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Recht 24.11.2025

Tod nach Zahnbehandlung – BGH hebt Urteil auf



Zuletzt wurde bei Report Mainz unter der Überschrift „Tod durch Narkose – wenn Ärzte pfuschen“ über Todesfälle in Arzt- und Zahnarztpraxen berichtet. Auf lennmed.de aktuell hatten wir bereits von dem Fall eines Patienten berichtet, der während einer Zahnbehandlung – unter Vollnarkose – in einer Zahnarztpraxis verstorben ist. Nach dem Tod des Patienten wurde der hinzugezogene Anästhesist vom Landgericht Hamburg zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Die ebenfalls angeklagte behandelnde Zahnärztin wurde freigesprochen.

Tod nach Zahnbehandlung – BGH hebt Urteil auf

Foto: zinkevych – stock.adobe.com

Bei diesem Fall gibt es eine neue Entwicklung, da der Bundesgerichtshof u.a. den Freispruch der Zahnärztin mit Urteil vom 13.08.2024 (Az. 5 StR 55/25) zur Neuverhandlung aufgehoben hat. Unabhängig von dem Fortgang dieses Verfahrens ist es grundsätzlich sinnvoll, die Abläufe beim Einbinden eines externen Anästhesisten auch juristisch zu überprüfen.

Im konkreten Fall sollte bei einem 18jährigen Patienten eine umfangreiche Zahnsanierung durchgeführt werden, da der Patient große Angst vor der Behandlung hatte, sollte diese unter Vollnarkose durchgeführt werden. Die morgens gegen 9 Uhr begonnene Behandlung unter Narkose verlief zunächst komplikationslos. Nach Reinigung der Zähne wurde deutlich, dass ein größerer Sanierungsbedarf gegeben war als ursprünglich gedacht. Die behandelnde Zahnärztin wollte die Behandlung jedoch trotzdem, weil vom Patienten vorher so gewünscht, in einer Sitzung abschließen und bat gegen 15 Uhr eine bei ihr angestellte Zahnärztin, sie bei der Zahnbehandlung am Patienten abzulösen, während sie selbst Laborarbeiten durchführte.

Nach achteinhalb Stunden Behandlung stellte der Anästhesist gegen 17:30 Uhr aufgrund eines Alarmsignals des Pulsoxymeters fest, dass die Sauerstoffsättigung und Pulsfrequenz des Patienten abfielen. Die anschließenden Versuche den Patienten zu stabilisieren und Reanimationsmaßnahmen waren nicht erfolgreich. Der Patient wurde ins Krankenhaus gebracht, wo aber trotz durchgängiger Reanimation letztlich um 19:50 Uhr der Tod festgestellt wurde.

Wie sich schlussendlich herausstellte entsprach die apparative Ausstattung des Anästhesisten nicht den Mindestanforderungen, dazu erfolgte der anästhesiologische Eingriff ohne Einsatz qualifizierten Assistenzpersonals. Der Anästhesist hatte den Patienten zuvor nicht ordnungsgemäß über die Standardunterschreitung aufgeklärt.

Im Hinblick auf die behandelnde Zahnärztin ging das Landgericht Hamburg davon aus, dass diese auf eine sorgfaltsgemäße Durchführung der Narkose durch den Anästhesisten habe vertrauen dürfen, obwohl dieser auf die erforderliche apparative Ausstattung und Assistenz verzichtete, da von einem Zahnarzt keine Kenntnis der essenziellen apparativen Ausstattung eines Anästhesisten bei ambulanter Vollnarkose zu erwarten sei.

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof führt in seiner Entscheidung zunächst aus, dass das Landgericht Hamburg, im Hinblick auf die behandelnde Zahnärztin, zunächst zutreffend von dem sog. Vertrauensgrundsatz ausgegangen ist. Nach der Rechtsprechung darf ein Arzt in der Regel auf die korrekte Vorarbeit eines Kollegen oder – bei arbeitsteiliger Zusammenarbeit von Ärzten verschiedener Fachrichtungen – auf die Sorgfalt des fachfremden Kollegen vertrauen, ohne die ärztliche Leistung seines Kollegen jeweils selbst überprüfen zu müssen.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs wurde jedoch – im Zusammenhang mit dem Vertrauensgrundsatz und der Beurteilung, ob bei der behandelnden Zahnärztin ernsthafte Zweifel an einer ausreichenden apparativen und personellen Ausstattung des Anästhesisten hätten entstehen müssen – die sich aufdrängende Risikosteigerung durch das Landgericht außer Betracht gelassen. Die Risikosteigerung ergäbe sich daraus, dass die Narkose für eine außerordentlich lange Dauer geplant und diese Planung zudem auf einer unsicheren Grundlage entstanden war. Der Patient selbst hatte vorab nur eingeschränkte Untersuchungen zugelassen. Die Prognose des Sanierungsbedarfs und damit zugleich die Dauer der Behandlung beruhte demnach auf einer nur vorläufigen Erkenntnisgrundlage.

Es würde in diesem Zusammenhang auf der Hand liegen, dass mit der zeitlichen Dimension einer Narkose nicht nur die Belastung für die Physis des Patienten, sondern auch die Anforderungen an das Durchhaltevermögen des die Narkose allein überwachenden Anästhesisten wachsen würde, so der Bundesgerichtshof. Es würde sich daher aufdrängen, dass mit der erhöhten Beanspruchung des Anästhesisten die Gefahr menschlicher Fehlleistungen und damit zugleich die Bedeutung der technischen Ausrüstung sowie der Unterstützung durch Assistenzpersonal steigt.

Weiterhin führt der Bundesgerichtshof aus, dass seitens des Landgerichts nicht geprüft wurde, ob seitens der behandelnden Zahnärztin, die für die Geltung des Vertrauensgrundsatzes maßgeblichen wechselseitigen Informations- und Koordinationspflichten ausreichend beachtet wurden.

Im vorliegenden Fall stellt sich dich Frage, ob, wann und mit welchem Inhalt die behandelnde Zahnärztin den Anästhesien nach Beginn der Behandlung über deren von ihr nunmehr vorgesehene zeitliche Verlängerung informierte. Dies wäre angesichts der mit der Dauer der Betäubung steigenden Risiken und des Umstands, dass der Anästhesist für die Planung seiner Vorkehrungen nur vom ursprünglich mitgeteilten zeitlichen Horizont hatte ausgehen können, zu erörtern gewesen, so der Bundesgerichtshof.

Darüber hinaus wirft der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung auch die Frage auf, ob die Behandlung durch die Zahnärztin – jenseits der unzureichenden Narkoseüberwachung und des damit verbundenen Aufklärungsdefizits – während ihres gesamten Verlaufs durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt war. Anhand der bisherigen Feststellungen könnte man nicht mit Sicherheit annehmen, dass die erteilte Einwilligung – im Hinblick auf die zahnmedizinische Behandlung – auch die deutliche zeitliche und inhaltliche Ausdehnung des Eingriffs nach Entdeckung des „größeren“ Behandlungsbedarfs ebenfalls abzudecken vermochte.

Auswirkungen für die Praxis

Die jüngst ausgestrahlte und viel diskutierte Reportage „Tod nach Narkose – Wenn Ärzte pfuschen“ des Südwestrundfunks (SWR) zeigt, dass der vorliegende Fall kein Einzelfall ist. In den überwiegenden Fällen wurde der anästhesiologische Eingriff jeweils ohne die erforderliche apparative Ausstattung oder veraltete, nicht vollfunktionsfähige Geräte sowie ohne Einsatz qualifizierten Assistenzpersonals durchgeführt.

Im Lichte der aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird deutlich, dass gerade Zahnärztinnen und Zahnärzte, die für eine Behandlung einen Anästhesisten hinzuziehen, zunächst darauf zu achten haben, dass im Vorfeld der zahnmedizinischen Behandlung eine enge Koordination und Abstimmung mit dem Anästhesisten zu erfolgen hat und dies auch entsprechend zu dokumentieren ist. Zur Planung des anästhesiologischen Eingriffes ist es weiterhin unerlässlich, dass die Prognose des Umfangs und der Dauer der zahnmedizinischen Behandlung auf einer sicheren Grundlage beruht.

Darüber hinaus wird es nun unerlässlich sein, sich zukünftig vor der Behandlung zu vergewissern und entsprechend zu dokumentieren, dass der hinzugezogene Anästhesist über die erforderliche apparative Ausstattung verfügt, diese auch funktionsfähig ist und der Eingriff auch mit qualifizierten Assistenzpersonal (soweit erforderlich) durchgeführt wird. Nur dann wird man auf die sorgfaltsgemäße Durchführung der Narkose durch den Anästhesisten vertrauen dürfen.

Quelle: lennmed.de

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