Implantologie 14.03.2022

Erfolgreiche Behandlung eines Periimplantitisdefekts



Erfolgreiche Behandlung eines Periimplantitisdefekts

Foto: Prof. Dr. med. dent. Stefan Fickl

Im vorliegenden Beitrag wird eine Erfolg versprechende regenerative Behandlungssequenz von Periimplantitis vorgestellt.

Die Dekontamination des Implantats erfolgt durch eine mehrstufige mechanische Reinigung, begleitet mit der Gabe eines Reinigungsgels auf Hypochloritbasis. Die Auffüllung des Knochendefekts erfolgt durch einen GBR-basierten Ansatz. Es handelt sich dabei um die Kombination eines schwer resorbierenden Knochenersatzmaterials und einer Zuckerkreuzvernetzten Kollagenmembran. Zur Versiegelung des gereinigten Wundraums und zur Unterstützung regenerativer Prozesse wird adjuvant vernetzte Hyaluronsäure eingesetzt.

Einleitung

Das primäre Ziel einer Periimplantitisbehandlung ist die Auflösung der Weichgewebeentzündung und in der Folge die Verhinderung eines weiteren marginalen Knochenverlusts. Aus der vorhandenen Evidenz geht hervor, dass in fortgeschrittenen Fällen eine nichtoperative Therapie nicht vollständig wirksam ist.30 Dies indiziert chirurgisch-resektive oder -regenerative Therapieansätze. Insbesondere durch chirurgisch-augmentative Ansätze soll eine Reosseointegration oder zumindest die knöcherne Auffüllung des Knochendefekts erzielt werden, um das periimplantäre Weichgewebe besser zu stützen und dadurch die ästhetischen Ergebnisse zu verbessern.2, 29

Resektive Operationen können eingesetzt werden, um Periimplantatdefekte zu beseitigen, die hygienischen Fähigkeiten wiederherzustellen und das Fortschreiten der Periimplantitis zu reduzieren oder gar zu stoppen. Regenerative Ansätze, z. B. mit autologem Knochen und/oder Knochenersatzmaterialien in Kombination mit einer resorbierbaren Membran sind vielversprechend, wenn es gelingt, die vorhandenen Knochendefekte durch neu gebildeten Knochen zu reaugmentieren.

Die tatsächliche Reosseointegration oder Regeneration kann ausschließlich in experimentellen Modellen histologisch beurteilt werden.2, 29 In der klinischen Praxis gelten als „Erfolgskriterien“ für die Auflösung von Entzündungen und die Reparatur von Knochendefekten die röntgenologische Beurteilung des Knochenniveaus und klinische Variablen (BOP, PD, REC).29

Aufgrund unterschiedlicher Defektmorphologien und fortschreitender Krankheitsstadien sind diese Techniken bislang nicht immer vorhersagbar anwendbar.26 Die „ideale Periimplantitistherapie“ heute besteht aus einer mehrstufigen, individuell angepassten Behandlungssequenz in Abhängigkeit von der multifaktoriellen Ätiologie.30, 33 Im Gegensatz zur Parodontaltherapie muss bei der Periimplantitistherapie viel häufiger ein chirurgischer Therapieansatz gewählt werden.32

Dekontamination

Aktuelle Erkenntnisse in der Literatur zu den verschiedenen klinischen Dekontaminationsprotokollen haben gezeigt, dass eine vollständige Dekontamination der Implantatoberfläche (mechanisch und chemisch) nicht einmal in vitro erreicht werden konnte. Je nach Art der Implantatoberfläche gibt es große Unterschiede in der Wirksamkeit der verschiedenen Ansätze.21, 35 So verwundert es nicht, dass es bei der Auswertung von publizierten klinischen Studien keine Hinweise auf radiologische oder mikrobiologische Daten gibt, die eine bestimmte Dekontaminationsmethode einer anderen vorziehen.26

Ganz aktuelle wissenschaftliche Arbeiten weisen darauf hin, dass durch eine elektrische Kleinspannung erzeugte Wasserstoffbläschen in der Lage sind, den kompletten Biofilm auf der Mikro- und Makrooberfläche des Implantats zu entfernen.4, 27, 28 Die Sicherstellung der bestmöglichen Dekontamination hängt generell von einer ausreichenden Darstellung des Defekts durch einen Mukoperiostlappen und einer gründlichen Reinigung der kontaminierten Implantatoberflächen ab – idealerweise mithilfe von Kombinationstherapien aus mehreren Reinigungsschritten und adjuvanten antimikrobiellen Anwendungen.14, 33

Eine vielversprechende und zugleich preiswerte Option zur adjuvanten Dekontamination von parodontalen und periimplantären Entzündungen stellen lokale Antiseptika auf Basis von Hypochlorit (HOCl) dar (PERISOLV, REGEDENT). Diese sind Zwei-Komponenten-Präparate, bestehend aus einer 0,95-prozentigen HOCl-Lösung sowie einer Aminosäurelösung. Vor Gebrauch werden die beiden Komponenten gemischt und aktiviert. Eine ausgeprägte antibakterielle Wirksamkeit dieses Gels auf Biofilme konnte bereits in vitro gezeigt werden.17 Insbesondere auf Biofilme, welche sich auf Implantatoberflächen befinden.3 Ebenfalls weist dieses Reinigungsgel eine degranulierende Wirkung auf, die die Oberflächenreinigung der komplexen Implantatoberfläche verbessern kann.3 Bei Behandlung von periimplantären Knochendefekten empfiehlt sich eine wiederholte Applikation: Einmal vor der mechanischen Behandlung der Implantatoberfläche, um eine bessere Reinigungsleistung zu erzielen, sowie während und nach der mechanischen Behandlung, um die Entfernung des Biofilms zu optimieren.

So führt die adjuvante Anwendung des Reinigungsgels bei der geschlossenen Instrumentierung von persistierenden Parodontaltaschen nach sechs Monaten eine statistisch signifikante Verbesserung aller relevanten parodontalen Messparameter (CAL, PD, BOP) im Vergleich zur mechanischen Reinigung allein. Ebenfalls zeigten in der NaOCl-Gruppe nach ebenfalls sechs Monaten statistisch signifikant weniger Taschen Entzündungszeichen (Sondierungsbluten) auf.15 Vergleichbar vorteilhafte klinische Kurzzeitergebnisse konnten mit diesem Reinigungsgel bei der geschlossenen Behandlung von periimplantärer Mukositis erzielt werden.15 So war die Inzidenz von Sondierungsblutungen (BoP) nach einem Monat um 70 Prozent reduziert (gegenüber 53 Prozent in der Kontrollgruppe ohne Gelapplikation). Leider konnte dieses vielversprechende Kurzzeitergebnis nicht in beiden Gruppen stabil gehalten werden. So waren nach sechs Monaten nur noch 45 Prozent der Implantate in der NaOCl-Gelgruppe und 32 Prozent in der Kontrollgruppe ohne Entzündungszeichen.

Regeneration/Augmentation

Aufgrund des häufig ersatzschwachen Lagers und der kritischen Weichgewebesituation stellt die Augmentation von Knochendefekten nach periimplantären Vorerkrankungen eine sehr große Herausforderung dar.

In Tierstudien konnte gezeigt werden, dass durch die chirurgischregenerative Behandlung eine Reosseointegration einer zuvor infizierten und kontaminierten Implantatoberfläche erreicht werden kann. Das Ergebnis variiert allerdings stark und ist schwierig in der Prognose in Abhängigkeit des jeweiligen Studien-Set-ups.

Es ist schwierig nachzuweisen, ob eine Reossifikation auch klinisch erzielt werden kann. Nach aktuellem Erkenntnisstand scheint es realistisch, durch regenerative Techniken mit verschiedenen Knochenersatzmaterialien und Barrieremembranen eine Defektfüllung und somit auch eine „Heilung“ der Krankheit zu erreichen.14, 18, 25, 28, 29 Die Kombination von Membranen und Knochenersatzmaterialien sind denjenigen mit Membranen oder Knochentransplantaten allein überlegen.4, 20, 22 Die augmentative Auffüllung des knöchernen Defekts kann aufrechterhalten werden, wenn sich durch effektive Mundhygiene und intensives Patientenmonitoring niedrige Plaque- und Blutungsscores einstellen.28 Die häufigste auftretende postoperative Komplikation von regenerativen Therapien stellt die frühe Exposition der Membran dar.12, 22 Dies begründet den Einsatz von Zuckerkreuzvernetzten Kollagenmembranen, die insbesondere bei anspruchsvollen Indikationen und bei Exposition Vorteile gegenüber konventionellen nativen Membranen aufweisen.7, 9, 18 Dies konnten wir in einem Tiermodell zeigen, bei dem bukkal defizitäre Extraktionsalveolen mit einem schwer resorbierbaren Knochenersatzmaterial gefüllt und entweder mit einer nativen oder einer Zuckervernetzten Membran abgedeckt wurden. Drei Monate nach Augmentation war das erhaltene Knochenvolumen in der Gruppe der Zucker-vernetzten Membran statistisch signifikant höher als in der Gruppe mit der nativen Kollagenmembran.9 Dieses Augmentationskonzept empfiehlt sich somit für die Regeneration von periimplantären Knochendefekten.

Unterstützung der Wund- und Weichgewebeheilung mit Hyaluronsäure

Augmentationen nach periimplantären Vorerkrankungen bieten zwar potenziell die besten Erfolgsaussichten, jedoch bedeutet dies einen hohen Material- und Kostenaufwand für den Patienten. Aufgrund der limitierten regenerativen Potenz des Knochenlagers und der Komplexität der Oberflächenstruktur und ihrer effektiven Dekontamination besteht immer das Risiko eines Rezidivs bzw. einer erneuten Infektion und des Verlusts des Augmentats.

Um dieses Risiko zu minimieren, wird in der Literatur immer häufiger eine adjuvante Verwendung von regenerativen Agenzien (Biologics) vorgeschlagen. Neben Schmelz-Matrix-Proteinen und Wachstumsfaktoren weisen insbesondere die erheblich preisgünstigeren Hyaluronsäuren (HA)-Präparate vielversprechende unterstützende regenerative Eigenschaften auf, die die Komplikationsrate potenziell reduzieren.11, 12 Mittlerweile ist bekannt, dass die klinische Anwendung von Hyaluronsäure die bakterielle Kontamination der Wundstelle reduziert, wodurch das Risiko einer postoperativen Infektion verringert und eine vorhersagbarere Regeneration gefördert wird. Darüber hinaus stimuliert Hyaluronsäure die Neoangiogenese post OP und führt zu einer deutlichen Verbesserung und Verkürzung der Wundheilung.19, 36 Auch gibt es immer mehr Evidenz für die stimulierende Wirkung auf die Knochenregeneration.1, 31 In einer klinischen Vergleichsstudie haben wir den Einfluss von vernetzter Hyaluronsäure (xHyA) auf das Ergebnis von lateralen Augmentationen atropher Kiefer mit einem schwer resorbierenden KEM und einer nativen Kollagenmembran untersucht.7 In der Testgruppe wurde das partikuläre KEM mit xHyA vermischt und somit zugleich im Sinne des „Sticky Bone“- Prinzips stabilisiert. Ebenfalls wurde die native Kollagenmembran mit der Hyaluronsäure „imprägniert“, um die Wundheilung zu verbessern und unter Umständen eine Verlängerung der kurzen Standzeit der Membran zu erzielen. Dieses Phänomen wurde zuvor tierexperimentell beobachtet.6 Durch die adjuvante Verwendung von vernetzter Hyaluronsäure konnten wir im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne xHyA nach sechs Monaten statistisch signifikant mehr Knochenvolumen gewinnen. Die histologische Analyse der Knochenqualität zeigte in der Hyaluronsäuregruppe deutlich mehr neu gebildeten Knochen und weniger avitale Restpartikel des schwer resorbierbaren KEM. Zudem waren in der xHyA-Gruppe Reste der schnell resorbierbaren Membran vorhanden. Aufgrund dieser positiven Effekte bietet sich die adjuvante Verwendung von Hyaluronsäure zur Unterstützung der kritischen Regeneration bei der Augmentation von Knochendefekten nach periimplantären Entzündungen an.

Fallbericht

Ein 60-jähriger Patient stellte sich mit starkem periimplantären Knochen­abbau um Implantat 25 vor (Abb. 1). Im Röntgenbefund wird die fragliche Prognose des Zahns 24 und der ausgeprägte kraterförmige Knochendefekt um Implantat 25 deutlich (Abb. 2). Der Behandlungsplan sah eine Extraktion von Zahn 24 und eine gründliche chirurgische Dekontamination der exponierten Implantatareale 25 „unter Sicht“ vor. Aufgrund des fortgeschrittenen Krankheitsbilds war der Versuch einer Augmentation und Regeneration des periimplantären Knochendefekts 25 sowie die Auffüllung der Extraktionsalveole 24 geplant. Es zeigte sich ein ausgeprägter Knochendefekt nach minimalinvasiver Lappenpräparation (midcrestale Inzision ohne vertikale Entlastung und ohne Periostschlitzung), Extraktion von Zahn 24 und Entfernung des Granulationsgewebes um Implantat 25 (Abb. 3).

Zur Dekontamination und Unterstützung der Oberflächenreinigung von Implantat 25 wurde Perisolv (REGEDENT) aus den beiden Komponenten angemischt, auf die Implantatoberfläche appliziert und 30 Sekunden in situ belassen. Nach einer weiteren mechanischen Reinigung mit einer Titan-Bürste (NiTi Brush, Hans Korea; Abb. 4) erfolgt eine zweite Applikation des Hypochlorit-Präparats. Zur Entfernung von Resten des Reinigungsgels wurde der Knochendefekt mit physiologischer Kochsalzlösung ausgespült. Anschließend wurde die Implantatoberfläche mit vernetzter Hyaluronsäure (hyaDENT BG, REGEDENT) benetzt.

Zur Augmentation wurde das schwer resorbierende KEM (Bio-Oss, Geistlich Biomaterials) in wenig physiologischer Kochsalzlösung rehydratisiert und mit Hyaluronsäure vermischt, bis sich eine pastöse Konsistenz eingestellt hatte. Nach Auffüllung des periimplantären Defekts 25 und der Extraktionsalve- ole 24 mit dem hergestellten „Sticky Bone“ wurde das Areal mit der Zuckervernetzten Kollagenmembran abgedeckt (OSSIX Plus, REGEDENT; Abb. 5). Zur Verbesserung der Wundheilung wurde die Membran vor dem Wundverschluss mit einer dünnen Lage Hya- luronsäure bedeckt.

Der Wundverschluss erfolgte ohne weitere Lappenmobilisation mit doppelten Einzelknopfnähten und einer Kreuznaht. Dies bedeutete eine bewusste Exposition der vernetzten Membran in Regio 24 und ein transgingivales Heilungsprotokoll um Implantat 25 (Abb. 6). Anschließend wurde eine radiologische Kontrolle der Augmentation gemacht (Abb. 7). Um dem kompromittierten periimplantären Defekt ausreichend Regenerationszeit zu gewähren, war die Implantation in Regio 24 erst nach acht Monaten vorgesehen. Die Röntgenkontrolle ergab eine stabile Knochensituation im augmentierten Areal ohne Zeichen eines Volumenverlusts des Augmentats (Abb. 8).

Eine dreidimensionale Kontrolle zeigte insbesondere im Bereich der augmentierten Alveole 24 ein ausreichendes Knochenvolumen und gute knöcherne Konsolidierung (Abb. 9 und 10). Klinisch imponierte ein entzündungsfreies, ausreichend keratinisiertes Weichgewebe (Abb. 11). Nach Lappenpräparation zeigte sich ein optimal ausgeheiltes Areal. Die schwer resorbierbaren Knochenpartikel waren vollständig knöchern konsolidiert, sowohl um Implantat 25 als auch im Bereich der augmentierten ehemaligen Alveole 24 (Abb. 12 und 13). Die Implantation (Zimmer Biomet) in Regio 24 konnte ohne weitere augmentative Maßnahmen erfolgen (Abb. 14). Der Wundverschluss erfolgte gemäß einem gedeckten Heilungsprotokoll für Implantat 24 (Abb. 15).

Zusammenfassung

Die Kombination einer sorgfältigen Implantat-Dekontamination mithilfe eines antimikrobiellen Präparats auf Hypo­chloritbasis sowie der Verbesserung der Hartgewebesituation um das Implantat mit der Kombination einer Zuckervernetzten Kollagenmembran und eines schwer resorbierbaren KEM bietet eine vielversprechende regenerative Behandlungsoption im Rahmen der Periimplantitistherapie. Durch die adjuvante Anwendung von vernetzter Hyaluronsäure (xHyA) kann das Risiko eines Rezidivs bzw. einer erneuten Infektion minimiert werden, weil Regenerations- und Wundheilungsprozesse beschleunigt werden.

Eine Literaturliste steht hier zum Download für Sie bereit.

Dieser Beitrag ist im Implantologie Journal erschienen.

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