Oralchirurgie 28.02.2011
Die Klaviatur der Schnittführung
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Zwei Operateure, zwei unterschiedliche Schnitte und eine operative Problematik: ein Fall, den wohl jeder praktizierende MKG-Chirurg kennt. Der folgende Artikel soll einige Anregungen geben, um verschiedene Schnittführungen zu hinterfragen und auch neue Ideen zu entwickeln.
Die Implantologie hat in den letzten Jahrzehnten eine rasante Entwicklung durchlaufen. Gerade mit den neuen augmentativen Verfahren kam es zu einer mehr parodontologisch angelehnten Verfahrensweise, um gute kosmetische Ergebnisse zu erzielen. Das verwendete Fadenmaterial hat sich grundlegend zum feineren entwickelt (Velvart 2002). Auch zahntechnisch gab es dazu die entsprechenden Entwicklungen. Durch erfahrene Implantologen konnten die Misserfolgsraten nach umfangreichen Analysen, auch von eigenen Fällen, deutlich gesenkt werden (Foitzik 2010).
Wagner und Weibrich (2004) konstatierten das Fehlen von umfangreichen wissenschaftlichen Studien zu Schnittführungen in der Implantologie und den entsprechenden Einfluss auf den langfristigen Erfolg der Osseointegration als auch der Regeneration der gingivalen Strukturen. Eine Studie von Scharf und Tarnow (1993) zeigte zwischen krestaler und mukobukkaler Schnittführung keine relevanten Unterschiede in der knöchernen Einheilung der verwendeten Implantate.
Generell kann zwischen folgenden Situationen unterschieden werden: normale Implantation, Sofortimplantation und Knochenaufbau allein oder simultan mit dem gleichzeitigen Setzen der Implantate; des Weiteren zwischen ästhetischer und nicht ästhetischer Zone. In der ästhetischen Zone sollten eher kleinere Schnittführungen und je nach Situation horizontale oder vertikale Vorgehensweisen gewählt werden.
Dabei ist die Frage, ob es einen entsprechenden Goldstandard in der Schnittführung gibt, um einen Kompromiss zwischen ästhetischem Ergebnis und sicherer Deckung zu finden. Wichtig ist natürlich auch die absolute Schonung benachbarter anatomischer Strukturen wie Nerven oder Gefäße (Lambrecht et al. 2008). Eine Erweiterung sollte bei auftretenden Komplikationen natürlich jederzeit möglich sein. Primär ist der Schnitt so zu planen, dass dies durch den Implantierenden eindeutig gewährleistet ist.
Die beschriebene Vorgehensweise ist natürlich auch unter dem Punkt der umfangreichen Aufklärung des Patienten über alle möglichen Schnittführungen, Alternativen und Komplikationen wichtig (Vesper 2008).
Eine von Römer (2008) durchgeführte umfangreiche Studie, in der siebzehn erfahrene Operateure zu standardisierten Problemstellungen und ihren dazu verwendeten Schnittführungen auf Folien, die auf Frasacomodellen hergestellt waren, befragt wurden, zeigte eine sehr große Individualität der implantologisch tätigen Kollegen in ihrer Vorgehensweise, die sicherlich viel mit persönlicher Erfahrung, auch bei Problemfällen, zu tun hat. Eindeutig war auch hier die Tendenz zu feineren Nahtmaterialien zu erkennen. Statistische Signifikanzen waren aber in keinem der im Fragebogen untersuchten Punkte nachzuweisen. Beim Sinuslift zeigte sich aber die Bevorzugung einer deutlich palatinalen Schnittführung, um eine sichere plastische Deckung, natürlich mit Periostschlitzung, zu gewährleisten (Abb. 1).
Dazu äußerten sich Hochschullehrer, niedergelassene Kollegen und Kollegen an außeruniversitären Häusern, sodass sicherlich auch ein breites persönliches Spektrum abgedeckt war. Ein Weg in die richtige Richtung sind hier die vielen Möglichkeiten der Ausbildung durch Operationskurse und Hospitation, um weiterhin einen intensiven Gedankenaustausch in allen Bereichen zu ermöglichen.
Fazit und Ausblick
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Anzahl der Hauptschnitte im zahnlosen Kiefer innerhalb der Mitte auf dem Kieferkamm liegen (Römer 2008). Die geringe Blutungsneigung und eine gute Stabilität der Wundränder wiegen den Nachteil freiliegender Implantatteile oder resorbierbarer Membranen auf. Dabei sollten die Entlastungsschnitte deutlich abgewinkelt sein, um eine exakte Reposition zu gewährleisten.
Bei den Entlastungsschnitten im Bereich dentaler Strukturen sind die Einflüsse der Parodontalchirurgie immer mehr zu erkennen. Dabei werden natürlich breitbasige Trapezlappen wegen der besseren Durchblutung bevorzugt, aber auch L-förmige werden immer wieder diskutiert (Abb. 2). Das minimalinvasive Vorgehen, gerade im Bereich ästhetisch anspruchsvoller Regionen, steht deutlich im Vordergrund. Hierzu zählt die Vermeidung vertikaler Inzisionen (Narbenbildung), beziehungsweise die Verlegung in die nicht sichtbare Zone. Immer sollte ebenfalls eine papillenschonende Schnittführung gewählt werden.
Neuere Operationstechniken sind unter anderem der Semilunarschnitt (Partsch) im Vestibulum jenseits der Lachlinie (Abb. 3). Damit werden ästhetische Nachteile vermieden. Diese Schnittführung bietet sich besonders bei Sofortimplantationen an, wenn der betroffene Zahn schon früher über diesen Zugang reseziert wurde. Wichtig ist hierbei die Höhe der Lachlinie. Bei sehr ungünstiger Situation bietet sich noch der mukolabiale Schnitt an. Hier sollten sich weitere Untersuchungen anschließen.
Ein immer wieder zu diskutierender Punkt ist natürlich auch die Freilegung eines Implantates, wobei dies insbesondere in der ästhetischen Zone wohlüberlegt sein soll. Hier können zum Beispiel bogenförmige (Abb. 4) oder H-förmige Schnitte (Abb. 5) zur Anwendung kommen. Jeder einzelne Patient erfordert aber auf das Neue unsere Überlegungen zur individuellen Schnittführung heraus und sicherlich werden die Entwicklungen in der Parodontalchirurgie weiterhin ihre positiven Einflüsse ausüben.
Eine ausführliche Literaturliste finden Sie hier.