Implantologie 21.07.2014
Minimalinvasive chirurgische Maßnahmen und Patientenbelastung
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Aufwendige Augmentationstechniken, Blockaugmentationen und Zweitoperationen verlieren zunehmend an Akzeptanz seitens der Patienten. Oft gibt es Alternativen, wie die lappenlose Implantatinsertion, die transgingivale Einheilung, durchmesser- und längenreduzierte Implantate oder computergesteuerte Planung und Durchführung der Chirurgie. Alle diese Methoden haben Vor- und Nachteile. Manche davon sind die erhöhten Kosten für 3-D-Planung und Chirurgie, die Beeinträchtigung der Osseointegration, eine zweite Operationsstelle, mehrere Operationen oder längere Behandlungsdauer.
In der Regel sind uns unsere Patienten dankbar, wenn wir ihnen Operation und Nebenwirkungen ersparen, wenn die Behandlungsdauer reduziert werden kann, die Behandlungen selbst weniger belastend sind, wenn also einfache Lösungen gefunden werden.
Minimalinvasive Chirurgietechniken und Vorgehensweisen sind wichtige Utensilien, dürfen allerdings das Risiko einer Operation oder die Misserfolgsraten nicht erhöhen. Auf diesem Weg haben sich moderne Implantatsysteme und Komponenten bewährt. Moderne krestale Optionen fördern die Zelladhäsion und die Bildung einer Art Faserbündels. Wenn solche Optionen an den Gingivaformer eingebracht sind, verbreitert sich dieses Bündel und schützt den krestalen Knochen. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn solche Komponenten direkt bei der Implantation eingesetzt werden können.
Viele Systeme bieten alternative Abformungsmöglichkeiten, sodass schwierige und aufwendige Situationen besser und schneller versorgt werden können. Auch für das Labor haben sich Techniken zur genaueren Modellierung und Herstellung von Suprakonstruktionen entwickelt. Digitale Abformungen und CAD/CAM-Komponente und -Suprakonstruktionen sind immer mit zusätzlichen Kosten und Aufwand verbunden – Kosten, die in manchen Fällen verhindert werden können oder nicht sinnvoll sind.
Falldarstellung und Behandlungsplan
In den folgenden beiden Falldarstellungen sind viele der oben genannten Gedanken eingeflossen. Beim ersten Patienten zeigte die klinische Untersuchung einen Lückenschluss Region 45, durch Kippung des 46 nach mesial und des 44 nach distal. Der 47 hat gefehlt. Da der Antagonist in einer Brücke vorblockt war, bestand keine Gefahr von Elongation, sodass insgesamt die Situation als prothetisch suffizient eingestuft wurde (Abb. 1a und 2a). Der Patient vermisste allerdings den zweiten Molar im vierten Quadrant und gab Kau- und Artikulationsprobleme an. Um seinem Wunsch nach einer Implantatversorgung nachzugehen, wurde eine Planung erstellt.
Zahn 47 war vor circa vier Monaten extrahiert worden. Das Weichgewebe war krestal nicht vollständig verschlossen und Zahn 46 zeigte, bedingt durch die Kippung, einen leichten parodontalen Defekt an der distalen Wurzel.
Die Knochenbreite in Regio 47 war ausreichend. Die Knochenhöhe war reduziert, aber immer noch ausreichend für die Insertion eines geeigneten Implantates. Die eingeschränkte Mundöffnung und die schwer zugängliche Region ließen eine GBR weniger sinnvoll erscheinen. Eine transgingivale Insertion wurde wegen dem Weichgewebsdefekt nicht favorisiert, und wir entschieden uns für die Lappenbildung (Abb. 1a und 2a). Allerdings wurde eine transgingivale Einheilung mithilfe eines Abutments mit Mikrorillen am Emergenzprofil geplant.1–5
Beim zweiten Patienten war die Situation sehr ähnlich. Der Zahn 37 hat gefehlt und die vertikale Höhe war limitierter als beim ersten. Die diagnostische Röntgenaufnahme zeigte im Bereich der Extraktionsalveole reduzierte Mineralisation des Knochens, sodass erst intraoperativ entschieden werden musste, welche Implantatlänge notwendig sei. Die Vorgehensweise war exakt gleich (Abb. 1b und 2b).
Chirurgie und Einheilphase
Für die Implantation wurde ein Mukoperiostlappen gehoben, wobei nur bis zu der mukogingivalen Grenze freigelegt wurde. Nachdem das Implantatbett dargestellt wurde, wurde das Weichgewebe krestal und am parodontalen Defekt entfernt. Die Osteotomie wurde mit niedriger Umdrehungszahl und Kühlung durchgeführt. Das vorhandene Knochenangebot erlaubte uns, eine Osteotomie für ein Implantat mit 4,6 mm Durchmesser und 9 mm Länge zu präparieren. Anschließend wurde das Implantat inseriert und lingual auf Knochenniveau gesetzt. Bukkal lagen 0,5 mm des Implantathalses frei.1–5 Zum Schluss wurde der parodontale Defekt an 46 mit einem langsam resorbierbaren Knochenaufbaumaterial und autologem Knochen aufgefüllt (Abb. 3 und 4).
Der zweite Patient bekam ebenfalls ein Implantat mit 4,6 mm Durchmesser und 9 mm Länge. Die ausgeprägte Linea mylohyoidea machte es notwendig, ein konischeres Implantat im unteren Drittel zu verwenden. Die Knochenqualität war mit D3 krestal und D2 apikal ausreichend für das Implantat, welches mit über 35Ncm eingedreht wurde.
Das eingeschraubte Abutment hatte eine Kragenhöhe von 1,8 mm mit Mikrorillen.6–10 Die Verschlusskappe dient dem Schutz des Schraubenzugangs vor Essensresten und Belägen und wurde eingeschnappt, nicht zementiert. Der Lappen wurde lediglich mit einer einzelnen Figure 8 Naht distal an 46 fixiert.
Die radiologische Kontrolle zeigte ein achsengerecht gesetztes Implantat 47 mit circa 2 mm Abstand zum Alveolarkanal. Das Abutment wurde nachträglich mit Drehmoment nach Herstellerangaben eingezogen, um einen sicheren Sitz zu garantieren. Beim zweiten Patienten betraf der Sicherheitsabstand ca. 3 mm (Abb. 5–7).
Prothetik
Nach Einheilung ohne Komplikationen wurde die Verschlusskappe entfernt, die Abdruckkappe eingeschnappt und eine konventionelle Abformung einzeitig zweiphasig durchgeführt. Das Abument wurde nicht entfernt, da das Implantatanalog One-Piece mit dem Aufbau vom Hersteller im Kit mitgeliefert wurde. Ebenso das im Prothetik-Kit erhaltene Auswachskäppchen, passgenau zur Hohlkehle des Abutments. Dadurch brauchte der Techniker keinen Rand zu modellieren, sondern lediglich nur die Krone auf das Käppchen (Abb. 8).
Nach einer Woche Herstellungszeit wurden die endgültigen Suprakonstruktionen eingesetzt und anschließend radiografisch kontrolliert. Die mesiodistale Ausdehnung der Okklusion beim ersten Patienten wurde distal reduziert, um die Hygiene zu erleichtern und mesial verlängert, um einen adäquaten Approximalkontakt zu realisieren.
Diskussion
Die schwer zugängliche Region und die vollständige Zahnreihe erschweren einen potenziellen Knochenaufbau. Die Notwendigkeit einer Augmentation ist in diesen Fällen fragwürdig. Gleichzeitig verhindert man Schwellungen und Einblutungen dadurch, dass man die mukogingivale Grenze nicht überschreitet. Zudem kommen auch die kurze Behandlungszeit, das minimierte Komplikationsrisiko und der Komfort für den Patienten postoperativ.
Die Insertion eines, nach der allgemeinen Auffassung, kurzen Implantates von 9mm, birgt keine Risiken in Bezug auf den langfristigen Erfolg. Studien haben gezeigt, dass die Erfolgsquote, beziehungsweise die Überlebenschancen von kürzeren Implantaten, nicht geringer sind als reguläre Längen.15–18
Der im unteren Drittel stark konische Implantatkörper eignet sich hervorragend, um in der Nähe von anatomischen Besonderheiten zu implantieren. So ist die linguale Perforation verhindert.13,14 Je nach Ausprägung der Linea mylohyoidea wäre bei einem weniger konischen oder gar parallelwandigen Implantat eine noch kürzere Länge notwendig. Das reverse Buttress-Gewinde bewirkt eine hervorragende Primärstabilität auch im weichen Knochen. Zusätzlich ist das Eindrehen leichter, weil mit weniger Umdrehungen eine längere Strecke überwunden wird.11,12
Die Laser-Lok-Oberfläche am Implantathals verspricht ein Anwachsen der Faser. Durch die Verwendung des endgültigen Abutments bei der Implantation, während frische Wundränder geschaffen wurden, verstärkt diesen Effekt. Dadurch entsteht um das gewählte Implantat herum eine Zahnfleischmanschette, die, nach Ausheilung, nicht sondiert werden kann und den krestalen Knochen schützt.1–5 Bewusst wurde in beiden Fällen auf ein Platform Switching verzichtet, damit man ein möglichst breites Emergenzprofil erschafft und die Mundhygiene erleichtert.
Das vorgefertigte Abutment trägt eine Hohlkehle und eine ideale, für das Zementieren der Suprakostruktion, Konizität. Eine Freilegung ist überflüssig und die Abformung erfolgt leicht mittels Abformkappe. So wird dem Patienten eine zweite Operation für die Freilegung und ein weiterer Termin für die Abdrucknahme erspart.
Natürlich verlangt sowohl das Abutment des verwendeten Implantats als auch das gesamte Konzept eine genau präoperative Planung. Der Zahnarzt muss im Vorfeld entscheiden, welche Kragenhöhe und welche Stumpflänge das Abutment haben muss. Es muss genug Platz für die Modellation der Suprakonstruktion vorhanden sein, aber das Verhältnis zwischen Implantat- und Kronenlänge muss für eine festsitzende Suprakonstruktion mindestens 1 sein. Eine Analyse der Qualität und Dicke des Weichgewebes ist ebenso unerlässlich. Für alle diese Faktoren genügen allerdings eine Röntgenaufnahme und Punktion des Weichgewebes mit einer PA-Sonde.
Bei der Zahntechnik erleichtert die Wachskappe die Herstellung enorm. Ränder und Passgenauigkeit sowie Platz für den Befestigungszement sind vorgegeben und als Informationen in der Wachskappe beinhaltet.
Dieses Behandlungskonzept basiert auf Effektivität und Patientenkomfort. Die Patienten sind dankbar, wenn der Behandler einfache und schnelle Lösungen anbieten kann, ohne Einbuße in der Qualität. Durch solche moderne Systeme und Komponenten wird die Arbeit des Behandlers, Prothetikers und Zahntechnikers erleichtert.
Eine genaue Planung in Bezug auf die Implantatposition, Höhe des Abutments und Lappenbildung ist unabdingbar. Zusätzlich konnten in diesem Fall Planungskosten, Materialkosten, Betriebsstunden und Herstellungskosten eingespart werden, welche die Patientenzufriedenheit und Praxiswirtschaftlichkeit erhöht haben.
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Autoren: Dr. Nikolaos Papagiannoulis, Dr. Marius Steigmann, ZTM Sasa Mitrovic, Dr. Olaf Daum