Branchenmeldungen 13.05.2022
Dentinhypersensibilität meets kompetente Patientenkommunikation
Bei einer 2020 durchgeführten Befragung1 gaben neun von zehn Zahnärzten an, dass ihnen das Erkennen einer Dentinhypersensibilität (DHS) bei ihren Patienten persönlich wichtig ist. Dennoch fragt weniger als die Hälfte (39 Prozent) proaktiv danach.1 Auch umgekehrt ist es ähnlich: Patienten scheinen ihre Dentinhypersensibilität in der Zahnarztpraxis nicht immer zu erwähnen.2 Was daraus für die Praxis folgt, verrät der folgende Beitrag, einschließlich Interview.
Zahnärztliche Untersuchungen können oftmals nicht alle Versorgungsbedarfe erfassen, gerade dann nicht, wenn Patienten vergessen, punktuelle Beschwerden, die für Behandler nicht unmittelbar sichtbar sind, anzusprechen. Was folgt? Die Beschwerden bleiben bestehen. Hier ist ein proaktiver Ansatz vonseiten der Behandler notwendig, denn Patienten wünschen sich eine adäquate Betreuung.
Zufriedene Patienten durch kommunikative Behandler
Dies wird durch Forschungsergebnisse gestützt: Die Einschätzung von Patienten zur Qualität der zahnmedizinischen Versorgung sowie die Bereitschaft, diese in Anspruch zu nehmen, hängt davon ab, wie sie die Zahnärzte als Betreuer wahrnehmen. Patienten sind zu friedener mit Zahnärzten, die über Optionen einer Behandlung aufklären und über gute kommunikative Fähigkeiten verfügen.3
Dentinhypersensibilität mindert Lebensqualität
Dabei ist Dentinhypersensibilität nicht selten, mindestens ein Drittel der Europäer zwischen 18 und 35 Jahren kann davon berichten.4 Für viele der Betroffenen beeinträchtigt dieser Zustand wesentlich ihre persönliche Lebensqualität.5 Diese Auswirkungen auf die Lebensqualität sind mit validierten Methoden untersucht worden: Laut Bekes et al. ist der Wert für die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität (gemessen mit dem OHIP-49-Fragebogen zur mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität) bei Patienten mit DHS signifikant schlechter als in der Allgemeinbevölkerung.6
Dentinhypersensibilität kurz erklärt
Freiliegendes Dentin und daraus folgend Dentinhypersensibilität tritt sehr oft in Kombination mit Anzeichen von Zahnerosion und/oder freiliegenden Zahnhälsen auf. 5 Ursächlich für Zahnerosion ist häug der regelmäßige Konsum säurehaltiger Lebensmittel und Getränke, traumatisierendes Zahnputzverhalten und/oder (behandelte) Parodontitis.7 Der Flüssigkeitsstrom innerhalb der freigelegten Dentinkanälchen „übersetzt“ unterschiedliche auslösende Reize und es kommt zu den charakteristischen plötzlich auftretenden und meist kurz anhaltenden Schmerzen.
Kommunikation: Mehr als Small Talk
Bevor Behandler ihren Patienten helfen können, ist Kommunikation wichtig, schon bei der Differenzialdiagnose – episodischer Zahnschmerz kann auch andere Ursachen haben – und genauso bei der Ursachenforschung. Die individuell angepasste Therapie bei Dentinhypersensibilität sollte immer in Zusammenarbeit mit den Patienten erfolgen. Sowohl die Beseitigung möglicher Ursachen als auch die Linderung von Symptomen sind dabei wichtig.
Was tun?
Die Beschwerden bei Dentinhypersensibilität können gelindert werden, und das oft schon mit einfachen Mitteln – etwa durch eine Änderung der Zahnputztechnik, Anpassungen im Ernährungsverhalten, und durch die regelmäßige unterstützende Anwendung geeigneter Mundpflegeprodukte wie Zahnpasten mit Inhaltsstoffen, die vor Schmerzempfindlichkeit schützen.9 Einer dieser Inhaltsstoffe ist Zinnfluorid, wie z. B. in Sensodyne Repair&Protect: es bildet bei regelmäßiger zweimal täglicher Anwendung der Zahnpasta eine Schutzschicht über den schmerzempfindlichen Bereichen der Zähne und schützt so klinisch nachgewiesen anhaltend vor Schmerzempfindlichkeit.10
Interview mit Prof. Dr. Johan Wölber
Wie sieht es mit der Vermeidung möglicher Ursachen aus – wie eine Veränderung von Ernährung und Zahnputzverhalten? Über dieses Thema haben wir mit Prof. Dr. Johan Wölber von der Universität Freiburg gesprochen. Er ist Parodontologe, Ernährungsmediziner und zudem ein bekannter Experte zur Patientenkommunikation in der Zahnmedizin.
Prof. Dr. Wölber, was hat Sie dazu bewogen sich wissenschaftlich mit dem Thema Patientenkommunikation zu befassen?
Wir Zahnärzte und zahnärztlichen Teams sind häufig sehr auf die handwerklichen Fähigkeiten und technischen Details unseres Berufs fokussiert und darin super ausgebildet. Wenn es aber darum geht, diese hohe Qualität nicht nur in den Mund, sondern auch zum Menschen als emotionales Wesen zu transportieren, scheitern leider viele von uns. Kein Patient kann die technisch-objektive Qualität seiner Restauration valide bewerten. Er wird stattdessen in der Bewertung auf andere Faktoren wie die Kommunikation des Behandlungsteams zurückgreifen. Wenn ich also die schönste Füllung kreiere, dabei aber schlecht kommuniziere, wird der Patient auch subjektiv die Füllung schlecht oder schlechter bewerten.
Wenn wir aber noch einen Schritt weitergehen und uns fragen, wieso Menschen eigentlich Karies, Gingivitis und Parodontitis bekommen, dann kommen wir zum Schluss, dass dies eigentlich vermeidbare Erkrankungen sind, denen der Patient durch Verhaltensänderungen sehr gut vorbeugen kann. So wurde mir klar, dass eine präventiv orientierte und kausal therapierende Zahnmedizin auch verhaltensbedingte Risikofaktoren adressieren sollte. Und dies sollten wir in genau derselben Qualität und mit den Ansprüchen machen, die wir an unsere Restaurationen und andere technische Leistungen stellen. Nur: Darin müssen wir besser ausgebildet werden!
Wie läuft bei Ihnen ein typisches Erstgespräch etwa mit einer Patientin mit vermuteter Dentinhypersensibilität ab?
Das A und O ist ein vertrauensvolles und entspanntes Gespräch. Es gibt oft eine Diskrepanz zwischen empfundener und berichteter Dentinhypersensibilität. Nicht selten haben Patienten die Dentinhypersensibilität geradezu verdrängt. Auch wenn es eine Routineuntersuchung ist, haben doch viele Menschen einen steigenden Puls und eine Anspannung, wenn sie zum Arzt oder Zahnarzt gehen. In dieser Anspannung vergisst man so einiges, auch Dentinhypersensibilität. Das heißt, Vertrauen und Entspannung sind ganz wesentliche Kennzeichen eines guten Gesprächs.
Bei einem Patienten sehe ich beispielsweise freiliegende Zahnhälse sowie Anzeichen von Erosion. Möglicherweise also ein Problem der Ernährung und/oder traumatisierender Anwendung der Zahnbürste? Indem ich sehr gut zuhöre, geeignete offene Fragen stelle und Patientenaussagen reflektiere, gewinne ich das Vertrauen meiner Patienten. Elemente des Motivational Interviewing können auch in der Praxis eingesetzt werden, um Anstöße für ein geändertes Verhalten zu geben. Ein Beispiel: „Wäre das in Ordnung, wenn wir das Thema Zahnpflege am Ende einmal kurz besprechen?“ Eine solche Frage wird Ihnen kaum jemand verneinen. Die Frage „Wie betreiben Sie momentan Mundhygiene?“ erlaubt Ihnen, sich gemeinsam mit dem Patienten dem Thema zu nähern.
Motivational Interviewing und Dentinhypersensibilität – wie passt das zusammen?
Ernährungsverhalten oder auch Zahnputzverhalten sollten sich bei den meisten Betroffenen ändern – das ist zwar leicht gesagt, aber so einfach geht das zumeist nicht. Bevor wir bereit sind, unser Verhalten zu ändern, sind mehrere Schritte erforderlich, die im Motivational Interviewing besprochen werden können. Der Einstieg ist mit dem ersten offenen Gespräch geschafft, etwa über Beschwerden und den möglichen Zusammenhang auch zum Patientenverhalten. Ist das Problem erst einmal auf dem Tisch, kann es weitergehen.
In der niedergelassenen Praxis läuft immer die Uhr mit. Da bleibt nicht viel Zeit für das Gespräch mit den Patienten. Wie führt man ein Gespräch zielführend unter Zeitdruck?
Ich würde es so formulieren: Wir haben die Zeit, die wir haben. Und wir können die Zeit mit gelungener Kommunikation füllen oder mit schlechter. Wie viel Zeit ich mir für die Kommunikation in ihrer Quantität einräumen möchte, darf ja jeder frei bestimmen. Das ist eine Mischkalkulation mit vielen Variablen: Das Extrem wäre, ich rede gar nicht mit dem Patienten und mache nur mein Handwerk. Dann habe ich kurzfristig zwar ein super Kosten-Einkommens-Verhältnis, nur langfristig kommt der Patient halt nicht wieder. Schlimmer noch: Vielleicht beschwert sich der Patient sogar und gibt mir im Internet eine schlechte Bewertung. Dann hätte mich die Behandlung sogar mehr gekostet als mir erbracht. Das heißt, wir müssen das kurzfristige Kosten-Einkommens-Verhältnis und die Patientenzufriedenheit unter einen Hut bringen. Hier kann geschulte Kommunikation helfen, keine Zeit mit ungelungener Kommunikation zu verschwenden, die in ihren Auswirkungen noch mehr Zeit kostet. Gelungene Kommunikation ist effiziente Kommunikation. Darin würde ich das ganze Team von Empfang bis zur Behandlung immer wieder schulen.
Gerade bei Dentinhypersensibilität ist die adäquate häusliche Zahnpflege sehr wichtig. Wie können dabei aus Ihrer Sicht spezifische Empfehlungen, etwa zur Anwendung einer therapeutischen Zahnpasta wie Sensodyne, helfen?
Die Therapie einer Dentinhypersensibilität erfolgt sehr individuell – Sowohl die Eingrenzung von Ursachen und Risiken für eine Verschlechterung als auch die Linderung von Symptomen sind wichtig. Patienten freuen sich, wenn Behandler auch konkrete Empfehlungen geben. Eine unterstützende Zahnpasta etwa kann in vielen Fällen helfen. Dazu ist es wichtig, dass eine solche Empfehlung auch durch Evidenz gestützt ist – Empfehlung also nur von Produkten, die nachgewiesen funktionieren.
Autoren: Dr. Isabella Kauer und Dr. Marianne von Schmettow
Eine Literaturliste steht hier zum Download für Sie bereit.
Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.