Branchenmeldungen 30.09.2025

Zahnmedizinstudentin gewinnt Sonderpreis für Forschung zu Amalgamalternativen



Mit dem Anfang dieses Jahres in Kraft getretenen Amalgamverbot rückt eine bekannte Diskussion erneut in den Fokus: Welche Materialien eignen sich als verlässliche Alternativen? Laurissa Skorianz, Studentin der Medizinischen Universität Graz, hat sich in Ihrer Diplomarbeit dieser Frage gewidmet und geht der Abrasionsbeständigkeit von Amalgamalternativen unter besonderer Berücksichtigung von Bulk-Fill-Kompositen auf den Grund. Nun erhielt sie für ihre herausragende Arbeit nicht nur ein Forschungsstipendium, sondern auch den Sonderpreis für die beste Nachwuchsarbeit des Jahres von der WKO Steiermark. Mehr über ihre In-vitro-Studie und Forschungsergebnisse verrät die Nachwuchswissenschaftlerin im Interview.

Zahnmedizinstudentin gewinnt Sonderpreis für Forschung zu Amalgamalternativen

Foto: WKO Steiermark/Pressestelle Medizinische Universität Graz/Arroyan Art – stock.adobe.com

Frau Skorianz, was war Ihr zentraler Beweggrund, sich dem Thema Amalgamalternativen zu widmen?

Der Anstoß für meine Themenwahl entstand bereits 2023 in ersten Gesprächen mit meinem Betreuer, Herr Dr. Alexander Behlau. Er machte mich darauf aufmerksam, dass das Ende von Amalgam als Füllungsmaterial in der EU unmittelbar bevorsteht und die Zahnmedizin dringend geeignete Alternativen evaluieren muss. Mir wurde schnell klar, dass das Thema große Relevanz hat. In unseren Diskussionen zeigte sich zudem, dass insbesondere die Abrasionsbeständigkeit ein zentrales Kriterium für die klinische Bewährung solcher Materialien ist. Auf dieser Grundlage habe ich mein Thema eingereicht. Dass nur zwei Monate nach der Einreichung das Verbot von Amalgam ab 2025 offiziell beschlossen wurde, verleiht der Arbeit zusätzliche Aktualität und Relevanz und unterstreicht, dass die Fragestellung einen wichtigen Beitrag zur zukünftigen Versorgung leisten kann.

Nach welchen Kriterien haben Sie die acht untersuchten Amalgamersatz-Materialien ausgewählt?

Bei der Auswahl war mir wichtig, ein möglichst breites, zugleich aber praxisrelevantes Spektrum an Amalgamalternativen abzudecken. Ein besonderer Fokus lag auf den Bulk-Fill-Kompositen, da Komposit seit Jahren als bewährtes Restaurationsmaterial gilt und diese neue Materialklasse durch ihre vereinfachte und effiziente Verarbeitung an Bedeutung gewonnen hat. Außerdem wollte ich das Alkasit-Material Cention® Forte (Ivoclar Vivadent GmbH) untersuchen, da es explizit als Amalgamalternative beworben wird. Ein klassisches Komposit diente als Vergleich zu einem etablierten Standardmaterial. Ich habe des weiteren einen glasfaserverstärkten Komposit miteinbezogen, der zwar in dicken Schichten appliziert werden kann, laut Hersteller aber zwingend eine Deckschicht benötigt. Mich interessierte hierbei insbesondere, wie diese Besonderheit die Oberflächengestaltung und Abrasionsbeständigkeit beeinflusst.

Könnten Sie kurz den Versuchsaufbau beschreiben – und wie Sie hier für Standardisierung gesorgt haben?

Für die Untersuchung haben wir einen zweiachsigen Kaukraftsimulator (CS-4.2, SD Mechatronik) verwendet, der realistische Kaubewegungen nachbildet. Jede Probe wurde in konfektionierten Haltern fixiert und mit einer 6 mm großen Edelstahlkugel als Antagonist belastet. Zur Standardisierung haben wir alle Materialien streng nach Herstellerangaben appliziert und polymerisiert. Pro Material wurden acht Proben hergestellt, die randomisiert auf die Probenkammern verteilt wurden. Die Belastungsparameter orientierten sich an in der Literatur häufig verwendeten Werten: 50 N Kaukraft, lineare Bewegungsrichtung, 1,25 Millionen Zyklen sowie begleitendes Thermocycling zwischen 5 °C und 55 °C. Durch eine einheitliche Oberflächengestaltung mittels Glasplatte, standardisierte Lichtpolymerisation und Kalibrierung des Simulators konnte eine hohe Vergleichbarkeit zwischen den Materialien erreicht werden. Ergänzend wurden die Oberflächen nach der Versuchsreihe rasterelektronenmikroskopisch untersucht, um auch mikromorphologische Unterschiede sichtbar zu machen. Besonders wichtig war mir, alle Parameter und Herstellungsschritte detailliert zu dokumentieren, um die Standardisierung nachvollziehbar zu machen.

Wie wurde die Versuchsreihe durchgeführt?

Eine einzelne Versuchsreihe dauerte drei bis sechs Wochen. Insgesamt erstreckten sich der Vorversuch und die anschließende Testphase mit ersten Testversuchsreihen und fünf durchgeführten Versuchsreihen über etwa ein Jahr. Pro Testreihe wurden 1,25 Millionen Kaubelastungszyklen durchgeführt, ergänzt durch 5.500 Temperaturwechselbäder zwischen 5 °C und 55 °C, um klinische Bedingungen möglichst realitätsnah zu simulieren. Auch wenn es sich um ein Labor-Setting handelt, lag der Vorteil darin, dass alle Materialien unter streng kontrollierten Bedingungen direkt miteinander vergleichbar waren.

Gab es überraschende Unterschiede zwischen den getesteten Materialien?

Ja, deutliche Unterschiede haben sich gezeigt. Vor allem die Bulk-Fill-Komposite unterschieden sich teils stark in ihrer Abrasionsbeständigkeit. Besonders überzeugend war Cention® Forte, das in unserer Versuchsreihe die höchste Abrasionsbeständigkeit zeigte. Überraschend war auch, dass Materialien, die durch besondere Eigenschaften beworben werden, nicht immer die besten Ergebnisse erzielten.

Lassen sich eventuelle klinische Empfehlungen aus Ihren Ergebnissen ableiten?

Grundsätzlich ja, jedoch mit Vorbehalt: Die Ergebnisse stammen aus einer In-vitro-Studie und sollten durch klinische Studien bestätigt werden, bevor endgültige Empfehlungen ausgesprochen werden. Zudem müssen andere Eigenschaften wie Biokompatibilität, Randdichtigkeit oder Biegefestigkeit ebenfalls berücksichtigt werden. Schon jetzt zeigt sich, dass neben klassischen Kompositen auch andere Materialklassen als Amalgamalternativen in Frage kommen.

Glauben Sie, dass es ein Material gibt, das Amalgam in allen Eigenschaften vollständig ersetzen kann?

Aktuell gibt es kein Material, das Amalgam in allen Eigenschaften vollständig ersetzen kann. Moderne Alternativen bieten jedoch Vorteile in anderen Bereichen, etwa durch Fluoridabgabe oder ästhetische Eigenschaften, die Amalgam nicht leisten kann. Die Forschung macht stetig Fortschritte, sodass wir in den nächsten Jahren weitere Verbesserungen erwarten können.

Gibt es offen gebliebene Forschungsfragen, denen sich die Amalgam-Alternativenforschung aus Ihrer Sicht in Zukunft widmen sollte?

Es gibt noch viele Aspekte, die in der Amalgam-Alternativen-Forschung untersucht werden sollten – nicht nur die Abrasionsbeständigkeit, sondern auch weitere Materialeigenschaften, die für die Praxis entscheidend sind. Besonders wichtig ist, dass die Ergebnisse meiner In-vitro-Studie durch klinische Studien validiert werden. Auf Basis meiner Arbeit werden aktuell auch 3-D-Analysen von einem Kollegen angefertigt, um die Resultate weiter zu untermauern. Mein Ziel ist es, die Studie wissenschaftlich zu publizieren. Gleichzeitig halte ich es für wichtig, den Blick breit zu halten und viele verschiedene Materialien hinsichtlich ihrer Beständigkeit und Langlebigkeit zu analysieren.

Welche Bedeutung hat die Auszeichnung für Ihre berufliche Zukunft?

Die Auszeichnung ist für mich eine große Ehre und ein Zeichen der Wertschätzung für die investierte Arbeit. Mein Hauptfokus liegt aktuell auf meinem letzten Studienjahr und dem Abschluss im Jahr 2026. Ich bin sehr motiviert, in Forschung und Lehre rund um die Zahnmedizin aktiv zu werden, wobei ich meinen Blick bewusst breit halte – neben der konservierenden Zahnheilkunde interessiere ich mich besonders für die orale Chirurgie.

Welcher Moment war für Sie der wichtigste oder schönste während des Projekts?

Für mich persönlich war der wichtigste Moment, die Ergebnisse nach der statistischen Auswertung in den Händen zu halten: zu sehen, welche Unterschiede zwischen den Materialien bestehen und welche Eigenschaften für die Abrasionsbeständigkeit entscheidend sind. Besonders schön war zudem die Preisverleihung selbst – die Auszeichnung als beste Nachwuchsarbeit gemeinsam mit meiner Familie und Freunden zu erleben, war ein toller Moment.

Vielen Dank für das informative Interview und alles Gute für Ihre persönliche und berufliche Zukunft!

Mehr News aus Branchenmeldungen

ePaper