Branchenmeldungen 26.02.2014
Diagnose-Kaugummi für Implantate
An Zahnimplantaten kann es Komplikationen geben, die auch den Kieferknochen bedrohen. Ein Spezial-Kaugummi soll künftig dabei helfen, dieses Problem frühzeitig zu erkennen.
Wenn im Gebiss Zähne fehlen, lassen
sie sich durch Implantate ersetzen. Dabei wird eine künstliche
Zahnwurzel im Kieferknochen verschraubt und mit einer Krone versehen.
Bis zu einer Million solcher Implantate werden jedes Jahr in
Deutschland gesetzt, wie die Deutsche Gesellschaft für Implantologie
schätzt.
Zu den ärztlichen Routinekontrollen nach diesem
Eingriff könnte in Zukunft ein Spezial-Kaugummi gehören. Der
Patient müsste schleunigst zum Zahnarzt gehen, wenn sich beim Kauen
ein bitterer Geschmack bemerkbar macht. Denn dieses Warn-Aroma
kündigt eine Komplikation an, die so früh wie möglich behandelt
werden sollte. „So könnte jeder Patient seine Implantationszone
mit geringem Aufwand selbst überwachen“, sagt Professor Lorenz
Meinel vom Institut für Pharmazie der Universität
Würzburg.
Bakterien zerstören Kieferknochen
Der
Kaugummi ist noch Zukunftsmusik, die Komplikation nicht: In den
Jahren nach dem Setzen eines Zahnimplantats kann bei ungefähr sechs
bis fünfzehn Prozent der Patienten eine so genannte Periimplantitis
entstehen. Schuld daran sind Bakterien: Sie infizieren das Gewebe
rund ums Implantat und sorgen für eine Entzündung, die zunächst
das weiche Gewebe und dann den Knochen zerstört.
Wenn der
Kaugummi diese Komplikation ankündigt, kann der Zahnarzt das
Krankheitsgeschehen schon in einem sehr frühen Stadium beeinflussen.
Bei der Therapie geht es vorrangig darum, die Infektion zu
beseitigen. Wenn das frühzeitig geschieht, kann der
infektionsbedingte Gewebeverlust rund um das Implantat verhindert
werden, und das Implantat ist nicht gefährdet. Ist die Erkrankung
schon mit Knochenverlust fortgeschritten, muss der Zahnarzt zu
radikaleren Methoden greifen, und das Risiko für einen Verlust des
Implantats steigt drastisch.
Warnsignal im Mund
Eine
möglichst frühe Erkennung der Komplikation ist also wichtig. Daran
arbeitet der europäische Forschungsverbund STEP, dem die Würzburger
Pharmazeuten Jennifer Ritzer und Lorenz Meinel angehören. Die
Forscher wissen schon, auf welcher Grundlage eine Frühdiagnostik
funktionieren kann: Wenn die Probleme rund um ein Zahnimplantat am
Entstehen sind, steigt lokal um das Implantat die Konzentration des
Enzyms Matrix-Metalloproteinase 8 (MMP-8) deutlich an. Diesen Anstieg
kann der Kaugummi diagnostizieren.
Erreichen lässt sich das
mit einem System aus einer kleinen Peptidkette, die zwischen einer
winzigen Kugel und einem Bitterstoff platziert ist. Überschreitet
die Enzymkonzentration aufgrund der Komplikation am Implantat im
Speichel eine bestimmte Grenze, schneidet das Enzym das Peptid durch
und der Bitterstoff wird freigesetzt – der Patient schmeckt ihn und
ist gewarnt.
Zwei Strategien im Blick
Um das Warnsignal
in den Mund zu bringen, verfolgen die Forscher zwei Strategien. Zum
einen wollen sie den Spezial-Kaugummi entwickeln. Zum anderen denken
sie daran, die Zahnimplantate selbst mit dem System aus Kugel, Peptid
und Bitterstoff zu beschichten.
Eine Million von der
EU
Welche der beiden Vorgehensweisen die bessere ist, soll in
dem zweijährigen, von der Europäischen Union (EU) mit einer Million
Euro geförderten Forschungsverbundes „STEP – Sensing
peri-implant disease“ herausgefunden werden.
Die
Gesamtprojektleitung hat der Schweizer Zahnimplantate-Hersteller
Thommen Medical AG. Auf wissenschaftlicher Seite erarbeitet die
Pharmazie der Universität Würzburg das diagnostische System
zusammen mit der Innovent e.V. in Jena, der PolyAn GmbH in Berlin,
der Universität Zürich, der Clinica Merli in Rimini (Italien) und
der Biovendor AG in Brünn (Tschechische Republik).
Kontakt
Prof.
Dr. Dr. Lorenz Meinel
Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie und
Biopharmazie der Universität Würzburg
T (0931)
31-83765
l.meinel@pharmazie.uni-wuerzburg.de
Quelle: idw online