Prophylaxe 24.02.2016

Parodontale Ernährungsberatung in der Praxis – Warum?



Parodontale Ernährungsberatung in der Praxis – Warum?

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Die Optimierung der Vitalstoffversorgung durch gezielte Ernährungsempfehlungen stellt eine wichtige Maßnahme zur unterstützenden Behandlung der Parodontitis dar. Verschiedene Vitalstoffe greifen in immunologische Vorgänge ein, welche auch für die parodontale Gesundheit von entscheidender Bedeutung sind. In diesem Zusammenhang stellt der folgende Beitrag einzelne ­Vitalstoffe vor und gibt Hinweise für die Weitergabe gezielter ­Ernährungsempfehlungen in der Zahnarztpraxis.

Die Parodontitis ist durch Entzündungsreaktionen an den zahnstützenden Geweben gekennzeichnet, welche im weiteren Verlauf zu Attachmentverlusten und Destruktionen am Alveolarknochen und im schlimmsten Fall zu Zahnverlusten führen können. Es handelt sich um ein multifaktorielles Geschehen, in dem die körpereigene Abwehr eine wichtige Rolle spielt. Diese lässt sich durch verschiedene Faktoren, aber insbesondere durch die Ernährung beeinflussen. Die Mundhöhle steht über die Atmung und die Nahrungsaufnahme mit der Außenwelt in Kontakt, sodass lokal auch auf die Konfrontation mit pathogenen Noxen, wie Viren, Pilze und Bakterien, reagiert werden muss. Dafür bilden im Rahmen der unspezifischen Abwehr die Mundschleimhaut, der Speichel und phagozytierende Immunzellen in der Sulkusregion sowohl eine mechanische als auch eine biochemische und zelluläre Barriere. Speziell die Gingiva schützt als weichgeweblicher Teil des Parodontiums die hartgeweblichen Anteile wie das Wurzelzement und den Alveolarknochen. Sie zeigt sich als zell- und kollagen­faserreicher Gewebeverband, der eine hohe Zellumsatzrate aufweist und einer ständigen physiologischen Erneuerung unterliegt. Aus diesem Grund zeigen sich Nährstoffdefizite besonders rasch durch Veränderungen an der Mundschleimhaut, häufig in Verbindung mit einer erhöhten Entzündungsneigung.1 Abbildung 1 fasst die Funktionsbereiche relevanter Mikronährstoffe im Rahmen der oralen immunologischen Abwehr zusammen.



Vitamin C –Status oft suboptimal

Mehrfach konnten bei Parodontitispatienten suboptimale Vitamin-C-Serumspiegel gemessen werden, wobei nicht endgültig geklärt ist, ob diese als Ursache oder Folge der chronischen Entzündung zu werten sind.2,3 Unabhängig davon erscheint in jedem Falle eine ­Optimierung der Vitamin-C-Versorgung sinnvoll zu sein. Dafür sollte Patienten der Verzehr Vitamin-C-reicher Nahrungsmittel empfohlen werden (Tab. 1). In einer klinischen Studie konnte beispielsweise durch den Verzehr von Grapefruit der Vitamin-C-Status und die lokale Phagozytoseleistung sulkulärer Granulozyten verbessert werden.4 Jedoch sind weniger erosive Vitamin-C-Quellen, wie etwa Wild- und Gartenkräuter oder rohes Gemüse, empfehlenswerter.

Wichtig ist der Verzehr im Rohzustand, denn Vitamin C ist hitzeempfindlich und geht während des Garprozesses verloren. Die „Deutsche Gesellschaft für Ernährung“ (DGE) empfiehlt derzeit 95 bis 110  mg Vitamin C pro Tag für gesunde Erwachsene. Bei Vorliegen einer chronischen Parodontitis dürfen es ruhig bis zu 200 mg Vitamin C pro Tag sein.

 


 

Vitamin D – das Sonnenvitamin

In einer aktuellen Studie von Zhang et al.5 konnte beobachtet werden, dass Patienten mit einer generalisierten, aggressiven Parodontitis (GAP) im Vergleich zu gesunden Probanden erhöhte Plasmawerte für das Vitamin-D-Bindungsprotein (DBP) aufwiesen. Damit scheint es bei einer bestehenden Parodontitis zu einem erhöhten Vitamin-D-Umsatz zu kommen. Die Mechanismen liegen im immunologischen Bereich, wobei Vitamin D in die Regulation der Abwehrreaktion eingreift. Als hormonähnliche Substanz agiert Vitamin D über die Bindung an spezifische Rezeptoren, die sich u. a. auch auf der Zelloberfläche von Neutrophilen befinden.6 Außerdem vermindert Vitamin D die Bildung proinflammatorischer Mediatoren und reaktiver Sauerstoffspezies (ROS), wodurch es insgesamt entzündungshemmend wirkt.7

In Bezug auf Vitamin D weisen die Ernährungsgesellschaften daraufhin, dass in Deutschland die körpereigene Vitamin-D-Bildung vermutlich nur von April bis September den Bedarf decken kann, sodass in den Monaten Oktober bis März auf eine ausreichende orale Zufuhr geachtet werden sollte. Besonders reich an Vitamin D sind fettreiche Fische, danach folgen mit deutlich geringeren Mengen Leber, Eigelb, Milchprodukte, Champignons und Avocados. Zur Sicherheit kann der Vitamin-D-Status im Blut bestimmt und nachfolgend die Einnahme entsprechender Ergänzungs­präparate erwogen werden. Als wünschenswert wird eine Calcidiolkonzentration von mind. 50 nmol/l angesehen.8

Folsäure – frisches Grün bevorzugen

Folsäure kommt vorrangig in grünem Gemüse, Sprossen, Hülsenfrüchten, Nüssen, Eiern und Rinderleber vor. Seine Versorgung gilt als kritisch, da oftmals die Zufuhrempfehlungen von 300 µg pro Tag nicht erreicht werden. Als essenzieller Co-Faktor bei der DNA-Synthese ist Folsäure für jegliche Zellteilungs­aktivitäten von Bedeutung. In zwei ­klinischen Studien konnte eine inverse Beziehung zwischen der Fol­säureversorgung und dem Auftreten der Parodontitis nachgewiesen werden.9,10 Eine besonders schmackhafte und ­gesunde Variante zur Optimierung der Folsäurezufuhr bietet der Genuss selbst hergestellter „Smoothies“, die mit ­grünen Blattgemüsen (Feldsalat, Spinat) und frischen Kräutern (Petersilie, Brennnesseln, Löwenzahn, Giersch) ­angereichert sind (Abb. 2).



Magnesium – mehr als nur „Anti-Stress-Mineral“

Möglicherweise beeinflusst auch der Mineralstoff Magnesium die parodontale Gesundheit. In einer Studie von Meisel et al.11 wiesen Personen mit einer geringeren Magnesiumzufuhr ein erhöhtes Parodontitisrisiko auf. Magnesium spielt eine Rolle bei der Synthese von Immunglobulinen und greift regulierend in die Zytokinbildung ein.12 Außerdem ist es als Co-Faktor antioxidativ wirksamer Enzyme an der Aufrechterhaltung des oxidativen Gleichgewichts im Körper beteiligt.13 Besonders reich an Magnesium sind Wildkräuter, da im Chlorophyll, dem grünen Blattfarbstoff, Magnesium das Zentralatom bildet. Aber auch Körnerfrüchte (z. B. Quinoa, Amaranth), Nüsse und Samen stellen gute Quellen dar.

Kalzium – nicht nur für die Knochen

In einer weiteren Studie korrelierten verminderte Kalzium- und Magnesiumserumwerte mit einem erhöhten Parodontitisrisiko.14 Kalzium erfüllt als ­essenzielles Mineral für die orale Gesundheit gleich mehrere Funktionen. ­Einerseits ist es Bestandteil der Zahnhart- und Knochensubstanz, andererseits fungiert es als Co-Faktor im Immunsystem und bei der Muskel- und Nervenfunktion. Die Daten einer umfangreichen, epidemiologischen Studie offenbaren, dass eine tägliche Kalziumzufuhr unter 500 mg das parodontale Erkrankungsrisiko erhöht.15 Die Zufuhrempfehlung liegt derzeit bei einer Menge von 1.000 mg pro Tag. Kalziumreiche Nahrungsmittel sind z. B. Käse, grünes Gemüse, Körnerfrüchte, Nüsse, Samen und Kräuter (Tab. 2).


Omega-3-Fettsäuren – ­entzündungshemmend

Die Auswertung der Patientendaten der „National Health and Nutrition Examination Survey“ (NHANES, n = 9.182) zwischen 1999 und 2004 ergab, dass Erwachsene, die vermehrt Omega-3-Fettsäuren über die tägliche Ernährung aufnahmen, seltener eine Parodontitis entwickelten.16 Wichtige Quellen für die Aufnahme von a-Linolensäure sind ­grünes Blattgemüse, Walnüsse, Samen und Speiseöle, wie z. B. Lein-, Walnuss-, Raps-, Soja- oder Hanföl. DHA und EPA finden sich vorrangig in fettreichen ­Fischen, wie Wildlachs, Heilbutt, Hering, Thunfisch oder Makrele, aber auch in Muscheln, Meeresfrüchten und Algen. Der DHA-Gehalt im Fleisch, Eigelb und im Milchfett ist stark von den Haltungsbedingungen der Tiere abhängig und erhöht sich mit Weidegang, Grünfutter- und Heufütterung. Eine generelle qualitative Umstellung der Fettzufuhr über die Ernährung ist einer Supplementierung vorzuziehen. Dabei empfiehlt sich die Orientierung an der mediterranen Kost (Abb. 3).

Hinweise zur Beratungspraxis

Je nach Zeitkontingent können in das Prophylaxegespräch auch Hinweise zur gesunden Ernährung mit einfließen, um die o. g. Empfehlungen an den Pa­tienten weiterzugeben. Tiefer lässt sich in die Thematik durch das Ausfüllen von  Ernährungsprotokollen einsteigen. Dabei kann z. B. ein „24-h-Recall“, d. h. die Frage: „Was haben Sie gestern ­gegessen?“ als direkter Ansatzpunkt für ein Beratungs­gespräch dienen. ­Entsprechende Erläuterungen werden durch Bildmaterial, z. B. die Arbeit mit der 3-D-Ernährungspyramide (DGE) anschaulich ergänzt. Auch die Weitergabe eines Ernährungsinformationsblattes mit Empfehlungen und Rezepten speziell für Parodontitispatienten (kostenlos unter: www.einfach-ernähren.de) sorgt für eine nachhaltige Ernährungsbildung. Ein konkreter Einblick in die Nährstoffzufuhr des Patienten lässt sich durch ein 7-Tage-Ernährungsprotokoll erhalten, das nach dem Ausfüllen mit einer entsprechenden Software ausgewertet wird. Dadurch werden individuelle und gezielte Ernährungsempfehlungen möglich. Eine sichere Auskunft über den Versorgungsstatus liefert eine entsprechende Blutanalyse.



Fazit

Zusammenfassend verdeutlichen die Ausführungen, dass Parodontitispatienten von Ernährungsempfehlungen zur ­gezielten Aufnahme von Vitamin C, Folsäure, Vitamin D, ­Kalzium, Magnesium und Omega-3-Fettsäuren durchaus profitieren können. Generell sollte eine ökologisch erzeugte, wenig verarbeitete, vitalstoffreiche Kost der Industrie-, Fast-Food- und Designernahrung vorgezogen werden. Natur­belassene Nahrungsmittel, wie grünes Gemüse, Wildkräuter, Beeren, Nüsse, Vollkorngetreide und Fisch, liefern die o. g. Vitalstoffe in ausreichendem Maße.

Eine ausführliche Literaturliste finden Sie hier.

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