Recht 21.02.2011

Ein MKG-Chirurg darf keine Brustoperationen durchführen

Ein MKG-Chirurg darf keine Brustoperationen durchführen

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Hamburgischer Berufsgerichtshof für die Heilberufe verhängt Geldbuße

Dürfen Ärzte eines anderen Fachgebietes als der Plastischen Chirurgie Eingriffe wie Brustoperationen oder Bauchstraffungen vornehmen? Gegen einen Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie hat der Hamburgische Berufsgerichtshof für die Heilberufe mit Urteil vom 30.06.2010 (Az.: 6 Bf 60/10.HBG) nunmehr einen Verweis erteilt und eine Geldbuße in Höhe von 1.500 EUR festgesetzt.

Niedergelassener Vertragsarzt und Geschäftsführer einer Klinik

Ein MKG-Chirurg, der seit 2002 in Hamburg eine entsprechende Fachpraxis betrieb, war zugleich Geschäftsführer einer Klinik, in der er u. a. Brustoperationen und Straffungen von Bauchdecke und Oberarmen durchführte. Im Rahmen dieser Tätigkeit verzichtete der Arzt darauf, seinen Facharzttitel zu führen. In den vergangenen Jahren hatte er insgesamt ca. 600 Brustimplantate eingesetzt. Die Ärztekammer Hamburg erachtete dies als Verstoß gegen das aus dem Hamburgischen Kammergesetz für die Heilberufe (HmbHKG) sowie der Berufsordnung der Hamburger Ärzte und Ärztinnen resultierende Gebot, beim Führen einer Facharztbezeichnung grundsätzlich nur auf diesem Gebiet tätig zu werden. Er habe als Facharzt für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie ästhetisch-plastische chirurgische Eingriffe an Rumpf und Extremitäten vorgenommen, die Bestandteil der Weiterbildung zum Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie seien. Da sie nicht seinem Fachgebiet zuzuordnen seien, dürfe er derartige Eingriffe auch nicht erbringen.

Irrelevant sei, dass er in der Klinik auf die ihm verliehene Gebietsbezeichnung verzichte. Das gleiche gelte für den Umstand, dass die Maßnahmen regelmäßig medizinisch nicht indiziert und privat abgerechnet würden. Der beschuldigte Facharzt wandte ein, dass die von ihm durchgeführten plastischen Operationen in ihrer Schwierigkeit weit hinter den Eingriffen zurückblieben, die er in seiner Praxis für Mund- Kiefer-Gesichtschirurgie erbringe. Schließlich verfüge er auch über eine Doppelapprobation als Arzt und Zahnarzt. Die Patienten, die ihn in der Klinik aufsuchten, würden ihn nicht als MKG-Chirurg kennen.

Die erstinstanzliche Entscheidung

Das Berufsgericht erteilte dem MKG-Chirurg einen Verweis und legte ihm eine Geldbuße in Höhe von 1.500 EUR auf. Der Beschuldigte habe gegen das Hamburgische Kammergesetz für die Heilberufe sowie die Berufsordnung der Hamburger Ärzte und Ärztinnen verstoßen, weil er grundsätzlich nur auf dem Gebiet tätig werden könne, für welches er eine Facharztbezeichnung erworben habe. Sinn und Zweck der Vorschrift bestehe darin, zu erreichen, dass Fachärzte in erster Linie auf ihrem Spezialgebiet tätig seien, um das in ihre Fähigkeiten gesetzte Vertrauen der Patienten nicht zu unterlaufen. Das Berufsgericht stellte fest, dass die Beschränkung an die Person des Arztes anknüpfe und nicht an den Ort seiner Tätigkeit. Es habe sich auch nicht um Notfallbehandlungen gehandelt, weil die Patienten den Arzt gezielt mit dem Wunsch einer Schönheitsoperation aufgesucht hätten. Zugute käme dem Arzt, dass er sich zuvor habe rechtlich beraten lassen, was auch dazu geführt habe, dass die Klinik als GmbH geführt wurde.

Zurückweisung der Berufung

Der MKG-Chirurg legte Berufung ein, die der Hamburgische Berufsgerichtshof für die Heilberufe nunmehr mit Urteil vom 30.06.2010 zurückwies. Das Berufungsgericht folgte der erstinstanzlichen Entscheidung, dass sich aus dem Hamburgischen Kammergesetz für die Heilberufe eindeutig das Gebot ergebe, dass derjenige, der eine Gebietsbezeichnung führe, nur auf diesem Gebiet tätig werden dürfe. Dies spiegle sich im Übrigen in der Berufsordnung der Hamburger Ärzte und Ärztinnen wider. Das Führen einer Facharztbezeichnung vermittle Vertrauen, dass der Arzt über besondere Kenntnisse auf dem betreffenden Fachgebiet verfüge. Im vorliegenden Fall hätten sich die Patienten umfassend über den Arzt aus allgemein zugänglichen Quellen – insbesondere dem Internet – informieren und hier in Erfahrung bringen können, dass er über eine bestimmte Facharztbezeichnung verfüge. In seiner Praxis würde er auch als Facharzt vorgestellt. In unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Tätigkeit würden sich allerdings auch zahlreichen Angebote zu den von ihm angebotenen ästhetischen Operationen in der Klinik finden.

Auf Grund des engen unmittelbaren Zusammenhangs beider Tätigkeitsfelder führe dies dazu, dass ein Patient beide Bereiche gedanklich verbinden könne in der Erwartung, dass der Beschuldigte als Facharzt in beiden Tätigkeitsgebieten eine besondere fachliche Qualifikation besitze und über umfassende Erfahrungen verfüge.

Auf die Weiterbildungsordnung kommt es an

Der Hamburgische Berufsgerichtshof zog zur Beantwortung der Frage, ob ein Arzt noch innerhalb seines Fachgebiets tätig sei, die maßgebliche Weiterbildungsordnung heran. Für das Gebiet der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie sei die Tätigkeit sowohl nach der geltenden als auch nach der früheren Weiterbildungsordnung ausschließlich auf den Mund-Kiefer- und Gesichtsbereich beschränkt. Beide Weiterbildungsordnungen verlangten neben dem ärztlichen auch den Abschluss des zahnärztlichen Examens sowie eine 48- bzw. 60-monatige Weiterbildungsdauer. Dem gegenüber legen die Weiterbildungsordnungen für die Weiterbildung zum Facharzt für Plastische Chirurgie eine 72-monatige Weiterbildung fest. Auch wenn gewisse Kenntnisse und Fertigkeiten in beiden operativen/chirurgischen Gebieten übereinstimmend vorausgesetzt würden, handle es sich um selbständige Gebiete. Die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie sei eine auf diesen Körperbereich bezogene fachärztliche Tätigkeit, während sich die plastische und ästhetische Chirurgie auf alle Körperregionen beziehen könne.

Durchbrechung des Grundsatzes nur in Ausnahmefällen

Das Gericht erkannte, dass das Gebot, nur im jeweiligen Fachgebiet tätig zu sein, nicht strikt gelte. Dies offenbare der in diesem Zusammenhang in den Regelungen verwendete Begriff „grundsätzlich“. Dies bedeute, dass ausnahmsweise ärztliche Tätigkeiten, die einem anderen Fachgebiet zuzurechnen sind, erbracht werden könnten. Der Beschuldigte würde aber nicht nur vereinzelt oder gelegentlich fachfremd tätig, sondern böte systematisch diese Operationen an. Bereits die gezielte Werbung mit der Durchführung von ästhetisch-plastischen Operationen berge bereits die Gefahr, dass sich der Anteil der fachfremden ärztlichen Tätigkeiten des Beschuldigten schleichend immer weiter erhöhe. Folglich sei es nicht zu beanstanden gewesen, dass die Ärztekammer eingegriffen habe.

Beschränkung auf das Fachgebiet und Berufsausübungsfreiheit

Soweit der Beschuldigte auf das aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) resultierende Berufsausübungsfreiheit hingewiesen hatte, vermochte das Gericht keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Beschränkung zu erkennen. Zwar handle es sich um einen Eingriff, der jedoch durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sei. Diese seien in der Sicherstellung der Erhaltung des durch die Spezialisierung erworbenen Leistungsstandards eines Facharztes ebenso zu sehen wie im Patientenschutz. Eine Gebietsbeschränkung sei auch das mildeste Mittel, um den Gemeinwohlbelangen zu entsprechen. Es sei einem Facharzt auch zuzumuten, nur auf seinem Gebiet tätig zu sein, da die Facharztbereiche sachlich abgegrenzt und klar unterscheidbar seien. Vereinzelte Ausnahmen ließen die Gebietsbeschränkungen zu.

Zusammenfassung

Die vorliegende Entscheidung stellt klar, dass Fachärzte auch dann auf ihr Gebiet beschränkt bleiben, wenn sie fachlich in der Lage sind, auch andere Leistungen zu erbringen, die anderen Fachgebieten zugeordnet sind. Sofern solches ausnahmsweise oder in Notfällen geschieht, ist dies berufsrechtlich nicht zu beanstanden. Das systematische Anbieten fachfremder Leistungen ist jedoch als Berufsrechtsverstoß zu werten. Die Entscheidung des Hamburgischen Berufsgerichtshofes für die Heilberufe verdeutlicht, dass auch innerhalb der Chirurgie die Facharztbezeichnungen und die hieraus resultierenden Grenzen respektiert werden müssen. Dies gilt selbst dann, wenn die Tätigkeit außerhalb des Leistungsspektrums der eigenen Gebietsbezeichnung einen geringeren Schwierigkeitsgrad aufweist. Klargestellt ist auch, dass ein Mund-Kiefer-Gesichtschirurg nur eine auf diesen Körperbereich bezogene fachärztliche Tätigkeit erbringen darf, während die plastische und ästhetische Chirurgie alle Körperregionen betreffen kann. In dem vom Hamburgischen Berufsgerichtshof für die Heilberufe entschiedenen Fall hatte lediglich der beschuldigte Arzt Berufung eingelegt. Zum Schluss des Berufungsurteils finden sich Ausführungen zur Frage der Strafzumessung, die darauf hinweisen, dass sich das Berufsgericht – wenn es nicht wegen des Grundsatzes des Verbotes der Verböserung bei der ausschließlich durch den Beschuldigten eingelegten Berufung gehindert gesehen hätte – auch eine höhere Geldbuße verhängt hätte. Denn soweit das erstinstanzliche Berufsgericht dem Beschuldigten eine Geldbuße in Höhe von 1.500,- € auferlegt hatte, erachtete das Berufungsgericht diese als nicht zu streng bemessen.

Autor: Rechtsanwälte Ratajczak & Partner, Dr. Marc Sieper, Sindelfingen/ Fachanwalt für Medizinrecht, Email: sieper@rpmed.de


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