Zahntechnik 02.11.2023
Ästhetik step-by-step: Zahnmajesthetik XXL
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Majesthetik ist eine ganzheitliche ästhetische Vorgehensweise, die in ihrer Einfachheit verblüfft und dennoch zu außergewöhnlichen Resultaten verhelfen kann – sowohl während des zahnmedizinischen Prozederes als auch beim prothetischen Prozess im Dentallabor. Die Grundlagen für beides bilden das Verstehen sowie die Integration der Kausalität der Natur. Die im Folgenden beschriebene Patientenarbeit verdeutlicht das Phänomen des majesthetischen Weges, dessen grundlegende Parameter die Kraft der Form, die Magie des inzisalen Drittels und der Pfad zum Erfolg sind. Letzterer bildet den interdisziplinären Rahmen, der mit dieser Dokumentation Schritt für Schritt beschrieben wird.
Jede majesthetische Arbeit beginnt mit einem gemeinsamen Gespräch aller Beteiligten. Die weitere Planung erfolgt noch vor Behandlungsbeginn im Labor mit einem präprothetischen Wax-up. In der Arbeit in Wachs ergeben sich die entsprechenden Möglichkeiten zur Umsetzung. Bei der hier beschriebenen Patientengeschichte ergab diese Planung die Notwendigkeit einer interdisziplinären Zusammenarbeit verschiedener Leistungserbringer mit entsprechenden Fachgebieten. Aus dem Resultat der Planung in Wachs wird neben entsprechenden Vorwällen eine Präparationsstudie in Gips angefertigt.
Patientengeschichte
Diese frühen Planungsarbeiten erleichtern nicht nur die Arbeit des Zahnarztes erheblich, sie dienen auch der sicheren Umsetzung der Planung in Keramik, sodass der versprochene Behandlungserfolg nicht dem Zufall überlassen bleibt. Je umfangreicher die Arbeit, desto lohnender ist eine solche sorgfältige Planung. In manchen Fällen kann die Vorbereitung eines idealen Resultates viele Monate dauern oder, wie im folgenden Fall beschrieben, über ein Jahr.
Der Patient litt neben erheblichen funktionellen Störungen sehr unter seiner dentofazialen Erscheinung. Je nach Lippenbild waren fast keine Zähne oder ein sehr desolates Gesamtbild sichtbar. Im ersten Schritt gab es ein gemeinsames Gespräch im Team. Aus dem präprothetischen ersten Wax-up resultierte zunächst eine völlig neue Bisslage, welche per Schienentherapie step-by-step neu eingestellt wurde.
Dieser Prozess dauerte mit den entsprechenden physiologisch begleiteten, externen Behandlungen mehr als zwölf Monate. Hierbei arbeiteten externe Experten der Physiotherapie und Osteopathie Hand in Hand. Es galt, den habituellen Muskeltonus schonend in einen für die neue Bisslage ganzheitlichen spannungsfreien Zustand zu therapieren. Erst in diesem neuen, stabilen und beschwerdefreien Zustand konnte die eigentliche zahnmedizinische Behandlung umgesetzt werden. Parallel ging es aus zahnmedizinischer Sicht auch darum, ein entzündungsfreies, gesundes orales Umfeld zu schaffen, da dies in jedem Fall immer eine Voraussetzung einer majesthetischen Restauration ist. Hier zeigt sich auch ein Paradigmenwechsel der Majesthetik, die mitunter als eine besondere Form der Heilprothetik angesehen werden kann: Nicht die Ästhetik folgt der Funktion, sondern die Funktion folgt dem Ästhetischen – in diesem Falle dem Beweggrund des Patienten.
Auf Augenhöhe
Für mich persönlich ist meine Tätigkeit in einem Beruf der Dentalbranche außerordentlich erfüllend und eine Quelle stetiger Freude – die Grundlage eines erfüllten Lebens. Der Pfad zum (majesthetischen) Erfolg wird begleitet von einem Begegnen aller Beteiligten auf Augenhöhe. Das leider weitverbreitete psychologische Phänomen von Revierkonflikten zwischen akademischen- und Ausbildungsberufen muss im Keim ausgeschlossen sein. Bei der majesthetischen Teamarbeit steht das Wohl des Patienten für alle stets im Mittelpunkt.
Das präprothetische Wax-up
Der Fokus einer ersten laborseitigen Analyse der Situationsmodelle lag darin, eine Möglichkeit zu finden, den habituellen Zwangsbiss aufzulösen und unter Berücksichtigung möglicher adaptiver Mechanismen (natürliche Anpassungsprozesse) in eine gnathologisch-funktionell gesunde Bisslage zu überführen. Nach diesem analytischen Prozess entstand das präprothetische Wax-up. Dieses definierte die neue Bisslage, welche per Aufbissschiene simuliert wurde und das Fundament der osteopathisch begleiteten Physiotherapie bildete.
Im Zuge dieser Behandlungen ging es dem Patienten in vieler Hinsicht besser und besser. Seine körperlichen Symptome ließen nach, was sich schlussendlich auch mental bemerkbar machte (Heilprothetik). Nach Erreichen einer entsprechenden Stabilität des neuen Habitus wurde aus dem präprothetischen Wax-up ein Präparationskonzept abgeleitet und sichtbar gemacht. Hier wurden die umzugestaltenden bzw. zu ergänzenden Zahnsubstanzen mit Majesthetik-Texturpuder sichtbar gemacht.
MAJESTHETISCHE ZÄHNE Die majesthetische Lehre hat ihren Ursprung im schriftlichen Nachlass Leonardo da Vincis. Seine Wortschöpfung „Majesthetik“ steht für ein königliches, ästhetisches und ethisches Leben und Handeln. Leonardo forderte ein ständiges Auseinandersetzen mit den Gegebenheiten der Natur. Bedeutend ist hierbei, dass Zähne nicht nur Werkzeuge sind, sondern kleine Wesen im Spiegel der Persönlichkeit. Daher gehört – neben der zahntechnischen Arbeit – das Studium der ästhetischen Wechselwirkungen von Zähnen zur ganzheitlichen Betrachtungsweise des Patienten. Hierzu zählen u. a. mimische Bewegungsstudien der Mund- und Lippenpartie ebenso wie Porträtstudien zur Berücksichtigung des gesamten Erscheinungsbildes. Die von Achim Ludwig entwickelte majesthetische Arbeitsweise stellt neben ästhetischen bzw. multifunktionellen Aspekten auch ethisches Handeln in den Mittelpunkt. Die Grundlage eines majesthetischen Präparationskonzeptes ist die Absicht einer minimal-invasiven Behandlung. |
Das Konzept der Präparation
Die Grundlage eines majesthetischen Präparationskonzeptes ist die Absicht einer minimalinvasiven Behandlung. Im vorliegenden Fall bestand die prothetische Versorgung aus drei unterschiedlichen Disziplinen:
- Sekundärversorgung unzureichender, bestehender Prothetik: Hierbei erfolgte nach Entfernen der Altversorgung das Herstellen kavitätsfreier Stümpfe sowie die Anlage einwandfreier Präparationsverläufe.
- Primärversorgung natürlicher Zähne mittels Presskeramik: Hierbei erfolgte das Anlegen der Präparation unter Einbehalten der biologischen Breite, sowie eine entsprechende Abschrägung des inzisalen Drittels.
- Veneerversorgung zur substanzschonenden Wiederherstellung von dysfunktionell bedingtem Verlust von Zahnsubstanz: Hierbei erfolgte eine minimale Präparation unter Bewahren der interdentalen Kontaktbereiche.
Aus dem Konzept der Präparation leiten sich verschiedene Präparationshilfen ab, die je nach Vorlieben des behandelnden Zahnarztes umgesetzt werden. Dazu gehören Vorwälle, opake oder transparente Präp-Schablonen, Übertragungskäppchen usw. In diesem Patientenfall kamen für die lateralen Bereiche opake, beschnittene Hartsilikonvorwälle und für den frontalen Bereich zusätzlich eine tiefgezogene Folie zum Einsatz.
Präparation und Abformung
Zunächst wurden zur Unterstützung einer präzisen, substanzschonenden Präparation segmentweise Präparationsplanungen am Gipsmodell angefertigt. Die zu rekonstruierenden Strukturen wurden wie beschrieben per Silberpuder gekennzeichnet. Mithilfe der oben beschriebenen Schablonen konnte der Vorgang der Präparation unterstützt werden, wodurch es der behandelnden Zahnärztin möglich war, eine optimale Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung der prothetischen Komponenten zu schaffen. Die Abformung erfolgte in Korrekturtechnik mittels Rimlocklöffeln.
Stumpfmodell/Finales Wax-Up
Es wurde ein klassisches Sägemodell mit Blockpinnen im Bereich der Sägeschnitte sowie einer abnehmbaren Zahnfleischmaske in der Front (Majesthetik-Gingiva) angefertigt. Entsprechend der präprothetischen Planung wurde zudem ein finales Wax-up angefertigt. Dieses ist für eine majesthetische Restauration von entscheidender Bedeutung:
Zum einen setzt man sich intensiv mit der zu reproduzierenden Form auseinander und die Anlage der Oberflächentextur zeigt den späteren Prozess bei der Einarbeitung der Textur in Keramik an. Zum anderen wird eine segmentweise Umsetzung in den sensiblen Werkstoff einer Dentalkeramik ermöglicht.
Das finale Wax-up dient auch für die Umsetzung eines entsprechenden Provisoriums, welches neben dem Schutz der präparierten Zähne vor allem einen weiteren wichtigen Zweck in dieser Phase der majesthetischen Restauration erfüllt: die Einstellung einer psychologischen Akzeptanz der bevorstehenden radikalen Veränderung des dentofazialen Erscheinungsbildes.
Die Umsetzung in Keramik
Durch eine entsprechende Anwendung des Wax-ups hat man es stets nur mit Einzelzähnen zu tun – ein hocheffizienter Prozess, der ein entspanntes, kräfteschonendes Arbeiten ermöglicht. Während die entsprechende Schichtung gebrannt wird, ersetzt das Wax-up den approximalen Antagonisten. Bei der Arbeit mit Veneer/Kronen-Kombinationen stellt dies einen unschätzbaren Vorteil dar.
Resümee
Die Patientengeschichte konnte ganzheitlich erfolgreich abgeschlossen werden. Der Patient ist heute physiologisch beschwerdefrei und sein neues ästhetisches Erscheinungsbild ist für ihn ein großer Zugewinn an Lebensfreude. Im Nachhinein entschloss er sich noch für eine Veneerversorgung von 41, 31, 32, welche das positive Gesamtbild vollendete.
Viele Bereiche dieses Patientenfalls konnten nur komprimiert wiedergegeben werden, wie zum Beispiel die Psychologie des Provisoriums oder die keramische Schichtung. Große Themen bleiben dabei stets die interdisziplinäre Kommunikation und ein Ausschöpfen der Möglichkeiten neuer Technologien. An diesem Beispiel wird deutlich, in welch wunderbarer Art und Weise echte, gelebte Teamarbeit ein gewünschtes Resultat – insbesondere bei sehr schwierigen Fällen – in greifbare Nähe rückt. Im Fokus liegt auch ein Ausbildungssystem für Zahnärzte, denn nur ein gemeinsamer Weg ist ein erfolgreicher Weg. Bei unseren Dentalcoachings können Zahnarzt-Zahntechniker-Teams diese Form der Zusammenarbeit erlernen.
Ausführliche Informationen zu den majesthetischen Schulungen von Achim Ludwig unter www.achimludwig.de und majesthetik.de
Dieser Beitrag ist unter dem Originalartikel „Step-by-step: Zahnmajesthetik XXL“ in der ZT Zahntechnik Zeitung 11/2023 erschienen