Zahntechnik 21.02.2011

Zwei Standards für die Zukunft?

Pro und Contra der metall- und vollkeramischen Verblendsysteme.

Obwohl Metallkeramik niemals ganz aus der Fachpresse verschwunden war, spielte sie doch über lange Zeit eher eine Nebenrolle neben der Vollkeramik und der Implantattechnik. Dabei besitzen Metall- und Vollkeramik gleichermaßen Aspekte, die bei der Indikation eine Rolle spielen.

Es kann dem interessierten Leser manchmal so erscheinen, als würden die vollkeramischen und metallkeramischen Verblendsysteme einander ausschließen. Beim heutigen Stand der Entwicklung beider Systeme stellt sich jedoch weniger die Frage nach dem Entweder-oder, als vielmehr die Frage: Für welche Indikation empfiehlt sich welche Werkstoffkombination und wo ergänzen sich beide Lösungen bestmöglich? Welche Gründe sprechen für die vollkeramische Lösung mit ihrem natürlichen Aussehen, welche Gründe sprechen für die metallkeramische Lösung mit ihrer bewährten Sicherheit, und wie können beide bei der jeweiligen Indikation ihre Stärken optimal zusammen unter Beweis stellen?


Auch wenn der Gesamtmarkt für Verblendkeramiken (Vollkeramik und Metallkeramik) vom 1. Halbjahr 2009 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres umsatzmäßig leicht (–2%) abnahm, ist das Verhältnis der Verblendkeramiken, die einerseits für metallkeramische und andererseits für vollkeramische Gerüste eingesetzt wurden, mit 70 zu 30 in etwa stabil geblieben. Wo liegen die Gründe hierfür?

Aspekte der Auswahl

Auch wenn letztlich Behandler und Patient entsprechend der jeweiligen Indikation abhängig vom Einzelfall die Entscheidung über die Wahl der geeigneten Versorgung treffen, so gibt es doch wichtige Aspekte, die aus technischer Sicht die eine oder die andere Variante nahelegen, die aber gleichzeitig für beide wichtige Grundanforderungen darstellen.

Ästhetik

In ästhetischer Hinsicht kann die Vollkeramik auf den ersten Blick klar punkten. Wo kein Metallgerüst drunter ist, kann auch keines durchscheinen. Der Stumpf kann mit seiner Eigenfarbe die Farbgebung der Restauration unterstützen. Bei intakten Stümpfen ist das vorteilhaft, und hier ist die Vollkeramik mit ihrer natürlichen Ästhetik der Metallkeramik deutlich überlegen. Was aber ist in Fällen, in denen ein stark verfärbter Stumpf oder ein Metallstift maskiert werden müssen? Hier erscheint es mehr als sinnvoll, mit einem opaken Träger/Gerüstmaterial zu arbeiten, Transluzenz ist also bei ungünstigem Untergrund kein Vorteil. Darüber hinaus bieten vollkeramische Gerüste einen Vorteil, den man sich bei metallkeramischen Gerüsten immer gewünscht hat, der jedoch systemimmanent nicht umsetzbar war: Vollkeramische Kronen- und Brückengerüste lassen sich einfärben und reflektieren so einfallendes Licht ähnlich dem Vorbild der Natur durch die Verblendung hindurch aus der Tiefe – ein Effekt, der bei keramischen Verblendungen auf einem Metallgerüst simuliert werden muss. Der oftmals angeführte Nachteil durch den konstruktionsbedingten sichtbaren Metallrand, der insbesondere bei zurückgehendem Zahnfleisch störend wirkt, kann bei der metallkeramischen Krone/Brücke relativ bequem und auch klinisch akzeptabel mit einer keramischen Stufe ausgeglichen werden. Grundsätzlich bleibt natürlich zu diskutieren, in welchen Fällen die Ästhetik überhaupt so vordergründig ist, dass für die Art der Versorgung ausschlaggebend ist, wie etwa im nicht sichtbaren Bereich der Molaren.

Stabilität

Seit Einführung von CAD/ CAM-Systemen ist die Frage der Stabilität vollkeramischer Gerüste viel diskutiert worden. Mittlerweile hat die anfängliche Skepsis der Zahnärzte/-innen gegenüber vollkeramischer Kronen und Brücken, die insbesondere durch das Argument der Stabilität begründet war, stark abgenommen. Gut 80% der Zahnärzte/-innen vertrauen inzwischen Gerüsten aus Oxidkeramik und halten Restaura-tionen, bei denen das Gerüst mit CAD/CAM aus ZrO2 hergestellt wurde, für gleichwertig (59%) oder sogar für besser als Metallkeramik (28,2%).1 Soweit die Statistik, die sich jedoch in den tatsächlich eingegliederten Restaurationen nicht belegen lässt.

Biokompatibilität/Allergiefreundlichkeit

Der Patient erwartet heute von seinem Zahnarzt Zahnersatz, der bioverträglich ist, also keine schädigenden Reaktionen hervorruft. Diese Grundvoraussetzung erfüllen sowohl voll- wie auch metallkeramische Restaurationen gleichermaßen. Zwar steigt allgemein die Zahl von Allergien und Unverträglichkeiten, was die Argumentation für vollkeramische Versorgungen wegen ihrer besonderen Bioverträglichkeit unterstützt. Dieses Argument relativiert sich jedoch, betrachtet man die Häufigkeit der gemeldeten Fälle von Nebenwirkungen von metallkeramischen Restaurationen, die statistisch in der Klasse „sehr selten“ bzw. in einer Größenordnung zwischen 0,01 und 0,1 pro mille liegen.2 Für den größten Teil der Patienten ist das Thema Allergiefreundlichkeit zwar bedeutsam, für die Wahl des Werkstoffs jedoch eher unerheblich bzw. nicht kritisch, weil die eingesetzten Legierungen kein Allergiepotenzial haben.

Langlebigkeit

In puncto Überlebensrate ist die Metallkeramik der Vollkeramik schon aus einem einzigen Grund überlegen: Man kann auf langjährige Daten zurückgreifen und so ihre Langlebigkeit oft über Jahrzehnte belegen. Aber auch bei vollkeramischen Lösungen gibt es vielversprechende Daten, sodass wir diesen Punkt nicht als kritisches Unterscheidungsmerkmal festhalten müssen.

Passgenauigkeit

Bei der Passgenauigkeit von Kronen und Brücken betrachten wir – neben der inneren Passgenauigkeit – in der Regel in erster Linie den Randschluss, denn von ihm hängt der Erfolg einer Kronen- oder Brückenrestauration ab. Der Randschluss ist in hohem Maße dafür verantwortlich, ob eine Restauration den präparierten Teil des Zahns gut gegen das Mundmilieu abschirmt. Als Referenz dient hier der Randspalt einer Goldkrone von 20 µm. Mit keramischen Gerüsten ist dieser Wert nicht erzielbar, hier werden jedoch klinisch akzeptierte Werte um die 50 µm erreicht.

Um diese Voraussetzung erfüllen zu können, benötigen insbesondere vollkeramische Restaurationen mit CAD/CAM-gefertigtem Gerüst eine klare und präzise lesbare Präparationsgrenze. Im Gegensatz zu handwerklich gefertigten Gerüsten können die Grenzen hier nicht vom Zahntechniker manuell „optimiert“ werden, sondern der Scanner ist auf eindeutige Vorlagen angewiesen.3

Präparation/Befestigung

Die korrekte Präparation entscheidet mit über die Haltbarkeit der Restauration. Gegenüber herkömmlichen Metallkeramikkronen stellen konventionell zementierte vollkeramische Kronen immer noch einen erheblich höheren klinischen Aufwand dar (u.a. hinsichtlich Stumpfhöhe, zirkuläre Stufe, Präparationswinkel, inziso-okklusale Schichtstärke, gerundete innere Linien- und Kantenwinkel).4 Die Befestigung von vollkeramischen Restaurationen mit einem Gerüst beispielsweise aus Oxidkeramik ist mittlerweile unproblematisch. Dem Zahnarzt stehen, vergleichbar mit der Metallkeramikvariante, unterschiedliche Möglichkeiten der Zementierung zur Verfügung. Ein Vorteil zur einen oder anderen Variante ist hier kaum mehr abzuleiten.

Werkstofftechnische Aspekte

Bei der Verarbeitung von Zirkoniumdioxid sind zahlreiche Unterschiede bezüglich der Vorgehensweise im Vergleich zu metallkeramischen Versorgungen zu beachten. Absplitterungen (sogenanntes Chipping) bei einigen Verblendmaterialien bringen Zirkondioxid immer wieder in die Diskussion. Die Sprödigkeit von Zirkoniumdioxid und die damit verbundene Empfindlichkeit auf Zugbelastung erfordern einen sorgfältigen und gewissenhaften Umgang bei der Verarbeitung. Es ist sehr wichtig und auch notwendig, die werkstoffspezifischen Aspekte (wie zum Beispiel Brennparameter und Brenntemperatur) einzubeziehen und auch umzusetzen. Die allgemein bekannten Richtlinien für den vollkeramischen Zahnersatz müssen eingehalten werden. Dazu zählen u.a. wie bereits erwähnt eine vollkeramik-gerechte Präparation (Stufenpräparation bzw. Hohlkehle), anatomisch geformte Gerüststrukturen sowie das Polieren bzw. ein Glanzbrand nach erfolgtem Einschleifen beim Zahnarzt. Von Anfang an sollten die Mindestwandstärken bei der Gerüstgestaltung beachtet und nicht unterschritten werden. Falls nach dem Sintern kleinere Korrekturen an den Gerüsten notwendig sein sollten, dann ausschließlich mit Diamanten und wassergekühlter Turbine arbeiten. Die Verblendkeramik soll möglichst gleichmäßig über das Gerüst aufgetragen werden, die optimale Schichtdicke liegt zwischen 0,7mm und 1,2mm.

Gleichwertige Alternativen

Es hat sich ein Nebeneinander gleichwertiger Alternativen herausgebildet, die sich hauptsächlich durch verschiedene werkstofftechnische und ästhetische Aspekte unterscheiden. Für den Zahntechniker/Zahnarzt bedeutet das, dass er sich nicht zwangsläufig entscheiden muss, sondern dass er nach der Devise: „Tue das eine, ohne das andere zu lassen“ beide Wege gehen kann. In der Folge heißt das, dass er – wie eingangs bereits erwähnt – entsprechend der jeweiligen Indikation und dem Wunsch seines Kunden auf die eine oder andere Fertigungsvariante zurückgreifen kann. Für diesen Fall ist es für ihn natürlich einfacher, wenn er die Systeme einfach miteinander kombinieren kann und auch – wiederum indikationsbedingt – beide Varianten nebeneinander verarbeiten kann.

Systeme als Lösungen

Die Industrie hat auf dieses Nebeneinander von metall- und vollkeramischen Lösungen mit der Einführung von Produktsystemen reagiert, die es dem Zahntechniker erleichtern, alle wichtigen Verarbeitungsparameter miteinander vergleichbar zu machen und vor allem innerhalb eines Systems untereinander abstimmen zu können. Auf Kritiker mag das so wirken, als wenn dies lediglich dem Hersteller nutzt, indem er den Nutzer zwingt, innerhalb des Systems zu wählen und so zusätzliche Verkäufe generiert. Fragt man jedoch Anwender, so gewinnt man ein vollkommen anderes Bild. Denn diese Systeme führen für ihn zu erheblichen Erleichterungen insbesondere in den Fällen, bei denen indikationsgemäß unterschiedliche Werkstoff-Verblend-Kombinationen erforderlich sind, wie z.B. Vollkeramik bei Frontzahnkronen, Metallkeramik bei Seitenzahnbrücken und Composite-Verblendmaterial für Kombinationsprothesen.

Eine ausführliche Literaturliste finden Sie hier.

Autorin: Kerstin Boenig


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