Oralchirurgie 09.06.2011
3-D-Planung und navigierte Implantation
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Patienten stellen heute immer höhere Erwartungen an implantologische Behandlungsergebnisse. Zusätzlich wird eine möglichst kurze Behandlungsdauer bei geringem Operationstrauma gewünscht. Auch aus forensischen Überlegungen stellt sich häufig die Frage nach dreidimensionaler Bildgebung. Vorteile, Strahlenbelastung und Kosten sollten sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Geplante Implantatpositionen können durch navigierte Implantation meist sicher erreicht werden. Insbesondere bei komplexen chirurgisch-prothetischen Fällen ist ein geplantes Ergebnis durch navigierte, geführte Chirurgie sicherer umsetzbar.
Die Implantologie hat sich seit der Einführung in die Zahnheilkunde rasant entwickelt. Anfänglich kamen Implantate nur in Fällen zum Einsatz, die konventionell prothetisch nicht mehr versorgbar waren. Während damals Implantate als letzte Chance angesehen wurden, hat sich der Anspruch an implantologische Behandlungsergebnisse wesentlich verändert. Um gesunde Zahnhartsubstanz zu schonen, werden heute häufig verloren gegangene Zähne durch Implantate ersetzt. Dabei erwarten Patienten einerseits den möglichst naturidentischen Ersatz ihrer eigenen Zähne – insbesondere im Frontzahnbereich (Abb. 1), und andererseits besteht der Wunsch nach minimalinvasiven chirurgischen Eingriffen. Die reduzierte Darstellung des OP-Gebietes bei minimalen oder sogar lappenfreien Zugängen – insbesondere in Unkenntnis der dritten Dimension – birgt die Gefahr der Verletzung von anatomischen Nachbarstrukturen (Abb. 2).
Eine dreidimensionale Darstellung des Implantatlagers kann durch ein Spiralcomputertomogramm (CT) oder ein digitales Volumentomogramm (DVT) erfolgen. Im Gegensatz zum Spiral-CT wird beim DVT die Aufnahme mit nur einem Umlauf um den Patienten erstellt. Dabei liegt die Strahlenbelastung für den Patienten im DVT abhängig vom jeweiligen Gerätetyp, des bestrahlten Areals (Field of view – FOV) und der bestrahlten Gewebe nur bei ca. 20% des CT.5 Wie bei allen Röntgenuntersuchungen gilt auch in der Implantologie das ALARA (as low as reasonably achievable) Prinzip. Dies stellt sich auch in der aktuellen Röntgenverordnung dar, in der gefordert wird, dass der Nutzen einer Maßnahme für den Patienten überwiegen muss. Weil das DVT in der Darstellung der Hartgewebe dem CT mindestens gleichwertig ist und Metallartefakte weniger stark ausgeprägt sind, sollte das DVT für die implantologische Planung heute die dreidimensionale Aufnahme der Wahl sein. Die dreidimensionale Darstellung zeigt Knochendefizite und anatomische Besonderheiten auf, die durch klassische Panoramaschichtaufnahmen nicht darstellbar sind (Abb. 3).
Damit im DVT gewonnene diagnostische Daten intraoperativ erfolgreich umgesetzt werden können, bieten verschiedene Hersteller Implantat-Planungssoftware an. Bei komplexen Fällen bietet sich eine radiopake Scanschablone (Abb. 4) an, damit die Implantatpositionen unter prothetischen Gesichtspunkten gewählt werden können. In der Navigationssoftware wird die Implantatposition exakt festgelegt (ExpertEase, DENTSPLY Friadent, Mannheim) (Abb. 5). Die Umsetzung in eine Bohrschablone für ein navigiertes OP-Protokoll erfolgt meist über CAD/CAM-Verfahren. Die intraoperative Befestigung der Bohrschablonen ist abhängig von der vorhandenen Restbezahnung und vom geplanten chirurgischen Vorgehen. Während zahngetragene und knochengetragene Schablonen meist sicher und fest positionierbar sind, können schleimhautgetragene Schablonen durch die Resilienz der Gingiva eher Ungenauigkeiten aufweisen.8
In den Anfängen der navigierten Chirurgie kamen Führungsschablonen zum Einsatz. Bei der Verwendung wurden drei bis vier Schablonen mit unterschiedlichen Durchmessern der Bohrhülsen benötigt. Der Schablonenwechsel erschwerte den OP-Ablauf erheblich (Abb. 6). Mit der Einführung der sogenannten „Full-guided“-Systeme wurde es möglich, die komplette Aufbereitung des Implantatbetts durch eine Schablone durchzuführen.
Falldarstellung
Beispielhaft ist ein Fall mit einer zahngetragenen Schablone dargestellt. Die ExpertEase-Bohrschablone (Abb. 7) wird über die Zähne fixiert. Dadurch ist eine exakte Position der Navigationsschiene hergestellt. Nach der Stanzung durch die Bohrschablone und Exzision des Weichgewebes inklusive des Periosts erfolgt die Pilotbohrung in der geplanten Länge (Abb. 8). Ebenso ist ein Zugang mit einem Mukoperiostlappen möglich, je nach Präparationsform muss dafür eventuell eine Perforation der Bohrschablone erfolgen. Durch die Hülsen wird das Implantatbett in aufsteigender Bohrergröße aufbereitet, dabei wird die Führung der Sleeve-on-Drills über die Hülse sowohl in der Richtung als auch in der Präparationstiefe geführt (Abb. 9). Bei der Insertion des Implantats (XiVE® S, Ø 3,8mm, Länge 13mm, DENTSPLY Friadent, Mannheim) muss die Oberkante des Einbringinstruments mit der Führungshülse bündig abschließen. Die Markierungspunkte stellen die richtige Ausrichtung der Implantatinnengeometrie sicher (Abb. 10). Nach Entfernung des Einbringinstruments kann die TempBase (Abb. 11) entnommen oder zur provisorischen Versorgung des Implantats benutzt werden. Die postoperative Panoramaschichtaufnahme (zur Verdeutlichung der Implantatschulter mit Verschluss-Schraube) zeigt die exakte Umsetzung der geplanten Implantatposition (Abb. 12). Direkt postoperativ erfolgt die Versorgung mit einem laborgefertigten Provisorium (Abb. 13). Bei Sofortversorgungen von Einzelzahnimplantaten in der Front sollten keine statischen und dynamischen Okklusionskontakte auf dem Provisorium bestehen. Weiche Kost und Schonung des Implantats in den ersten vier Wochen tragen wesentlich zum Erfolg bei. Nach Einheilung und Ausformung der Weichgewebe kann die definitive prothetische Versorgung erfolgen.
Diskussion
Im dargestellten Fall konnte eine zufriedenstellende Umsetzung der präoperativen Implantatplanung erreicht werden. Bei chirurgischer Verwendung von konventionellen Orientierungsschablonen zeigt sich in mehr als zwei Dritteln der operierten Fälle eine Winkelabweichung von mehr als 5 Grad und eine Positionsabweichung von mehr als einem Millimeter.8
Literatur
Die Verwendung von DVT-basierten Schablonen wird in der Präzision in der Literatur unterschiedlich eingeschätzt. Während Chiu et al. bei einer In-vitro-Studie zur navigierten Chirurgie mittlere Abweichungen von 0,43mm und vier Grad in der Angulation gefunden haben und mindestens 1,1mm Sicherheitsabstand zum Mandibularkanal empfehlen,1 zeigen sich in anderen Publikationen Abweichungen von bis zu 4,5mm.2 Da es in dieser Untersuchung auch in 42%(!) der Fälle zu Problemen bei der Positionierung der Bohrschablone gab, liegt der Verdacht nahe, dass in diesem Fall keine reproduzierbare Position der Bohrschablonen zu erreichen war. Knochen- und zahngetragene Bohrschablonen können präziser und reproduzierbarer in den Operationssitus eingebracht werden, als es mit schleimhautgetragenen Bohrschablonen möglich ist. Auch scheint die Qualität wesentlich vom Herstellungsprozess und der verwendeten Software abzuhängen. Während Wittwer et al. trotz transgingivaler Operation mit schleimhautgetragenen Schablonen lediglich von 0,7–0,9mm Abweichung berichteten,11 wichen die Implantatpositionen in der Untersuchung von Xiaojun trotz zahngetragener Schablonen um 1,2 bis 1,3mm ab.12 Van Assche et al. schlossen aus ihren Studien, dass beim Einsatz mit Bohrschablonen eine apikale Abweichung von 2,4mm und vier Grad Winkelabweichung einzurechnen sei,10 wohingegen andere Untersuchungen nur 1,25mm9 bzw. 0,86–0,95mm3 Abweichung zeigten. Ebenso zeigten Mischowski et al., dass in elf von zwölf Fällen das geplante Ergebnis vollständig erreicht werden konnte.6 Bei der Untersuchung verschiedener Guided-Surgery Systeme zeigten sich stark unterschiedliche Ergebnisse in der Abweichung.4 Neben der Art der Schablonenbefestigung und der Präzision bei der Herstellung der Schablone scheint auch eine Lernkurve bei der Benutzung dieser Systeme für das Ergebnis von Bedeutung zu sein.7 Wahrscheinlich hängt die erreichte Präzision von einer Kombination unterschiedlicher Faktoren ab. Neben der Aufnahmequalität, Artefakten in der Aufnahme und der Präzision bei der Umsetzung der geplanten Position in die Führungshülsen der Bohrschablone haben die sichere und stabile Lage der Schablone und die Erfahrung des Chirurgen Einfluss auf das Ergebnis. Die zusätzliche Strahlenbelastung durch DVT-Aufnahmen erscheint vertretbar zu sein, insbesondere wenn Operationstrauma und zusätzliche Eingriffe verringert werden können.
Schlussfolgerung
Auch mit navigierter Implantatchirurgie können Abweichungen von der geplanten Implantatposition auftreten. Die reproduzierbare Position der Bohrschablone sowie die Qualität der DVT-Aufnahme und auch die Erfahrung des Operateurs scheinen das Ergebnis maßgeblich zu beeinflussen. Mit navigierter Implantatchirurgie lässt sich ein angestrebtes prothetisches Ergebnis häufig sicherer erreichen.