Kieferorthopädie 20.06.2016
Fluoridhaltiger Lack schützt Zähne mit kieferorthopädischen Brackets
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Für einen lebenslangen Erhalt der natürlichen Zahnhartsubstanz werden die Weichen schon im frühen Kindesalter gestellt. Wer von Beginn an lernt, die Zähne richtig zu pflegen und regelmäßige Besuche beim Zahnarzt als selbstverständlich ansieht, der hat die besten Chancen, mit seinen eigenen Zähnen alt zu werden.
Dafür bedarf es zum einen der Mitarbeit der Eltern, die erste Maßnahmen der häuslichen Mundpflege durchsetzen müssen. Zum anderen sind in der Zahnarztpraxis auf die individuellen Risikofaktoren des Kindes abgestimmte präventive Maßnahmen durchzuführen. Auf Basis der vorgenommenen Risikoeinstufung sowie unter Berücksichtigung des Alters sind die Recallintervalle festzulegen und die individuellen Maßnahmen zu bestimmen.
Risikofaktor Brackets
Bei der Einstufung sind nicht nur vor der Compliance des Kindes und seiner Eltern abhängige Faktoren – z.B. die Einhaltung der Empfehlungen zur häuslichen Mundhygiene und zahngesunden Ernährung – zu berücksichtigen. Auch äußere Faktoren, wie beispielsweise die Behandlung mit festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen, können das Risiko erhöhen. Denn Brackets und Bögen bilden zusätzliche Retentionsflächen, an denen sich Speisereste und Bakterien festsetzen können. Zudem beeinflussen sie den natürlichen Speichelfluss und erschweren das Zähneputzen. Darum ist es sinnvoll, betroffene Patienten mit einem speziellen Präventionskonzept zu unterstützen und insbesondere die für Initialkaries anfälligen Bereiche rund um die Brackets mit einem besonderen Schutz auszustatten.
In unserer internationalen Praxis für Kinderzahnheilkunde und Kieferorthopädie in München kommt hierfür unter anderem das kunststoffmodifizierte Glasionomer-Versiegelungsmaterial Clinpro XT Varnish (3M) zum Einsatz. Es eignet sich überall dort, wo Zähne besonderen Schutz benötigen und kann beispielsweise auch zur Stärkung unreifen Zahnschmelzes bei Molaren im Durchbruch sowie zum Schutz erodierter Oberflächen angewendet werden.
Langanhaltender Schutz
Einmal auf die Zahnoberflächen aufgetragen, gibt das lichthärtende Versiegelungsmaterial über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten kontinuierlich Fluorid, Kalzium und Phosphat ab. Während dieses Zeitraumes lässt es sich mit fluoridhaltiger Zahncreme wieder aufladen. In-vitro-Studien bestätigten bereits, dass sich dank der speziellen Formulierung in den Bereichen unter der Schutzschicht sowie um diese herum eine Kariesinhibitionsschicht bildet.1 Der Entstehung von White-Spot-Läsionen wird so zuverlässig vorgebeugt. Dies bestätigen auch die Ergebnisse einer In-vivo-Studie aus Indien, die 2015 veröffentlicht wurden2 und im Rahmen derer mit Clinpro XT Varnish behandelte Zähne nahezu keine Anzeichen von Demineralisierung aufwiesen.
Die Anwendung des Materials als ortsspezifischer Schutz im Bereich kieferorthopädischer Brackets wird im Folgenden anhand eines Patientenfalles demonstriert.
Fallbeispiel
Die 13-jährige Patientin kam für das Einsetzen ihrer festsitzenden kieferorthopädischen Apparatur in unsere Praxis. Nach Befestigung der Brackets und vollständiger Aushärtung des Befestigungsmaterials erfolgte die Behandlung mit Clinpro XT Varnish. Hierfür wurden die Zahnoberflächen zunächst mit einer Polierbürste sorgfältig gereinigt (Abb. 1). Primäres Ziel dieses Vorganges war im vorliegenden Fall nicht die Plaqueentfernung, sondern die Beseitigung von Verunreinigungen durch das Befestigungsmaterial. Um eine optimale Reinigungswirkung zu erzielen, empfiehlt sich die Verwendung von Polierpaste (z.B. Clinpro Prophy Powder, 3M) (Abb. 2). Wichtig ist, dass kein ölhaltiges Reinigungsmittel eingesetzt wird.
Anschließend wurden Reste der Polierpaste mit Wasser entfernt (Abb. 3) und die Oberflächen sanft mit Luft getrocknet (Abb. 4). Dabei sollten Wasser- und Speichelansammlungen verblasen, die Bereiche um die Brackets aber nicht vollständig getrocknet werden. Für die Anwendung des Ätzmittels ist eine leicht feuchte Oberfläche ideal.
Auf die so vorbereiteten Oberflächen wurde 35-prozentiges Phosphorsäuregel appliziert (Abb. 5). Laut Gebrauchsanweisung ist dieses nach einer Einwirkzeit von 15 bis 60 Sekunden mit Luft-Wasser-Gemisch zu entfernen. Im vorliegenden Fall erfolgte dieser Behandlungsschritt nach rund 30 Sekunden (Abb. 6). Damit ist die Konditionierung der Zahnhartsubstanz abgeschlossen.
Für die Applikation des aus Paste und Flüssigkeit bestehenden Clinpro XT Varnish ist zunächst ein manueller Mischvorgang erforderlich. Hierfür wird im ersten Schritt eine geringe Menge des Zwei-Komponenten-Materials auf einen Anmischblock ausgegeben und verworfen, um die gleichmäßige Dosierung sicherzustellen. Danach erst wurde die für die Applikation benötigte Menge des Materials auf den Block gegeben (Abb. 7). Die Dosierung mit dem Clicker Dispenser ist dabei einfach, da automatisch das vorgegebene Mischverhältnis eingehalten wird. Die beiden Komponenten wurden rasch mit einem Spatel vermischt (Abb. 8), bis eine homogene, glänzende Masse entstand.
Schließlich wurde der Varnish in einer sehr dünnen Schicht (max. 0,5 mm) auf die Zahnsubstanz rund um die kieferorthopädischen Brackets appliziert (Abb. 9).
Ein Kontakt mit Weichgewebe sollte vermieden werden. Lichtgehärtet wurde die Schutzschicht für 20 Sekunden pro Zahn (Abb. 10). Wird das Material einmal in Bereichen aufgetragen, die mittels Polymerisationsgerät nicht zu erreichen sind, stellt dies kein Problem dar: Der verzögerte Selbsthärtungsmechanismus sorgt hier dafür, dass eine komplette Durchhärtung des Varnish erfolgt.
Fazit
Durch die beschriebene Behandlung lässt sich auf Zahnoberflächen mit erhöhtem Kariesrisiko ein ortsspezifischer Schutz aufbauen. Durch sie wird die Zahnhartsubstanz kontinuierlich mit Fluorid, Kalzium und Phosphat versorgt, während säurehaltige Lebensmittel, Plaque und Bakterien ferngehalten werden. Um einen optimalen Effekt zu erzielen, ist die Behandlung zweimal jährlich zu wiederholen. Dabei ist es jederzeit möglich, das Material durch Anwendung einer groben Polierpaste zu entfernen.
Literatur:
1 Rusin et al., Demineralization Protection of a New Protective Coating. J. Dent. Res. 87 (Spec Iss B): #627, 2008.
2 Mehta A., Paramshivam G., Chugh V. K., Singh S., Halkai S., Kumar S. Effect of light-curable fluoride varnish on enamel demineralization adjacent to orthodontic brackets: an in-vivo study. Am J Orthod Dentofacial Orthop. 2015 Nov; 148(5): 814–20. doi: 10.1016/j.ajodo.2015.05.022.