Prophylaxe 28.02.2011
Antibakteriell wirksame Spüllösungen
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Die adäquate häusliche Zahnpflege ist für die Gesunderhaltung von Zähnen und Zahnfleisch unerlässlich. Dabei wird immer wieder die Frage nach ergänzenden Spüllösungen aufgeworfen, deren Wirksamkeit jedoch nicht immer unkritisch zu sehen ist. Dieser Beitrag widmet sich der häuslichen Zahnreinigung unter dem besonderen Aspekt der Erhaltung der gesunden Gingiva mit antibakteriell wirksamen Chemotherapeutika.
Eine Parodontitis ist durch marginalen Knochenverlust gekennzeichnet und stellt im Alter die häufigste Ursache für Zahnverlust dar. In den meisten Fällen geht einer Parodontitis eine Entzündung der Gingiva (Gingivitis) voraus; ob eine Parodontitis durch Vermeidung einer Gingivitis grundsätzlich verhindert werden kann, ist jedoch nicht hinreichend geklärt. Jüngste Erhebungen zur Häufigkeit des Auftretens von Zahnbetterkrankungen belegen (nicht nur für Deutschland), dass je nach Altersklasse nur etwa 20 % der Untersuchten gesunde, entzündungsfreie Verhältnisse aufweisen. Mögliche Risikofaktoren für eine Parodontitis können z.B. Diabetes mellitus, Tabakrauchen, emotionaler Stress, überschießende Entzündungsreaktionen und Störungen der Granulozytenfunktion, aber auch spezifische Wirt-Parasiten-Interaktionen darstellen. Da nicht alle Risikofaktoren kausal therapierbar sind, sollten die Etablierung der Gingivitis vermieden und Mundhygienemaßnahmen gegebenenfalls mit antibakteriellen Substanzen unterstützt werden.
Die chemische Plaquekontrolle – sinnvolle Ergänzung der Mundhygiene?
Therapeutika zur Plaquekontrolle können als Zusätze in Zahnpasten oder Mundspüllösungen vorliegen. Diese Mittel sollen toxikologisch unbedenklich sein und keine lokalen sowie systemischen Nebenwirkungen hervorrufen. Die Forderung nach einer ausreichenden Substantivität wird von den meisten Präparaten nur unzureichend erfüllt. Mundspüllösungen haben bei täglicher Anwendung nur eine vergleichsweise kurze direkte Kontaktzeit zur Plaque (etwa zwei bis drei Minuten) und werden danach durch den Speichel rasch verdünnt und eliminiert. Allenfalls die (vorübergehende) Anlagerung an orale Strukturen und die darauf folgende langsame Freisetzung der aktiven Substanzen kann die Wirkdauer deutlich verlängern. Dabei sollten Resistenz- oder Toleranzentwicklungen der Mikroorganismen ausbleiben.
Die regelmäßige mechanische Mundhygiene beinhaltet die Anwendung von Zahnbürste, Zahnseide und/oder Interdentalraumbürsten. Dabei wird der mechanischen Plaquebeseitigung selbst in Industrieländern nicht die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt, neben der nach wie vor viel zu kurzen Putzzeit (je nach Studie liegt diese zwischen 37 und 56 Sekunden) wird eine regelmäßige Interdentalraumhygiene nur von ca. 20% der Bevölkerung betrieben. Unter dem Eindruck dieser Datenlage scheint es sinnvoll zu sein, über die Notwendigkeit zusätzlicher chemisch wirksamer Therapeutika nachzudenken.
Antibakterielle Substanzen zur Gingivitisprophylaxe
Chlorhexidindiglukonat (CHX)
Unter den bisher entwickelten antibakteriellen Wirkstoffen hat Chlorhexidindiglukonat (CHX) die größte Effizienz. CHX-Präparate verfügen (auch ohne Alkoholzusatz) über eine gute bakterizide/bakteriostatische Wirkung. Vor allem in höheren Konzentrationen (0,2%) zeigt CHX eine gingivitisreduzierende und karieshemmende Wirkung. CHX verfügt über eine hohe Substantivität, indem es elektrostatisch an die negativ geladene Oberflächen von Zähnen, Gingiva und Mukosa sowie Plaque adsorbiert und nachfolgend langsam wieder freigesetzt wird. CHX beeinflusst die Permeabilität der Zellwände und kann daher in das Zellinnere diffundieren, wo es in der Folge zu osmotischen Störungen kommt. Darüber hinaus greift CHX über die Störung membrangebundener Enzyme in den Glukosestoffwechsel der Zelle ein. CHX führt somit zu einer ca. 45%igen Reduktion von Gingivitiden.
Eine lang andauernde CHX-Anwendung führt zu reversiblen Verfärbungen auf Zunge und Zähnen bzw. Zahnfüllungen; darüber hinaus wurden bei längerer Anwendung Geschmacksirritationen, Schleimhauterosionen, Verhornungsanomalien der Schleimhaut und eine verstärkte Bildung von Zahnstein beobachtet. Höher konzentrierte Präparate sollten daher nur kurzfristig (wenige Wochen) eingesetzt werden. Darüber hinaus ist zu beachten, dass CHX bei Kontakt mit anionischen Molekülen inaktiviert wird; daher sollte bei Verwendung anionischer, tensidhaltiger Zahnpasten eine Wartezeit zwischen 30 Minuten und zwei Stunden bis zur CHX-Spülung (vice versa) eingehalten werden. Dies gilt nicht für Zahnpasten mit Aminfluoriden oder ausschließlich nichtionischen Netzmitteln.
Cetylpyridiniumchlorid
Quaternäre Ammoniumverbindungen zeigen eine geringe Substantivität und eine schlechtere Plaqueinhibition als CHX. Als Nebenwirkungen werden gelegentlich auftretendes Mundbrennen, Zahnverfärbungen und eine erhöhte Zahnsteinbildung beschrieben.
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Fluoride
Vor allem Fluoridverbindungen, bei denen das Fluorid an Metallionen gebunden ist, verfügen über eine antimikrobielle Wirkung (z.B. Zinnfluorid). Dabei übt das Kation eine enzymhemmende und damit bakterizide Wirkung auf Plaquebakterien aus. Zinnfluoride werden häufig mit Aminfluoriden, deren organische Gruppen für die gute Substantivität verantwortlich sind, kombiniert.
Hexetidin
Wie viele andere Wirkstoffe zeigen hexetidinhaltige Präparate eine geringere Wirkung als CHX; auch die Substantivität von Hexetidin ist vergleichsweise niedrig. Der antibakterielle Effekt wird daher durch Zugabe von Kationen (Zink, Kupfer) verstärkt.
Listerin
Die antibakterielle Effektivität des auf Joseph Lister zurückgehenden Wirkstoffs (ursprünglich eine Mischung von Methylsalicylat, Thymol, Eukalyptol und Menthol) wird widersprüchlich beurteilt. Listerin soll eine gute Plaquereduktion zwischen 20 und 35% bewirken; auch hier ist allerdings die Substantivität vergleichsweise gering. Die Wirkstoffe führen zu einer Zellwandaufspaltung und Inhibition bakterieller Enzyme. Als mögliche Nebenwirkungen wurden oberflächliche Zahnverfärbungen angegeben.
Polyvidon-Jod (PVP-Jod)
Polyvi(nylpyrroli)don-Jod (Betaisodona) ist ein jodabspaltender Komplex. Die Wirkung wird durch eine langsame Freigabe von Jod erklärt. PVP-Jod hat eine hohe Affinität zu organischen Geweben und ist wirksam gegenüber grampositiven und gramnegativen Keimen sowie gegenüber Pilzen und einigen Viren. PVP-Jod als Antiseptikum wird zur Behandlung unspezifischer Gingivitiden und Parodontitiden, bei Candidiasis/Soor sowie bei Tumorpatienten nach Chemotherapie empfohlen. Nachteilig ist die vergleichsweise kurze Wirkungsdauer, da im Gegensatz zu CHX keine ausreichende Retention in der Mundhöhle zu beobachten ist.
Sanguinarin
Die plaquereduzierende Wirkung von Sanguinarin wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Dieser pflanzliche (alkalische) Wirkstoff ist in Zahnpasten und Mundspüllösungen enthalten. Als Wirkmechanismus wird Hemmung der bakteriellen Anheftung an Zahnoberflächen angenommen. Nennenswerte Nebenwirkungen sind nicht bekannt.
Triclosan
Die Wirksamkeit von Triclosan ist wegen der geringen Substantivität geringer als die von CHX. Zur Erhöhung der Substantivität wird Triclosan daher mit dem Co-Polymer PVM/MA (Polyvinylmethylether-Maleinsäure) kombiniert. Auch hier erfolgt eine Wirkungssteigerung häufig durch den Zusatz von Zink als Kation. Auch bei der Anwendung von triclosanhaltigen Präparaten werden nur selten Nebenwirkungen beobachtet.
Ausblick
Die zurzeit am Markt befindlichen Präparate können die mechanische Zahnreinigung mit Zahnbürste, Zahnseide und/oder Interdentalraumbürste allenfalls ergänzen, aber nicht ersetzen. Patienten, die einem (temporär) erhöhten Risiko ausgesetzt sind (kieferorthopädische Behandlung, Behinderte und hinsichtlich der Taktilität eingeschränkte Menschen, spezielle Erkrankungen), sollten antibakteriell wirksame Spüllösungen im Sinne einer Selbstmedikation ergänzend zu den aufrecht zu erhaltenden mechanischen Plaqueentfernungen verwenden. Nach gegenwärtigem Stand ist dabei sowohl auf karies- als auch auf gingivitisprophylaktisch wirksame Präparate zurückzugreifen; dies bedeutet, dass Fluoridverbindungen und Chlorhexidindiglukonat nach wie vor das Mittel der ersten Wahl darstellen, wobei mögliche Interaktionen zu beachten sind. Eine Kombination beider Präparate im Sinne einer gleichzeitigen Anwendung scheint daher momentan nicht empfehlenswert. Patienten mit erhöhtem Risiko sollten daher in ein hochfrequentes Recall durch den Zahnarzt bzw. sein Prophylaxe-Team (ZMP, ZMF, DH) eingebunden werden.
Autor: Prof. Dr. Andrej M. Kielbassa, Dr. Peter Tschoppe/Berlin