Zahntechnik 20.06.2011
Tendenz geht zur Keramik auf Zirkondioxid
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In der restaurativen Zahnheilkunde geht der Trend zu einem vollständigen digitalen Arbeits- und Fertigungsprozess. Zusätzlich zu CAD/CAM-hergestellten Kronen- und Brückengerüsten hat im Bereich der Verblendtechnik die Digitalisierung Einzug in den zahntechnischen Workflow gehalten. Neben den neuen zahntechnischen Methoden wird die konventionelle Verblendtechnik durch Werkstoffmodifikationen weiterhin optimiert. So erlangen beispielsweise die Kunststoffverblendungen durch die weiterentwickelten Kompositmaterialien wesentliche werkstoffkundliche Verbesserungen gegenüber den Verblendkunststoffen der früheren Generation.
Je nach Abdeckungsgrad des Kronen- oder Brückengerüstes wird von Voll- oder Teilverblendungen gesprochen. Eine zahnfarbene Verblendung wird nach den Kriterien der Farbwirkung, Kontur, Textur, Tiefenwirkung, Transluzenz und Oberflächenglanz beurteilt. Um die gewünschten Anforderungen zu erreichen, muss neben einer ausreichenden Abdeckung des Gerüstes auch eine Mindestschichtdicke der Verblendung eingehalten werden.
Die klassische Verblendkeramik besteht in der Regel aus einer amorphen, transparenten Glasphase (Feldspat), in welcher kristalline Partikel (Leuzit) dispers eingelagert sind. Durch Wärmebehandlungen und verschiedene Mahlvorgänge werden die keramischen Massen für die zahntechnische Herstellung gewonnen und durch einen Brennvorgang auf die Gerüste aufgesintert. Wichtig ist hierbei die optimale Abstimmung der keramischen Massen auf die verwendeten Gerüstmaterialien. Zum einem sollte die Brenntemperatur der Verblendkeramik um 150 °C niedriger als der Soliduspunkt der verwendeten Legierung sein. Zum anderen sollte der Wärmeausdehnungskoeffizient (WAK) der Keramik dem der verwendeten Gerüstmaterialien entsprechen.1 Für das metallkeramische Verbundsystem hat sich eine WAK-Differenz von 5–10% bewährt.2 Der metallkeramische Verbund ist für die klinische Langlebigkeit entscheidend. Keramiken haben die Eigenschaft, eine chemische Verbindung mit dem Metall einzugehen. Während des Oxidationsglühens des Metallgerüstes diffundieren die unedlen Metalle einer Legierung an die Metalloberfläche und oxidieren. Diese Oxide durchdringen die Keramik und werden dort aufgenommen. Es findet eine chemische Reaktion zwischen der Keramik und der Oxidschicht des Metalls statt und es kommt zu einem fließenden Übergang zwischen Metall, Metalloxid und Keramik.3
Für die standardisierte Metallkeramikrestauration heißt dies, dass das ausgearbeitete Metallgerüst sandgestrahlt (Abb. 1 und 2) und in einem weiteren Schritt oxidiert wird (Abb. 3). Eine erste Opakerschicht („Washbrand“), die dünnfließend auf das Gerüst aufgetragen wird, dient als Verbindungsschicht zwischen Metall und Keramik (Abb. 4). Danach erfolgt die zweite deckende Opakerschicht (Abb. 5). Anschließend folgt die individuelle Schichtung mit den keramischen Massen. Nach dem Dentinzwischenbrand wird das Dentin mit Schneide- und Transparentmassen überschichtet. Zur Oberflächenvergütung wird eine Glasurmasse aufgetragen, die im Keramikofen unter Vakuum gesintert wird (Abb. 6).
Die Zusammensetzung der keramischen Massen für die Verblendung von Oxidkeramikgerüsten entspricht denen von metallkeramischen Massen. Wichtig für einen optimalen Haftverbund der Verblendkeramik auf dem Oxidkeramikgerüst sind wie beim Metallkeramikverbund die aufeinander abgestimmten Wärmeausdehnungskoeffizienten. Für einen optimalen Verbund gilt für Vollkeramik der Erfahrungswert für die WAK-Differenz von 5–10%. Das im Dentalbereich benutzte Zirkoniumdioxid hat einen WAK von ca. 10,5x10–6/K. Demzufolge ist eine Verblendkeramik mit einem WAK von 9,4–10 x10–6/K zu verwenden.4 Ein entscheidender Vorteil bei der Verarbeitung von eingefärbten Zirkondioxidgerüsten ist, dass die Schichtung der Dentin- und Schmelzmassen auf einem zahnfarbenen Untergrund erfolgen kann. Dadurch ist eine natürliche Farbanpassung der Krone mit dem Gerüst möglich. Nach dem Auftragen und Sintern der Dentinmassen werden die Schmelz- und Transparentmassen darüber geschichtet. Am Ende erfolgt analog zur Metallkeramik der Glanzbrand (Abb. 7–11).
Die Abbildungen 12 bis 16 zeigen einen klinischen Fall zur Rehabilitation eines Oberkiefers mit Zirkoniumdioxid- und metallgestützten keramisch verblendeten Restaurationen. In der modernen Verblendtechnologie ist es möglich, die Verblendungen mittels CAD/CAM-Verfahren herzustellen. Die Restauration wird in einem ersten Schritt vollanatomisch virtuell konstruiert und danach werden zwei Teildatensätze generiert. Die Verblendung wird anschließend aus einem Feldspatkeramikblock solitär gefräst. In einem weiteren Fertigungsprozess werden das Zirkoniumdioxidgerüst und die Verblendung mittels einer Fusionskeramik gesintert. Eine andere Vorgehensweise ist es, die gefräste Verblendung mithilfe eines speziellen Komposits am Oxidgerüst zu befestigen. Damit können Spannungen innerhalb der Keramik, die während des Brennvorganges entstehen, vermieden werden.
Der zunehmend digitalisierte Workflow kann die Fertigung einer Restauration mithilfe einer elektronischen Farbmessung erleichtern, indem die geeignete Farbauswahl des Fräsblocks nach der Messung erfolgt. Damit können Farbkorrekturen im Labor auf ein Minimum reduziert werden.
Klinische Bewährung Keramikverblendung
Die Anforderungen an heutigen Zahn-ersatz sind nicht nur in der funktionellen Langlebigkeit zu sehen, sondern sollen vor allem die ästhetischen Ansprüche des Patienten und Zahnarztes während der Verweildauer im Mund erfüllen.5 Metallkeramische Restaurationen haben sich seit Jahrzehnten bewährt.6 In der aktuellen Literatur wird eine Abplatzrate von 1,2–8% auf fünf Jahre angegeben.7 Komplikationen in Form von Abplatzungen und Sprüngen in der Keramik waren in der Vergangenheit hauptsächlich vermehrt aufgetreten, wenn neue Legierungstypen für die metallkeramische Versorgung eingeführt wurden. So zum Beispiel bei den goldreduzierten Legierungen, Palladium- und NEM-Legierungen in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts. In neuerer Zeit zeigte sich auch zunächst bei der Verwendung von Titanlegierungen in Verbindung mit niedrigschmelzenden Keramiken eine erhöhte Frakturanfälligkeit. Aktuelle klinische Studien bestätigten den keramisch verblendeten gefrästen Titanrestaurationen aus Reintitan eine gute Überlebensrate. Zu etablierten metallkeramischen Versorgungen zeigten sie aber eine erhöhte Frakturanfälligkeit.8 Titan gilt als biokompatibles Gerüstmaterial mit einer hohen Stabilität, geringem Gewicht und Korrosionsbeständigkeit. Dennoch ist aufgrund der Verarbeitung und ästhetischen Wirkung den biokompatiblen Oxidkeramiken der Vorzug zu gewähren.
Auch vollkeramische Restaurationen müssen sich an der Metallkeramik messen lassen. Verblendfrakturen (Chippings) wurden häufig an Restaurationen beobachtet, die keine anatomische Gerüstform aufwiesen. Ebenso hatten auch die Schichtstärke der Verblendung sowie die nicht übereinstimmenden WAK-Werte von Gerüst- und Verblendkeramik einen Einfluss auf die Verblendfrakturen. In klinischen Studien, die Zirkondioxidrestaurationen untersuchten, wurde ein relativer Misserfolg der Verblendungen mit 2,9–11% nach einem dreijährigen Beobachtungszeitraum angegeben.9 Neuere Studien zeigten vielversprechende Resultate der keramisch verblendeten ZrO2-Gerüste.10
Eine klinische Bewährung der CAD/CAM-gefertigten Verblendstrukturen steht noch aus.11
Werkstoffkundliche Aspekte Kunststoff
Bei den aktuellen Verblendkunststoffen von heute handelt es sich um mikro-gefüllte Komposite. Komposite sind zusammengesetzte Werkstoffe, die aus einer organischen Kunststoffmatrix mit eingelagerten anorganischen Füllstoffen bestehen. Die organische Kunststoffmatrix besteht aus Monomeren, Initiatoren, Stabilisatoren, Farbstoffen, Pigmenten und anderen Bestandteilen. Die Monomere bestehen dabei fast ausschließlich aus mehrfunktionellen Methacrylaten. Das Anwendungsgebiet beschränkt sich bislang auf die Verblendung von Doppelkronen und Langzeitprovisorien. Der Haftverbund zwischen Komposit und Metall erfolgt über physikalisch-chemische Mechanismen. Im Vergleich zum Keramik-Haftverbund spielt bei dem Kunststoff-Metall-Verbund der thermische Vorgang keine Rolle. Nach Silikatisierung der Metalloberfläche kann ein chemischer Verbund zwischen der anorganischen Oberfläche und der Kunststoffmatrix mithilfe eines Silans erzielt werden. Diese Technik hat es ermöglicht, dass Kunststoff-Metall-Verbindungen einen dauerhaften stabilen und spaltfreien Haftverbund eingehen können.12
Klinische Bewährung Kunststoffverblendungen
Die historischen Kunststoffverblendungen für Kronen und Brücken auf PMMA-Basis zeigten in zurückliegenden Langzeituntersuchungen häufig ästhetische und funktionelle Mängel.13 Diese waren auf einen unzureichenden Haftverbund zwischen Metall und Kunststoff sowie in den begrenzten Materialeigenschaften der historischen Verblendkunststoffe begründet.
Neu auf dem Dentalmarkt befindliche Hybridkomposite zeichnen sich durch einen hohen anorganischen Fülleranteil im Nanometerbereich aus. Die von Herstellerseite zugesicherten optimierten Eigenschaften dieser Verblendkomposite mit stabilen Oberflächenqualitäten, hohen Abrasionsfestigkeiten und Farbstabilität werden derzeit in klinischen Langzeitstudien mit festsitzenden Verblendrestaurationen untersucht.14 Die klinische Untersuchung von Olms und Setz zu kompositverblendeten metallunterstützten Kronen zeigte nach 1,5 Jahren keine erhöhte Defektrate und Verfärbungen des Verblendmaterials gegenüber konventionell verblendeten Kronen. Eine endgültige Beurteilung kann erst nach der klinischen Langzeitbeobachtung abgegeben werden.
Fazit
Zum jetzigen Zeitpunkt zeigt sich eine Tendenz zu keramisch verblendeten zirkondioxidgestützten Restaurationen. Der Dentalwerkstoff Keramik zeichnet sich durch seine hohe Bioverträglichkeit, chemische Unlöslichkeit und Korrosionsbeständigkeit aus. Dennoch ersetzen Vollkeramikrestaurationen nicht gänzlich die Metallkeramikrestaurationen, sondern ergänzen die prothetischen Therapiemöglichkeiten auf einem hohen Niveau.
Danksagung
Die Autorin bedankt sich für die Zusammenarbeit mit Herrn ZTM Uwe Pläsier (dental team Hannover). Des Weiteren gilt der Dank Herrn ZTM Günter Rübeling (Rübeling Dental Labor, Bremerhaven) für die Bereitstellung der zahntechnischen Fotoaufnahmen.
Die Literaturliste zu diesem Beitrag finden Sie hier.