Cosmetic Dentistry 31.08.2023

Moderne defektbezogene Frontzahnästhetik



Moderne defektbezogene Frontzahnästhetik

Foto: edel & weiss, Dres. Schwenk, Striegel, Göttfert & Kollegen

Viele Zahnärzte, aber auch viele Patienten denken, dass eine ästhetische Korrektur der (Front-)Zähne mit invasivem Beschleifen der Zähne einhergehen muss. Die Diskussion, ob für eine ästhetische Behandlung gesunde Zähne beschliffen werden dürfen, wird seit jeher hitzig geführt. Es kann beobachtet werden, dass sich zwei Lager mit konträren Meinungen gebildet haben. Nach Meinung der Autoren sollte diese Entscheidung immer patienten- und zahnindividuell getroffen werden.

Vermehrt lässt sich leider immer wieder feststellen, dass ästhetische Behandlungen mit massiver Verletzung der Zahngesundheit durchgeführt werden. Für die Korrektur leichter Zahnfehlstellungen oder Zahnfarben werden die entsprechenden Zähne teilweise für Vollkronen zu dünnen Stümpfen präpariert. In diesem Beitrag soll gezeigt werden, wie eine Verbesserung der Ästhetik und die Wahrung der Zahngesundheit Hand in Hand gehen können. Defekt- und indikationsbezogen sollte genau abgewogen werden, wie die ästhetische Verbesserung minimalinvasiv erzielt werden kann.

Ausgangssituation

Die Patientin störte sich an ihren verfärbten und unnatürlich aussehenden mittleren Schneidezähnen. Diese waren bei einem Frontzahntrauma teilweise abgebrochen und von einem Zahnarzt alio loco mit Komposit wiederaufgebaut worden. Wie auf den Abbildungen 1a und b zu sehen ist, stechen die Füllungen durch Form, Farbe und Oberflächentextur aus dem Lächeln der Patientin klar hervor. Die lateralen Schneidezähne und Eckzähne sind naturgesund. Zusätzlich sind kleine Lücken in der Front zu erkennen. Die unästhetischen Kompositfüllungen und die Lückenstellung (Abb. 1a und b) sollten auf Wunsch der Patientin zahnhartsubstanzschonend verbessert werden. Mit ihr wurden verschiedene Behandlungsmöglichkeiten besprochen und dann zusammen entschieden, dass der Erhalt von naturgesunder Zahnhartsubstanz an erster Stelle steht. Eine kieferorthopädische Vorbehandlung wollte die Patientin aus Zeitgründen vermeiden.

Die Versorgung wurde abhängig von der Defektgröße gewählt. Da die mittleren Schneidezähne bereits ausgeprägte Substanzdefekte aufwiesen, musste für minimalinvasive Veneers aus Keramik fast keine gesunde Zahnsubstanz abgeschliffen werden.1 Da die lateralen Schneidezähne naturgesund sind und nur leicht vergrößert werden mussten, wurde hier rein additiv mit Komposit gearbeitet.2

Behandlungsablauf

Nach der Vorbehandlung, die eine professionelle Zahnreinigung, das Austauschen von insuffizienten Füllungen und Versorgen kariöser Läsionen einschloss, wurde ein Bleaching durchgeführt. Vor jeder prothetischen Versorgung in unserer Praxis wird mit dem Patienten besprochen, ob er mit der momentanen Zahnfarbe zufrieden ist oder diese vor der Anfertigung des Zahnersatzes aufgehellt werden soll. Als erster Schritt wurde der Zahnfleischverlauf mit einem Elektrotom harmonisiert (Abb. 3). Der Aufbau der lateralen Schneidezähne sollte vor der Präparation der Einser stattfinden. Das Vorgehen, mit dem diese Zähne aufgebaut werden sollten, ist bekannt unter dem Namen Flowable Injection Technique.3 Die Frontzähne wurden gesäubert und poliert, um mögliche Verunreinigungen zu entfernen und die adhäsive Haftung zu maximieren. Um die Nachbarzähne zu schützen, wurde je ein Teflonband über die angrenzenden Zähne gezogen. Zur Konditionierung der aufzubauenden Zähne wurde 35%ige Phosphorsäure (K-ETCHANT, Kuraray Noritake Dental Inc.) für 60 Sekunden auf den unbeschliffenen Schmelz aufgetragen.4 Im Anschluss folgte das Universaladhäsiv (CLEARFIL™ Universal Bond Quick, Kuraray Noritake Dental Inc.) und wurde lichtgehärtet. Nun wurde das fließfähige Komposit (CLEARFIL MAJESTY™ ES Flow High A1, Kuraray Noritake Dental Inc.) mittels durchsichtigem Silikonschlüssel auf den Zahn aufgebracht. Der Silikonschlüssel wurde durch das Labor auf einem idealisierten Wax-up hergestellt. Wie auf den Abbildungen 4a–d zu sehen ist, wird der Schlüssel über den konditionierten Zahn und die Teflon-Bänder gesetzt. Durch ein inzisales Loch im Schlüssel wird die Applikationskanüle geführt und das Komposit langsam eingespritzt. Es wird so lange gefüllt, bis der Raum zwischen Zahnoberfläche und Silikonschlüssel vollständig mit Komposit gefüllt ist. Es ist darauf zu achten, dass die Applikationskanüle während des Einfüllens langsam herausgezogen wird, um eine Blasenbildung zu vermeiden. Sobald das Komposit wie gewünscht appliziert ist, wird durch den Silikonschlüssel eine Lichthärtung durchgeführt.

Nach dem Entfernen des Schlüssels wird nochmals eine vollständige Lichthärtung durchgeführt. Nun werden die Teflon-Bänder entfernt und der Kompositaufbau vorsichtig ausgearbeitet und poliert (Abb. 5a und b). Der Zahntechniker sollte bei der ästhetischen Gestaltung des Wax-ups sorgfältig vorgehen – dann zeigt der fertige Kompositaufbau bereits alle morphologischen Merkmale, die den Zahn natürlich wirken lassen. So muss nur noch die Oberfläche poliert werden, um die gewünschten Lichtreflexionen zu zeigen und den Zahn natürlich wirken zu lassen.Aufgrund des großen Substanzdefekts sollten die mittleren Inzisiven mit keramischen Veneers versorgt werden.1 Da minimalinvasiv und defektbezogen präpariert werden sollte, wurden initial und bukkal die alten Kompositfüllungen entfernt. Nach Darstellung der natürlichen Zahnsubstanz wurde die Präparation nur noch geringfügig idealisiert. Es wurde zervikal eine minimale Hohlkehle angelegt, die nach approximal auslaufend gestaltet wurde. Abschließend wurden Kanten geglättet und die Präparation für eine bessere adhäsive Befestigungsmöglichkeit poliert.5,6 Es wurde darauf geachtet, möglichst viel gesunden Schmelz zu erhalten und die Präparationsränder ebenfalls in gesunden Schmelz zu legen, da sich dies positiv auf die zu erwartende Überlebensdauer der Veneersauswirkt.7 Die Situation nach der Präparation wurde mit dem Intraoralscanner (Trios, 3Shape) erfasst und an das hauseigene Labor übermittelt (Abb. 6a und b).

Das Provisorium für die mittleren Schneidezähne konnte analog zu den seitlichen Schneidezähnen mit dem vorgefertigten Silikonschlüssel erstellt werden. Die zwei Zähne wurden punktuell mit Phosphorsäure konditioniert und das Komposit ohne adhäsive Vorbehandlung aufgebracht. Zum Einsetztermin wurde das Provisorium entfernt, die Veneers anprobiert und die Zähne anschließend nochmals gründlich gereinigt. Die beschliffenen Zähne wurden mit Phosphorsäure konditioniert. Anschließend wurde das Universaladhäsiv aufgetragen, aber nicht lichtgehärtet. Die Veneers (Abb. 7) wurden mit Ethanol entfettet, mit Flusssäure konditioniert und mit einem Primer (CLEARFIL™ CERAMIC PRIMER PLUS, Kuraray Noritake Dental Inc.) bestrichen. Eingesetzt wurde mit CLEARFIL™ MAJESTY ES Flow Super Low (A1) (Kuraray Noritake Dental Inc.). Vor dem Lichthärten wurden Flow-Überschüsse mit Schaumstoffpellets und Zahnseide (Superfloss, Oral B) bestmöglich entfernt. Das Komposit wurde anschließend sorgfältig lichtgehärtet. Abschließend wurden restliche Adhäsiv- und Kompositüberschüsse mit einem scharfen Skalpell von der Oberfläche der Veneers entfernt. Würde man die Veneers im Mund nochmals polieren, würde die vom Zahntechniker eingearbeitete Oberflächenstruktur verloren gehen. In engem zeitlichem Abstand fand eine Kontrolle der eingesetzten Veneers statt (Abb. 8). Die Patientin wurde in das Prophylaxekonzept der Praxis überführt. So soll der Langzeiterfolg der Behandlung sichergestellt werden.

Fazit

Nach zahn- und patientenindividueller Situation sollte im Einzelfall entschieden werden, welche Restaurationsform die größten Vorteile bietet. In vielen Fällen ist heutzutage die Vollkrone obsolet. Mit dünnen Veneers und viel mehr Kompositrestaurationen stehen uns minimalinvasivere Methoden zur Verfügung. Durch die ästhetische Verbesserung der Behandlung wird dem Patienten eine höhere Lebensqualität geschenkt. Da diese Komponente oftmals große Auswirkungen hat, sprechen wir uns oft für eine ästhetische und gleichzeitig zahnsubstanzschonende Behandlung aus.

Eine Literaturliste steht Ihnen hier zum Download zur Vefügung.

Dieser Beitrag ist in der cosmetic dentistry erschienen.

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