Endodontologie 15.08.2012
Aufbereiten – Spülen – Füllen
Beim Blick in die zahnmedizinische Geschichte kann man feststellen, dass der sogenannte „tote“ Zahn bis heute ein bewegtes Leben führt. Noch im 19. Jahrhundert war man froh, wenn man den Zahnnerv zum Absterben gebracht hatte. Meist mithilfe Glüheisen oder arsenhaltigen Präparaten waren auf diese Weise die quälenden Zahnschmerzen zunächst beendet. Man lernte jedoch im Laufe der Zeit, dass nur ein möglichst sauberes Ausräumen des Kanals und eine nachfolgende Füllung einen dauerhaften Erhalt des Zahnes bringen konnten. Bis zu den heutigen endodontischen Behandlungsmethoden war es allerdings noch ein langer Weg.
Heute weiß man, dass drei Maßnahmen wesentlich für den Erfolg endodontischer Behandlungen sind:
- Die Kanalaufbereitung verfolgt das Ziel, das Pulpagewebe möglichst umfassend zu entfernen. Optimal ist es, wenn dies mit möglichst geringem Verlust an Zahnhartsubstanz einhergeht.
- Die Kanalspülung sollte schon während der Aufbereitung beginnen. Ihre Aufgabe ist es, die Effektivität der eingesetzten Feilen zu erhöhen, die Bruchgefahr zu mindern, den Kanal zu reinigen und zu desinfizieren.
- Die Kanalfüllung am Ende der Behandlung hat die Aufgabe, den aufbereiteten Hohlraum möglichst vollständig auszufüllen und dicht zu verschließen, um eine Reinfektion zu vermeiden. Zusammen mit der Deckfüllung soll der devitale Zahn schließlich bestmöglich stabilisiert und so auf längere Sicht funktionsfähig gehalten werden.
Nur wenn diese Maßnahmen einen harmonischen „Dreiklang“ bilden, werden endodontische Eingriffe zu dauerhaftem Zahnerhalt führen können. Wird auf einem der drei Gebiete unzureichend gearbeitet, ist der Gesamterfolg infrage gestellt.
Die Kanalaufbereitung
Zur Aufbereitung werden heute vor allem maschinelle Systeme angeboten, die mit rotierenden Nickel-Titan-Feilen arbeiten. Die hohe Elastizität der NiTi-Instrumente ermöglicht es, auch in stark gekrümmte Kanäle vorzudringen. Problematisch allerdings zeigt sich deren Einsatz bei der umfassenden Ausräumung von nicht runden Kanälen. Da sich die superelastischen NiTi-Systeme den Weg des geringsten Widerstandes suchen, sind sie nur schwer in seitliche Ausbuchtungen hineinzumanövrieren (Abb. 1a und b). Darüber hinaus besteht ein beträchtliches Bruchrisiko. Dagegen kann der Anwender mit den oszil-lierenden Shaping Files (Abb. 2a und b) aus Edelstahl des Endo-Eze TiLOS Systems (Ultradent Products) den mittleren, oft weiten Kanalanteil rasch, ef-fektiv und zugleich substanzschonend ausräumen. Außerdem ist durch die oszillierende (reziproke) Bewegung Feilenbruch praktisch ausgeschlossen. Gerade sogenannte „V-zones“ (Abb. 3), die sich an Isthmen bilden, werden behutsam aber sicher erschlossen. Mit ebenfalls oszillierender Bewegung dringen die NiTi-Instrumente (Transi-tional Files) in den apikalen Teil des Kanals vor. Um optional den Apikalbereich bis zu einem exakten Durchmesser weiter aufzubereiten, können zusätzlich die NiTi-Handfeilen genutzt werden. Bekanntlich sind inzwischen auch andere namhafte Hersteller auf die Vorteile oszillierender statt rotierender Instrumentenbewegung aufmerksam geworden. Die TiLOS-Instrumente erfordern für ihre Bewegung jedoch keinen Spezialmotor, sondern lediglich das Endo-Eze-Winkelstück, das mit dem normalen Praxis-Mikromotor betrieben wird.
Die Kanalspülung
Da auch eine gute mechanische Kanalaufbereitung nicht alle Verästelungen des Kanals erreichen kann – vom Lumen der Dentinkanälchen ganz zu schweigen – muss sie durch die Spülung mit chemischen Mitteln ergänzt werden. Diese sollte bereits während der Auf-bereitung beginnen. Hierfür dürfen sämtliche Feilen nicht trocken im Ka-nal bewegt werden. Es empfiehlt sich EDTA, am besten als Gel (zum Beispiel File-Eze von Ultradent Products), zu verwenden. Nach Abschluss der Aufbereitung sollte zur Desinfektion und Reinigung abwechselnd mit EDTA (in flüssiger Form) und Natriumhypochlorit gespült werden.1 All diese Mittel sind jedoch nur hilfreich und wirksam, wenn sie auch an den Ort gelangen, wo sie wirken sollen. Hierzu dienen die feinen Endo-Eze Tips (Abb. 4) und Capillary Tips (Ultradent Products). Mit ihrer Hilfe ist es möglich, tief in den Kanal zu gelangen und so das besonders verzweigte apikale Delta zu erreichen. Der gebogene Hals der
NaviTip-Kanülen (Abb. 5) erlaubt eine bessere Sicht auf den Kanaleingang. Zum einen sind die oberen zwei Drittel der Nadellänge federhart, weswegen es nicht zum „Knittern“ beim Einführen kommt, zum anderen ist das letzte Drittel an der Spitze weich, womit die Kanüle einer apikalen Krümmung gut folgen kann. Das Kanülenende ist stumpf und abgerundet.
Die NaviTips gibt es in vier verschiedenen Längen (17/21/25/27mm) und zwei Stärken (29ga und 30ga), welche an der Farbe der Kunststoff-Koni zu erkennen sind. Zusätzlich sind sie vielseitig einsetzbar. Die Stärke 0,30mm (30ga) dient vor allem zum Spülen und Applizieren von Gelen, wohingegen die Stärke 0,33mm (29ga) für feine pastöse Materialien wie die Calciumhydroxidpaste UltraCal XS geeignet ist. Calciumhydroxid ist als provisorische Kanalfüllung seit Langem erprobt und bewährt. Die Entfernung des Materials vor der definitiven Wurzel-füllung ist mit Citric Acid 20%ig in leichter Gelform, welches Ca(OH)2-Reste anlöst, und der Kanüle NaviTip FX (Abb. 6), die am vorderen Ende beflockt ist und so im Kanal nicht nur applizierend, sondern „schrubbend“ eingesetzt werden kann, möglich. Bei besonders engen Kanälen kann man NaviTip Sideport einsetzen. Ohne die Gefahr des Durchpressens von Flüssigkeit durch den Apex spült die 0,28mm dünne Kanüle effektiv mit ihren zwei seitlichen Öffnungen kurz hinter dem stumpfen, geschlossenen Kanülenende.
Die Kanalfüllung
Zur Füllung des Wurzelkanals sind im Laufe der Jahre viele Ideen entwickelt worden. Die meisten setzen in irgend-einer Weise das Material Guttapercha ein, das – kalt oder warm – in Verbindung mit Sealern den Kanal möglichst komplett und wandständig ausfüllen soll. Dazu gibt es verschiedene Spezi-alinstrumente und Geräte zum Ein-bringen, Erwärmen und Verdichten, die jedoch oft aufwendig und techniksensibel sind. Sealer werden häufig mit der altbekannten „Lentulo“-Spirale appliziert, was zu Lufteinschlüssen führen kann. Mit EndoREZ als Sealer (Ultradent Products) erreicht man eine schnelle, vollständige und dichte Wurzelfül-lung. Bei der Entwicklung dieses dualhärtenden und fließfähigen Komposits wurden unabdingbare Eigenschaften für die Kanalfüllung mitbedacht. Wie eine Studie von Becce und Pameijer2 belegt, sorgt ein hydrophiler Charakter für ein inniges Anfließen an die Kanalwände. Da EndoREZ nur eine mäßige Endhärte, die nicht höher als Dentin ist, hat, kann es im Revisionsfall oder bei Stiftpräparationen auch wieder entfernt werden.
Zur Applikation von EndoREZ kommen die NaviTips (Ø0,33mm, 29ga) zum Einsatz, um den dünnen schlan-ken Hohlraum, wie ihn der Wurzelkanal darstellt, ohne Lufteinschlüsse zu füllen (Abb. 7 bis 9). Die Verarbeitung erfolgt einfach und schnell, indem ein EndoREZ-Point, welches eine adhäsiv beschichtete Guttaperchaspitze ist, als Masterpoint ausgewählt und in dem aufbereiteten, sauberen Kanal einprobiert wird. Aus der EndoREZ-Doppelspritze wird eine Applikationsspritze („Skini Syringe“) gefüllt und mit NaviTip-Kanüle versehen. Somit kann anschließend EndoREZ im Kanal durch den NaviTip von apikal nach koronal injiziert werden und ihn komplett in wenigen Sekun-den füllen. Der EndoREZ-Masterpoint wird nun eingeschoben, gegebenenfalls auch zusätzliche Accessory Points. Es wird jedoch nicht lateral kondensiert. Die Stifte haben lediglich die Aufgabe, den Druck im Kanal leicht zu erhöhen und dadurch das Eindringen von EndoREZ in die lateralen Kanälchen und Dentintubuli zu verstärken. Außerdem erleichtert eine Guttaperchaspitze das Entfernen, falls später ein erneutes Aufbohren erforderlich ist. EndoREZ hat eine Verarbeitungszeit von circa 12 bis 15 Minuten. Die oberste Schicht von EndoREZ kann sofort mit einer Polymerisationsleuchte gehärtet werden. Dies erleichtert das unmittelbare Legen einer provisorischen oder definitiven Deckfüllung. Die endgültige Aushärtung ist im Kanal nach circa 20 bis 30 Minuten abgeschlossen.
Wenn sofort ein Wurzelstift gesetzt werden soll, kann diese Abbindung durch den EndoREZ Accelerator noch beschleunigt werden. Dazu werden die EndoREZ Points – Masterpoint und pro Kanal zwei bis vier Accessory Points – vor dem Einbringen einfach in die Phiole mit Accelerator getaucht und anschließend eingebracht. Eine late-rale Kondensation ist auch hierbei nicht nötig. Bereits nach fünf Minuten ist EndoREZ abgebunden, sodass mit einem geeigneten Bohrer das Stiftbett direkt danach angelegt werden kann. EndoREZ ist röntgensichtbar und im Kanal volumenbeständig. Leicht überstopftes Material wird jedoch mittelfristig resorbiert. Die Biokompatibilität von EndoREZ hat sich in Studien erwiesen.3 Inzwischen gibt es eine retrospektive Studie, die bereits acht Jahre überspannt, wobei mit EndoREZ sehr gute Ergebnisse festgestellt wurden.4 Somit ist Komposit, in modifizierter Form, auch im Wurzelkanal ein guter Werkstoff. Zahn, EndoREZ, EndoREZ Points sowie ein Befestigungs- und Aufbaukomposit, gegebenenfalls mit Faserwurzelstift – etwa PermaFlo DC und UniCore – bilden zusammen einen adhäsiven, dauerhaft stabilisierenden „Monoblock“.
Fazit
Mit abgestimmten, adhäsiven Materialien und praxisgerechten Techniken zum Aufbereiten, Spülen und Füllen kann der devitale Zahn noch lange seine Funktion erfüllen.
Autor: Martin Wesolowsky