten Wurzelkanalinstrumenten möglich ist. Es bietet sich deshalb die Möglichkeit, eine Analogposition zu kreieren, die in Art und Umfang der beschriebenen Leistung ähnelt. Dies kann z. B. die Position 2300 (Entfernung eines Wurzelstifts) sein, denn ihr Leistungsinhalt entspricht dem Vorgehen bei der Fragmententfernung. Allerdings steht es jedem Zahnarzt frei, die Analogie entsprechend seiner Einschätzung zu handhaben.

Kurse und Praxis

Einige spezialisierte Kollegen bieten in strukturierten Kursen die Möglichkeit an, neben der Vermittlung von hier beschriebenem theoretischem Wissen auch an Übungshilfen, Modellen und Phantomköpfen die Entfernung von Fragmenten zu trainieren. Man benötigt neben ausreichend Erfahrung auch die notwendige Geduld, sich im oft stressigen und streng getakteten Praxisalltag die Ruhe zu nehmen, um Fragmente „entspannt“ entfernen zu können. Dann gelingt es wie von selbst. Etwas Glück ist in einigen Fällen auch von Nutzen, um erfolgreich zu sein, aber je mehr man schwierige Situationen trainiert, umso öfter scheint das Glück einem zur Seite zu stehen.

Fazit

Instrumentenfrakturen will jeder Zahnarzt vermeiden, jedoch sind sie immer wieder Bestandteil des Behandlungsalltags. Verschleißerscheinungen z. B. an Feilen können zu einem Bruch führen, was meist dazu führt, dass ein Stück im Wurzelkanal verbleibt. In jedem Fall muss dieses Fragment dann entfernt werden, da es sonst den Verlauf der Behandlung und den Heilungsprozess negativ beeinflusst. Bei der Entfernung muss der Zahnarzt allerdings sehr vorsichtig vorgehen, um keine Perforationen und Stufen zu verursachen. Die in diesem Fachbeitrag beschriebenen Techniken helfen dem Zahnarzt, Instrumentenfragmente sicher aus dem Wurzelkanal zu entfernen. Dabei sollte die Technik stets nach der Art des Fragments und vor allem den Gegebenheiten des Wurzelkanals gewählt werden, um diesen nicht (noch weiter) zu schädigen. Im Zweifelsfall ist die Überweisung des Patienten an einen Kollegen, der viel Erfahrung mit dem Entfernen von Fragmenten hat, angezeigt.

Dieser Beitrag ist im Endodontie Journal erschienen.

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