Implantologie 05.03.2013

Mikroschrauben in der augmentativen Chirurgie



Mikroschrauben in der augmentativen Chirurgie

Die präimplantologische augmentative Chirurgie stellt hohe Anforderungen. Die Entwicklung von Mikroschrauben macht dabei auch die Fixation sehr kleiner Knochenfragmente möglich. Mikroschrauben aus Chrom-Kobalt-Molybdän-Legierungen weisen neben guter Gewebe­integration und Entfernbarkeit zudem eine gute Rigidität in der Fixation der Fragmente auf. In dem vorliegenden Fallbericht werden die Einsatzmöglichkeiten von Mikroschrauben anhand exemplarischer Augmentationsfälle unterschiedlicher Indikationsstellung vorgestellt.

Zahnverlust aufgrund endodontischer oder parodontaler Probleme geht in der Regel auch mit einem Verlust knöcherner Strukturen einher. Die konsekutive Insertion eines Implantats bedarf daher mehr oder ­weniger aufwendiger Wiederherstellung knöcherner Strukturen.1 Als Therapieverfahren zur Augmentation haben sich Knochenblocktransplantationen oder die Gesteuerte Knochenregeneration als vorhersagbar und erfolgreich in der dentalen Implantologie erwiesen.2–4 Dabei zeigen autologe Knochentransplantate eine geringere Komplikationsrate als resorbierbare und nicht resorbierbare Membranen.2 Bei der sogenannten 3-D-Rekonstruktion oder Schalentechnik handelt es sich um eine besondere Form der autologen Knochenrekonstruktion. Mittels dünner kortikaler Knochenblöcke werden zunächst die Konturen des Alveolarkamms wiederhergestellt und anschließend die entstandenen Spalträume mit autologen Knochenspänen gefüllt.1–5 Hierbei lassen sich aufgrund einer beschleunigten Vaskularisation und Regeneration die Resorptionsprozesse auf das Transplantat beschränken, sodass die Kieferkammkontur ­aufgrund einer ­Resorptionsrate von nur ca. 6 bis 10% ­vorhersagbar wiederhergestellt werden kann.6–9 Zudem lassen sich bei dieser Technik Augmentation und Implantation miteinander verbinden, was eine Ver­kürzung der Therapiedauer und Tragezeit von Provisorien bewirkt.4,10
Osteosyntheseschrauben waren lange Zeit vor allem in der maxillofacialen Traumatologie im Einsatz.11 Hierbei war ihre Hauptaufgabe, eine Kontakt- oder Distanz­osteogenese mit hinreichender Rigidität im Bereich der Knochen des Gesichtsschädels herzustellen. Da die Stabilisierung der Fragmente im Vordergrund stand, wurde auf eine ausreichende Dimensionierung des Materials geachtet, was aber die Reposition von Frakturen des Gesichtsschädels mit geringer Fragmentgröße erschwerte. Aus diesem Grund wurden Mini-Osteosynthesematerialien entwickelt, die auch die Fixierung kleinerer Fragmente möglich machten.12–17 Die präimplantologische augmentative Chirurgie stellt aber noch höhere Anforderungen an die Feinheit der Materialien. Dies führte zu der Entwicklung von Mikroschrauben, die auch die Fixation sehr kleiner Knochenfragmente ermöglichen. Sehr kleine Osteosyntheseschrauben aus Titan zeigen aber aufgrund einer ­partiellen Osseointegration oft das Problem einer erschwerten Entfernbarkeit.18 Schrauben aus Chrom-­Kobalt-Molybdän-Legierungen dagegen weisen neben guter Gewebeintegration und Entfernbarkeit zudem eine gute Rigidität in der Fixation der Fragmente auf. Bei der micro-screw (Fa. Stoma, Emmingen-Liptingen) handelt es sich um eine Mikroschraube der Größe 1,0 und 1,2mm, die aus rostfreiem, medizinischem Stahl hergestellt wurde, und somit die Vorteile des geringen Durchmessers mit guter Gewebeintegration und Entfernbarkeit verbindet.19

Fallbeispiele

Die autologe Knochenaugmentation erfordert die Fixation eines Knochenblocks (Abb. 2 und 6) bis hin zu ­multi­plen Knochenblöcken (Abb. 17). Häufigste Augmentationsformen sind dabei die laterale (Abb. 6) und vertika­le Augmentation mit zwei Knochenblöcken, entweder bukkal-oral (Abb. 2 und 13) oder bukkal-okklusal (Abb. 9).

Abbildungen 1 bis 5 zeigen die klassische vertikale Knochenaugmentation einer Einzelzahnlücke im Frontzahnbereich nach Verlust des Zahnes 12 durch eine Läsion ­endodontischen Ursprungs. Die Defektkavität wird zunächst mittels eines oralen und eines bukkalen Knochenblocks wiederhergestellt, die mittels drei Mikroschrauben fixiert werden. Anschließend wird partikuliertes Knochenmaterial zur Auffüllung des Hohlraums eingesetzt. Nach einer viermonatigen Einheilzeit kann problemlos ein Implantat inseriert werden (Abb. 3). Die Wiederherstellung der knöchernen Strukturen erlaubt eine gute Positionierung des Implantates und damit auch eine optisch anspruchsvolle, ästhetische Rehabilitation. Die laterale Augmentation bedarf in der Regel nur zwei Schrauben zur Fixierung auch größerer Blöcke. Schwierig gestaltet sich dagegen die Fixierung sehr kleiner Knochenfragmente, bei denen die Gefahr der Sprengung durch größere Schraubensysteme groß ist und die für zwei Schrauben keinen ausreichenden Platz bieten. Mittels nur einer micro-screw mit einem Durchmesser von 1mm lassen sich diese „Miniblöcke“ ohne Gefahr ­einer Fraktur des Knochenstücks aber mit ausreichender Stabilität und Rotationssicherheit fixieren (Abb. 6 und 7). Um die Gefahr einer Nahtdehiszenz auch bei größeren vertikalen Augmentationen zu minimieren, wurde die Tunneltechnik bei der 3-D-Augmentation entwickelt.1,7,20,21 Hierbei wird nur mittels einer einzigen vertikalen Inzision die gesamte Augmentation durchgeführt. Dabei bedarf es eines Schraubensystems, das auch bei Fixierung der Knochenblöcke auf nur einer Seite eine ausreichende Stabilität des Knochens gewährleistet. Zudem erfordern die eingeschränkten Platzverhältnisse die Verwendung eines Systems, das weder durch Schraube noch durch den Schraubenkopf zu viel Platz fordert (Abb. 8–12). Nach Fixierung des okklusalen Blockes und Auffüllung des Spaltraumes mit Knochenspänen wird der bukkale Block mit einer einzelnen Schraube gegen den okklusalen Block fixiert. Nach viermonatiger Einheilung können zwei ausreichend dimensionierte Implantate eingesetzt werden. Die Röntgenaufnahmen zeigen den deutlichen vertikalen Höhengewinn und anatomisch korrekte Positionierung der Implantate unter Vermeidung einer großen prothetischen Aufbauhöhe. Eine besondere Herausforderung stellt die simultane Augmentation und Implantation insbesondere bei Einzelzahnlücken dar. Hierbei muss neben dem Implantat noch ausreichend Platz für die Insertion von zwei bis drei Osteosyntheseschrauben gegeben sein. Bei Einzelzahnlücken, insbesondere im Prämolarenbereich, sind die Platzverhältnisse eingeschränkt (Abb. 13–16). Der geringe Durchmesser der micro-screw von nur 1mm bei gleichzeitiger geringer Größe des Schraubenkopfes erlaubt problemlos die Insertion der Schraube zwischen Zahn und Implantat, und das sogar bei Fixierung von zwei Knochenblöcken bukkal und lingual. Somit lässt sich auf engstem Raum eine 3-D-Augmentation und ­simultane Implantation durchführen.

Augmentationen, die sich über eine Größe von mehreren Zähnen ausdehnen, erfordern die stabile Fixation der Knochenschalen, um den dreidimensionalen Raum auch gegen den Druck von herausnehmbarem, provisorischen Zahnersatz aufrechtzuerhalten (Abb. 17–20). Hierbei zeigt die gute Verbindung zwischen Mikroschraube und Block den Vorteil, dass trotz der geringen Größe der Schraube eine sichere Fixation erreicht werden kann. Bei Verwendung mehrerer anliegender Knochenblöcke kann zudem auch auf dicht aneinander liegenden Räumen mit mehreren Mikroschrauben gearbeitet werden.


Kritische Beurteilung

Osteosyntheseschrauben sollen in der Traumatologie die stabile Fixation des Augmentats ermöglichen. Hierzu werden meist Schrauben aus Titan verwendet, da ein Belassen durch die Osseointegration des Osteosynthesematerials möglich ist. Im Rahmen der augmentativen Implantatchirurgie ist eine solche Osseointegration unerwünscht. Die Schrauben müssen aufgrund der konsekutiven Insertion des Implantates fast immer entfernt werden, da sie im Bereich der geplanten Implantatinsertion stehen. Daher werden in der Regel Schraubendurchmesser von 1,3 bis 2mm gewählt, um eine Fraktur des Materials bei der Ausgliederung zu vermeiden.18,22,23 Schrauben aus medizinischem, rostfreien Stahl (Chrom-Kobalt-Molybdän) erlauben eine problemlose Entfernung des Materials ohne Frakturrisiko auch bei geringeren Durchmessern von 1,0–1,2mm, wie bei der vorgestellten micro-screw. Zudem zeigen weder die Weich- noch die Hartgewebe eine unerwünschte Reaktion auf das Material und auch die Resorptionsraten sind insbesondere bei Verwendung der Schalentechnik als gering einzustufen.7,9,19 Die Verwendung einer durchmesserreduzierten Edelstahlschraube ermöglicht zudem, auch auf engs­tem Raum zwischen Zahn und Implantat eine oder mehrere Schrauben zu platzieren, ohne den Zahn oder die Oberfläche des Implantates zu verletzen. Khoury und Hidajat19 konnten in einer retrospektiven Analyse von 923 Mikroschrauben bei 318 Patienten nur wenige ungewollte Ereignisse feststellen: inkomplette Regeneration wurde in 1,8% der Fälle fest­gestellt, eine frühzeitige Exposition trat in 5,3% der Fälle auf und nur bei 2,4% kam es zu einer Resorption von mehr als 15% der augmentierten Knochenmasse. Keine Schraube wurde bei der Entfernung beschädigt, auch andere Komplikationen traten nicht auf.

Die micro-screw eröffnet aufgrund des geringen Durchmessers von 1,0 und 1,2mm die Möglichkeit, ­neben großdimensionierten auch sehr kleine Knochenblöcke stabil zu fixieren. Aufgrund des selbstschneidenden Charakters der Schraube ist auch mit einer einzigen Vorbohrung mittels längenmarkiertem Vorbohrer eine retentive Verbindung zwischen Knochen­block, Schraube und ortsständigem Knochen möglich. Der spezielle Schraubenzieher mit Sicherungshalterung ermöglicht bei schlechten Zugängen im Mund einen sicheren Transport und einen ge­zielten Ansatz der Schraube. Die ­Gefahr von ungewollten Aspirationen und Abrutschen im Rahmen des Einbringens wird minimiert. Die geringere ­Resorptionstendenz auch im Bereich der Osteosyntheseschrauben und gute Entfernbarkeit nach Einheilung des Augmentats machen die Augmentation zu ­einer vorhersagbaren Therapie mit geringer Komplikationsrate selbst bei ausgedehnten Eingriffen.

Autoren: Dr. med. dent. Jochen Tunkel, Dr. med. dent. Luca de Stavola, Dr. med. dent. Robert Würdinger

Mehr Fachartikel aus Implantologie

ePaper