Implantologie 28.02.2011

Maximale Sicherheit beim Sinuslift



Maximale Sicherheit beim Sinuslift

Die Perforation der Schneider’schen Membran gilt als die häufigste Komplikation bei der Sinusbodenaugmentation. Zum State of the Art der gesteuerten Geweberegeneration in der Zahnheilkunde gibt es eine neue Technik für die Anwendung von Membranen. Im folgenden Beitrag soll zunächst ein kurzer Überblick über verschiedene Membrantypen und deren Anwendung gegeben werden.

Das biologische Prinzip der Guided Tissue Regeneration (GTR-Technik) wurde aus der Orthopädie zunächst auf die Regeneration parodontaler Gewebe – entstanden durch parodontale Erkrankungen – in die Zahnmedizin übertragen. Das Konzept basiert auf der Hypothese, dass unerwünschte Gewebezellen durch eine Membranbarriere daran gehindert werden, in die Wunde einzuwandern, um gleichzeitig jenen Zellen den Vorzug zu geben, welche die Fähigkeit haben, den gewünschten Gewebetyp wieder zu bilden. Die GTR-Technik findet ihre Anwendung in vielen chirurgischen Gebieten, mit dem Ziel verloren gegangene Gewebe zu regenerieren, so auch in der Knochenchirurgie mit dem Zweck, Knochen zu gewinnen. Sie wurde Anfang der 1980er-Jahre von Nyman und seinen Mit arbeitern an einem menschlichen Zahn vorgestellt9 und wird längst nicht mehr nur in der Parodontologie angewendet.


Ein wesentlicher Bestandteil der Konzepte von GTR und Guided Bone Regeneration (GBR) ist der Einsatz von Membranen. Sie nehmen hierbei mehrere wichtige Funktionen ein und bilden die Basis für vorhersagbare klinische Resultate bei der Regeneration von Knochen- und Parodontalgewebe.6

Funktionen von Membranen

Barrierefunktion
Die Membran schließt während der anfänglichen Phase der Wundheilung das konkurrierende und schnell wachsende Bindegewebe und Epithelzellen aus, um den langsam wachsenden Knochenzellen bei der GBR und den Zellen des Parodonts bei der GTR das Einsprossen zu ermöglichen, bevor der Platz vom Weichgewebe eingenommen werden kann.

Stabilisierung des Augmentats
Heute werden standardmäßig partikuläre Materialien für den Knochenaufbau bei den meisten implantologischen und parodontologischen Indikationen angewendet. Die Membran zwischen dem Augmentat und dem Weichgewebe stabilisiert die augmentierten Partikel und verhindert deren Migration. Dabei wird das Blut koagel als Basis für die Knochenregeneration ebenfalls stabilisiert.

Schutzfunktion
Als Schutz über dem Augmentat bildet die Membran eine Leitschiene für das darüberliegende Weichgewebe.7

Heute gilt das biologische Prinzip der GTR- und GBR-Technik als absolut vorhersagbare Methode, Kieferkämme zu verbreitern oder Defekte zu regenerieren, um auch in ungünstigen Knochenverhältnissen eine Implantation zu ermöglichen.3 Dabei kommen sowohl resorbierbare wie nicht resorbierbare Membranen zur Anwendung. Die nicht resorbierbaren Membranen müssen in einem zweiten Eingriff entfernt werden. Zu der als ersten in der GTR eingesetzten Membran liegen diverse umfangreiche klinische und experimentelle Erfahrungen zu synthetischen e-PTFE Membranen vor (z.B. GoreTex®).4 Diese sogenannte gestreckte Membran wird aus erwärmten Teflonfolien durch Dehnung gewonnen und weist eine spezielle Faserstruktur mit stark hydrophoben Eigenschaften auf. Um die Membran trotz der hydrophoben Eigenschaften am richtigen Ort platzieren zu können, wurden spezielle Befestigungssysteme wie das Memfix®- und Frios®-System entwickelt.

Ungestreckte PTFE-Membranen (z.B. Cytoplast® und Tefgen®) wurden mit dem Ziel entwickelt, exponierte Implantatanteile ohne primären Wundverschluss abzudecken, da ein Bakteriendurchtritt durch die dichte Oberfläche verhindert wird. Bei offener Einheilung kommt es nach drei bis vier Wochen zur Exfoliation der Membran.

Die Exposition der nicht resorbierbaren Membranen ist durch die Mikroporositäten und die damit verhinderte Bakteriendurchlässigkeit risikoarm. Dehiszenzen treten bei PTFE-Membranen aber häufiger auf als bei resorbierbaren Membranen.15 Ein primärer Wundverschluss kann sogar ausbleiben, da diese freiliegen können, ohne dass Epithelzellen oder Bakterien eindringen können. Die Entfernung ist durch die hydrophile Oberflächenkonfiguration einfach und für den Patienten wenig traumatisch.

Neue PTFE-Membranen ermöglichen durch Titangitter eine stabile Stützung und Formung. Die nicht resorbierbaren Membranen aus Titan oder mit Titangittern werden bei ausgedehnten präimplantologischen Augmentationen empfohlen, in denen eine gewisse Zeit eine Formstabilität durch die metallische Struktur erreicht werden soll.

In ästhetisch kritischen Regionen haben sich die resorbierbaren Membranen bewährt. Sie müssen nicht in einem Zweiteingriff entfernt werden, verlieren aber schnell ihre Formstabilität. Bei ihnen ist eine vorzeitige Exposition zu vermeiden, da eine Membranexposition das Risiko eines Augmentatverlusts erhöht. Resorbierbare Membranen bestehen zum Beispiel aus Glycolid 910. Das Material wird in der Chirurgie als Nahtmaterial seit vielen Jahren verwendet und wird rückstandsfrei vollständig resorbiert. Demgegenüber gibt es synthetische resorbierbare Membranen aus Copolymeren, sogenannte Compositematerialien. Diese rufen beim Abbau durch eine Fragmentierung der Reste eine Fremdkörperreaktion hervor, die die Weichteil- und Knochenregeneration negativ beeinflussen.

Membranen organischen Ursprungs sind z.B. aus Kollagen und beim Abbau nicht mit einem partikulären Zerfall verbunden. Sie werden in entzündungsfreien Prozessen durch phagozytäre Resorption zu natürlichen Aminosäuren abgebaut.7 Vertreter der Kollagenmembranen sind z.B. die Bio-Gide® (Fa. Geistlich) aus Schweinekollagen und die BioMend® (Fa. Zimmer) aus bovinem Kollagen. Die immunologische Verträglichkeit bestätigen serologische Untersuchungen. Nach zwei bis vier Wochen ist die Bio-Gide® resorbiert, die BioMend® resorbiert innerhalb von vier bis acht Wochen, die Tutodent® nach acht bis 16 Wochen. Die kürzere Barrieredauer der Bio-Gide® kann durch eine doppellagige Anwendung verlängert werden.

Bei der Bewertung der Membran müssen die spezifischen Vorteile berücksichtigt werden. Die resorbierbare Membran wird in der Parodontologie und in Fällen empfohlen, in denen eine Entfernung nicht möglich ist, zum Beispiel wie im folgenden geschilderten Fall zur Stützung der Schneider’schen Membran in der Kieferhöhle.

Indikationen für die Membrananwendung

– Deckung nach dem Auffüllen von intraossären (ein- bis dreiwandigen) und Furkationsdefekten (Klasse I/II) in der Parodontologie und Implantologie – Deckung von bukkalen Knochendehiszenzen und Fenestrationen bei Knochenmangel über apikalen Implantatwindungen – Deckung von horizontalen und vertikalen Augmentaten – Auffüllen und Abdecken von Extraktionsalveolen im Sinne der Socket Preservation – Abdeckung des lateralen Fensters bei der Sinusboden elevation sowie Abdeckung der Schneider’schen Membran bei Rupturen oder dünner Membran.

Der Fall

Wie eine Membran an zwei Körperstrukturen das Augmentat schützt und das Einwachsen von Bindegewebe verhindern kann, soll im folgenden Fall einer Sinusboden augmentation geschildert werden. An der Schneider’schen Membran deckt sie (Bio-Gide®, Fa. Geistlich) Mikrorupturen und Perforationen. Auch wenn diese nicht sichtbar sind, können sie nicht ausgeschlossen werden. Dort verhindert sie das Überpressen vom Knochenaugmentat in den Sinus. Die gleiche Membran deckt das laterale Zugangsfenster zum Sinus an der vorderen Kieferhöhlenwand.

Die Ausgangssituation

Eine 38-jährige Patientin stellte sich Anfang 2010 zum ersten Mal mit einem Lückengebiss in der Praxis vor. Ihr Wunsch war eine Implantatversorgung, um das Beschleifen von gesunden Zähnen zu vermeiden. Nach eingehender Untersuchung und Beratung wurde ein Behandlungsplan erstellt. Aus finanziellen Gründen wollte die Patientin zunächst nur die Versorgung der Lücke im zweiten Quadranten. Wir entschieden uns nach Abwägung der Vor- und Nachteile für eine implantatgetragene Brücke von 24 bis 26. Bis zum nächsten Termin wurde eine Bohrschablone vorbereitet, um intraoperativ die prothetische Ausrichtung der Implantate zu erleichtern. Vor dem Eingriff wurde mit der Bohrschablone ein DVT und OPG erstellt (Abb. 1).

Die Planung

Die DVT-Aufnahme ergab eine ausreichende Knochensituation in Regio 24, in Regio 26 nur eine Restknochenhöhe von knapp 6mm. Um das gewünschte Implantat von 11mm Länge inserieren zu können, war eine Sinusbodenaugmentation in Regio 26 unumgänglich. Auch wenn nach Summers die Implantatüberlebensrate beim internen Sinuslift erst bei einer Restknochenhöhe unter 5mm sinkt10, entschieden wir uns in diesem Fall für einen externen Sinuslift, um die fehlenden 5mm für ein 11mm langes Implantat zu gewinnen. Der Zugang erfolgte durch ein vestibuläres Fenster in die laterale Kieferhöhlenwand nach Tatum.14 Die Breite des vorhandenen Kiefers dagegen konnte als völlig unproblematisch eingestuft werden.

Der Eingriff

Die Patientin wurde mit 2g Amoxicillin und 600mg Ibuprofen prämediziert und anschließend im zweiten Quadranten anästhesiert. Nach krestaler Schnitt führung und Entlastungsinzision wurde ein Muko periostlappen gebildet. Auf eine Periostschlitzung wurde verzichtet, da durch die vorhandene Breite des Kieferkamms kein Augmentat lateral geplant war und sich somit keine Volumenzunahme ergeben würde (Abb. 2 und 3).

Alternativ zu rotierenden Instrumenten wurde das Knochenfenster in die faziale Kieferhöhlenwand durch Abtragen des vestibulären Knochens mit ultraschallgetriebenen Arbeitsspitzen mittels Piezosurgery-Technik (Fa. mectron) gelegt. Der Vorteil liegt hier im selektiven Schnittverhalten. Die Piezogeräte sind auf die Präparation von Hartgewebe abgestimmt. Benachbarte Weichgewebestrukturen bleiben bei Kontakt mit der schwingenden Spitze unversehrt.8 Diese Eigenschaft vermindert die Verletzungsgefahr der Schneider’schen Membran bei der Präparation des Knochendeckels.13 Durch das Knochenfenster von 12x6mm erfolgte die vorsichtige Ablösung der Kieferhöhlenschleimhaut zunächst wieder mit ultraschallgetriebenen Piezo-Spitzen, dann mit konventionellen Sinusinstrumenten unter optischer Kontrolle (Abb. 4 bis 7). Erst dann wurde der Bohrstollen für das Implantat angelegt.

Selbst mit dieser fortschrittlichen und patientenschonenden Technologie können Mikroperforationen nicht ausgeschlossen, aber minimiert werden. Membranperforationen werden in der Literatur bei 11– 56% der Sinusbodenaugmentationen angegeben.12 Sie stellt dabei die häufigste Komplikation dar.2 Routinemäßig wird in unserer Praxis die von Testori beschriebene Methode angewendet, eine resorbierbare Membran in den Sinus und außerhalb des Fensters zu legen.11 Eine resorbierbare Membran (Bio-Gide) wurde dazu auch in diesem Fall in die Form von zwei zusammenhängenden Flügeln zugeschnitten. Die mittlere zugeschnittene Einziehung entsprach dabei dem Durchmesser des Zugangsfensters in die Kieferhöhle. Mit einer Pinzette wurde einer der Flügel in den Sinus durch das Fenster gefaltet. Die mittlere Einziehung fixierte dabei die Membran. Der Flügel im Sinus wurde anschließend mit einem flachen Instrument wieder aufgefaltet. Dies lässt sich am besten visualisieren anhand von zwei verbundenen Schmetterlingsflügeln im Stil einer Origami-Technik (Abb. 8 bis 11). Anschließend wurde der neu gewonnene Raum in der Kieferhöhle mit dem bovinen Knochenersatzmaterial (Bio-Oss®) aufgefüllt, angefeuchtet und angereichert mit Eigenblut aus dem OP-Gebiet (Abb. 12 und 13). Letztendlich wurde der äußere Teil der Kollagenmembran über das Zugangsfenster geklappt (Abb. 14 und 15).

Bei der von Testori beschriebenen Membranapplikation sind drei Dinge zu beachten:
– exakter Zuschnitt der Membran
– glatte Ausbreitung der Membran im Sinus, – stabile Positionierung der Membran. Der Anteil der Membran außerhalb der Kieferhöhle darf sich nicht beim Einbringen des Knochenersatzmaterials in die Kieferhöhle verschieben.

Da die Restknochenhöhe eine Primärstabilität der Implantate versprach, wurden im gleichen Eingriff zwei Implantate (Ankylos®) mit 11mm Länge in Regio 24 und 26 gesetzt. Die Implantatüberlebensrate ist bei Verwendung von Membranen zur Abdeckung des Sinusfensters an der lateralen Kieferhöhlenwand signifikant höher als bei Behandlung ohne Membranen.2 Eine Pilotstudie belegt, dass die Abdeckung des Zugangs zum Sinus mit einer resorbierbaren Membran zwar keinen Einfluss auf die Quantität des neu gebildeten Knochens hat, dass aber signifikant weniger Weichgewebe im Sinus vorlag und die Oberflächenbeschaffenheit an der verheilten Zugangskavität glatter und gleich mäßiger ist. Ebenso verhindert die Membran, dass Augmentatpartikel aus der Sinuswand herausragen.5 Eine Anwendung der GTR-Technik ist folglich am lateralen Zugang zur Kieferhöhle empfehlenswert. Die Fixierung durch Pins ist im vorgestellten Fall durch die aufgefaltete Membran, die sich in ihrer Einziehung im Fenster fixiert, nicht nötig. Allgemein wird mit einer Perforation der Schneider’schen Membran ein Behandlungsmisserfolg assoziiert. Durch eine angemessene Behandlung der Perforation lässt sich dieses Problem in den Griff bekommen. Unbehandelt besteht das Risiko eines Implantatverlustes, Entzündung der Kieferhöhle und Verlusts des Augmentats. Der Eingriff muss durch die technischen Möglichkeiten heute nicht mehr abgebrochen werden. Perforationen unter 5mm sollten mit einer resorbierbaren Membran abgedeckt, Perforationen über 5mm zusätzlich vernäht werden. Eine geeignete Behandlung von Perforationen führt zu keinem erhöhten Risiko, ein Implantat zu verlieren, Infektionskomplikationen oder Versprengung von Augmentationsmaterial in den Sinus.1 Auch wenn durch die Anwendung der Piezosurgery die Perforationsgefahr erwiesenermaßen gesenkt werden kann12, ist die in der Literatur maximal angegebene Perforationsrate von 56% sehr hoch. Mikroperforationen bleiben unbemerkt. Aus diesem Grund wird die Schneider’sche Membran in unserer Praxis routinemäßig mit der von Testori11 beschriebenen Methode im Sinne der GTR behandelt.

Zusammenfassung

Die beschriebene Anwendung der Kollagenmembran im Sinne der GBR und GTR zeigt eine Möglichkeit, um gleichzeitig eine Augmentation und Implantation vorzunehmen. Sie kann des Weiteren im Fall von Komplikationen zum Einsatz kommen und so zum gewünschten OP-Ziel führen, ohne den weiteren Behandlungsverlauf und die Prognose des Erfolgs der Behandlung zu beeinträchtigen. Ohne die jahrelangen Erfahrungen und Fortschritte in der GTR-Technik wäre so manche Behandlung weniger Erfolg versprechend.

Eine ausführliche Literaturliste finden Sie hier.


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