Implantologie 14.06.2013

Ästhetische Ergebnisse mit transgingival einheilenden Implantaten



Ästhetische Ergebnisse mit transgingival einheilenden Implantaten

„Um ein ästhetisch ansprechendes Ergebnis der Implantatbehandlung zu erreichen, ist das tief subgingivale Setzen der Implantate auf/unter Knochenniveau notwendig und die geschlossene, subgingivale Einheilung“ – das ist heute eine unbestrittene dominierende Lehrmeinung in der zahnärztlichen Implantologie. Der Autor geht dennoch einen anderen Weg und beschreibt die Implantation mit transgingival einheilenden Implantaten.

Bei der Implantatbehandlung mit tief subgingivalen Implantaten auf/unter Knochenniveau und die geschlossene, subgingivale Einheilung sind die Papillen danach oft, wenn überhaupt, vorhanden, asymmetrisch und zu kurz. Sehr häufig ist, dass sich das um die Emergenz der Implantatkronen befindliche Gewebe danach vernarbt, glatt und aufgequollen zeigt, Zeichen einer chronischen Entzündung. Spätestens seit den Studien von Zipprich (Ursachen und Folgen von Mikrobewegungen am Implantat-Abutment-Interface – 2007) ist klar:

Tief subgingival, manchmal subossär liegende Verbindungsspalte, stellen eine „Bakterien-Autobahn“ in die Tiefe der Gewebe dar, ermöglichen die Penetration von Mikroorganismen aus der Mundhöhle bis tief in Bereiche, in denen sie ungesund sind. Abgesehen davon, dass die Ergebnisse einer subgingivalen Implantation selten einer wirklich kritischen Beurteilung nach den objektiven Kriterien der Zahnästhetik/der gingivalen Ästhetik (z.B. nach Magne, Fradeani oder Fürhauser) standhalten, haben sie handfeste funktionelle Nachteile: meist entwickeln sich in den Hohlräumen der Implantate und der Suprakonstruktionen Anaerobier. Die Folge ist ein fauliger Mundgeruch, welcher die Lebensqualität des Implantatträgers nachträglich beeinträchtigt. Die Reinigung der 5–8 mm tiefen periimplantären „Tasche“ ist fast nicht möglich, und chronische Mukositis und Periimplantitis sehr oft die Folge.

Verwendung von transgingival heilenden Implantaten

Die Verwendung eines klassischen transgingival heilenden Implantates mit Tulpe hilft, viele dieser Probleme zu vermeiden: das Implantat-Abutment-Interface befindet sich weit weg vom Knochen und lässt auf Gingivaniveau genügend Raum für die Ausbildung einer gesunden biologischen Breite (Abrahamsson, Lindhe, Hermann). Die klinische Krone wird deutlich kürzer, weil das Implantat höher steht und die Krone weniger tief reichen muss. Als Folge werden auch die Kräfte, welche auf die Implantat-Abutment-Verbindung wirken, deutlich geringer sein, weil der Hebelarm, über den die Kaukräfte einwirken, kürzer ist. Daraus ergibt sich weniger Mikrobeweglichkeit, weniger Schraubenlockerungen, weniger Frakturen, weniger Ärger. Ästhetisch jedoch besteht bei der Verwendung von transgingivalen Implantaten ein Problem: die Sichtbarkeit des grauen Schimmers des Titans am Gingivalsaum.

Daraus ergeben sich folgende Fragen: Ist dieses Problem lösbar? Ist es möglich, die Vorteile der supraossären, transgingival heilenden Implantate zu nutzen, die Nachteile der subgingivalen Techniken zu umgehen und trotzdem ästhetisch ansprechende Ergebnisse zu erreichen? Folgender Patientenfall soll hier eine Antwort geben.

 

Der Patientenfall

Die Zähne 11 und 21 der vitalen 71-jährigen Frau waren endodontisch und chirurgisch austherapiert. Die Patientin litt unter chronischen Schmerzen, röntgenologisch ist der Zustand nach WSR erkennbar (Abb. 1). Die Extraktion der beiden mittleren Schneidezähne war unumgänglich (Abb. 2). Sie wurden in Lokalanästhesie sorgfältig luxiert, um die vestibuläre Knochenlamelle nicht zu brechen. Nach der Extraktion waren, wie zu erwarten, die beiden knöchernen Defekte apikal tastbar. In diesem Bereich war die vestibuläre Kompakta nach den vorhergehenden WSR und den chronischen entzündlichen Prozessen perforiert, die Schleimhaut ließ sich ausbeulen. Die beste Vorgehensweise in dieser Situation ist meiner Meinung nach ein Schnitt in die alte WSR-Narbe. Vorsichtig aufgeklappt, gibt die Schleimhaut den sicheren Zugang zu den apikalen Defekten frei (Abb. 3 und 4). Dabei wird das Gewebe um den Alveolarrand nicht berührt, die Papillen geschont, die vestibuläre Alveolarwand nicht deperiostiert, um die Vitalität des dünnen, sensiblen Knochens nicht zu gefährden.

Gleichzeitig ist jedoch die sichere Entfernung des Granulationsgewebes problemlos möglich. Die knöchernen Defekte wurden ebenso wie die Restalveolen vorsichtig mit geringer Drehzahl und unter Kühlung mit isotonischer Kochsalzlösung ausgebohrt und ausgiebig gespült. Die Implantate wurden gemäß meinem entworfenen „Biologische Breite Protokoll“ mit dem Rand der Plattform auf Höhe der Schmelz-Wurzelzement-Grenze der beiden Nachbarzähne mittig in die Alveolen gesetzt. Der Randspalt wurde mit Knochenregenerationsmaterial (Bio-Oss, Geistlich Biomaterials) augmentiert, ebenso die apikalen Defekte. Diese wurden auch mit Kollagenmembran gedeckt (Bio-Gide, Geistlich Biomaterials), die Inzision mit Cytoplast 5,0 Naht fortlaufend vernäht (Abb. 5). Während die Kontrollaufnahme (Abb. 6) entwickelt wurde, habe ich die Zeit genutzt, um den Kofferdam anzulegen. Die vorab gefertigte Marylandbrücke wurde sofort, post OP, adhäsiv mit Multilink zementiert (Abb. 7).

Die Wundheilung verlief wie erwartet problemlos. Fünf Monate post OP, nach Entfernen der Marylandbrücke, waren die Implantate reizlos eingeheilt (Abb. 8). Laut „Biologische Breite Protokoll“ ist die Vorgehensweise nun schnell und einfach, wie an einem natürlichen Zahn: Gingivektomie mittels Elektrotom (Abb. 9), die Massivabutments mit 35 Ncm festschrauben, Präparieren der Abutments und der Implantatschulter mit rotem Winkelstück und Hartmetallfräsen (Abb. 10). Dabei wird der Implantatschulterrand analog, wie an einem natürlichen Zahn, girlandenförmig der Anatomie des Kieferkammes folgend, circa 1,5–2 mm subgingival versenkt. Durch die Präparation wird aus dem Implantat mit der platten, anatomisch ungünstigen Plattform ein individualisiertes, der lokalen Kieferkammanatomie angepasstes „Scaloped Implant“ (Lamb, Tarnow, Sclar). Nun werden die Retraktionsfäden wie in der konventionellen Prothetik gelegt und klassisch abgeformt (Abb. 11).

Anschließend werden Zahnkranz und Modelle konventionell und günstig, ohne teure Laboranaloge, aus Superhartgips (Fuji, GC Germany) angefertigt, gesägt, einartikuliert und VM-Kronen im Labor hergestellt (Abb. 12 und 13). Zeitnah fand der Eingliederungstermin mit der Patientin statt. Die Kronen sind leider etwas zu hell, auch die Form könnte optimiert werden – aber die Reaktion der Patientin war sehr positiv. So haben wir uns entschieden, die anderen Zähne anzupassen. Die Gingiva ist auf den Abbildungen nach dem Entfernen der Kleberreste mit Superfloss noch leicht gereizt. Dennoch zeigen die symmetrischen, erhaltenen Papillen in der Frontalansicht und die Wölbung der Alveolarränder in der Lateralansicht ein gelungenes Ergebnis (Abb. 14 und 15).

Diskussion

Vier Jahre später ist das Ergebnis stabil (Abb. 16 und 17). Lediglich die Wölbung der Alveolarränder ist fast unmerklich flacher geworden: die Implantate sind dünner als es die natürlichen Zahnwurzeln waren, ein gewisses Remodelling des Alveolarkammes ist deshalb unumgänglich und vorhersehbar. Die Schleimhaut ist rosig und reizfrei, die natürliche Stippelung der gesunden Gingiva fixa ist erhalten, und es gibt keine Narben im sichtbaren Bereich. Die Nachbarzähne sind mit Veneers entsprechend dem Patientenwunsch angepasst worden. Die Sondiertiefe um die Implantate beträgt analog wie an den gesunden Nachbarzähnen 2 mm. Nach diesem Protokoll gesetzte und versorgte Implantate verhalten sich wie einteilige Implantate, haben keine Hohlräume, die von Bakterien besiedelt werden können, keine Schrauben, die sich lockern können, und keine Mikrobeweglichkeit. Würde sich eine Beweglichkeit unter Belastung ergeben, würde sich die zementierte Krone sofort lockern, was mir jedoch bis heute noch nie passiert ist. Als Folge der dichten, mechanisch stabilen Implantat-Kronen-Verbindung und weil beim mehrfachen Abriss des hemidesmosomalen Attachments infolge mehrmaliger Manipulationen mit Gingivaformern und Langzeitprovisorien ausbleiben, bleibt knöchernes Remodelling auch nach vier Jahren um die Implantate weitgehend aus (Abb. 18).

Das „Biologische Breite Protokoll“ ermöglicht in Verbindung mit transgingival heilenden Implantaten zuverlässige, langzeitstabile ästhetische Ergebnisse. Selbst in Risikofällen wie diesem, mit extrem hoher Lachlinie und dünner Gingiva, implantiere ich nach diesem Vorgehen. Sollte es dennoch eine kleine Rezession während der Wundheilung geben, präpariere ich demnach wenige Millimeter tiefer (Abb. 19). Falls über die Jahre infolge der physiologischen Gingivarezession (0,1 mm/Jahr durchschnittlich), wie sie an natürlichen Zähnen auftritt, irgendwann die Kronenränder an den Implantaten freiliegen, gehe ich hierbei vor wie am natürlichen Zahn: Krone entfernen, Präparationsgrenze tiefer legen, abformen und eine neue Krone. Diese Korrekturmöglichkeit ist ein weiterer und für mich sehr entscheidender Vorteil dieser Vorgehensweise. Dank der einfachen und jedem Zahnarzt vertrauten prothetischen Versorgung (ohne Spezialteile), dem geringen notwendigen Zeitaufwand durch nur einen chirurgischen Eingriff, freut sich die Patientin auch Jahre später über eine fast schmerzfreie Versorgung. Die Patientin entschied sich darüber hinaus für Veneers an den Zähnen 13, 12, 22, 23 (Abb. 19 und 20) und war in ihrer Lebensqualität kaum beeinträchtigt.

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