Kieferorthopädie 15.08.2011
Keine signifikanten Unterschiede
share
Neben der Klebetechnik und Materialkunde zählt vor allem auch die Biomechanik zu den Forschungsschwerpunkten von Univ.-Prof. Dr. Hans-Peter Bantleon. So veröffentlichte der amtierende Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kieferorthopädie hierzu bereits zahlreiche Studien, dabei u.a. auch zu biomechanischen Aspekten aktiver wie passiver selbstligierender Bracketsysteme. KN bat ihn hinsichtlich des diesjährigen SLB-Themenschwerpunktes zu Wort.
Warum benutzen Sie so gern den Begriff „ligaturenfreie Brackets“? Ist „selbstligierend“ ein Misnomer?
Alle sogenannten „selbstligierenden“ Brackets (SLB) weisen entweder einen Klapp-, Schiebe- oder klammerartigen Haltemechanismus zur Drahtfixierung im Bracketslot auf. Dieser Haltemechanismus muss aktiv geschlossen werden, daher sollten diese Brackets nach Prof. Wehrbein als ligaturenfreie Brackets (LFB) bezeichnet werden.
SLB wurden seit 2005 als „Allheilmittel“ hoch euphorisch gelobt, nun gehen viele Kliniker und selbst Firmen auf Distanz dazu. Wo liegt Ihrer Meinung nach hier die klinische Wahrheit?
In einer systematischen Übersichtsarbeit anhand von 16 Studien fanden Chen et al* außer einer kürzeren Stuhlzeit und einer geringeren Proklination der Unterkieferfront (1,5° weniger bei ligaturenfreien Brackets) keine signifikanten Unterschiede zwischen ligaturenfreien und konventionellen Brackets.
Benutzen Sie in Ihrem klinischen Alltag hauptsächlich SLB? Forschen Sie weiterhin zu dieser Thematik?
Wir verwenden in der Klinik und in meinem Privatinstitut hauptsächlich ligaturenfreie Brackets. Nur im Studentenbetrieb werden konventionelle Brackets eingesetzt. Forschungsschwerpunkt sind derzeit dynamische Messungen von Dreibracketbeziehungen.
Glauben Sie, man könnte, alle 3-D- und biomechanischen Aspekte berücksichtigend, eine internationale DIN zum validen Testen und Vergleichen von Brackets und Bögen erarbeiten, oder ist dies Utopie?
Die Problematik von 3-D-Messungen liegt in der Auswertung der Messergebnisse aller drei Raumebenen, die durch eine Koordinatentransformation durchgeführt werden muss. Derzeit werden meist nur die Ergebnisse jeder einzelnen Raumebene aufgelistet, ohne dass der Gesamtvektor berechnet wird. Die statischen Messungen hinsichtlich Friktion müssten auch neu normiert werden, da bei einer Versuchsanordnung von mehreren Brackets mit vertikalen oder horizontalen Stufen auch immer die Verklemmung des Drahtes (binding) mitgemessen wird.
Wo sehen Sie die Zukunft der SLB und was würden Sie einem Kliniker raten – kaufen oder verkaufen?
Dies hängt von der Liebe zum Ein- und Ausligieren ab. Ich persönlich verwende weiterhin SLB (LFB) aus Gründen des Komforts.
Was ist aus Ihrer Sicht und rückblickend auf Ihre beeindruckende Karriere die klinisch wichtigste Entwicklung in der KFO?
Dazu zähle ich die neuen diagnostischen Verfahren (CT, DVT, MRT) und die Lösung von Verankerungsproblemen mit Miniimplantaten.
Haben Sie vielen Dank!
*S.S-H. Chen, G.M. Greenlee, J-E. Kim, C.L. Smith, G.J. Huang: Systematic review of self-ligating brackets, Am J Orthod Dentofac Orthop 137;2010:726e.1–726e.18.