Branchenmeldungen 15.02.2024

Drei Fragen an den KI-Experten Prof. Dr. Falk Schwendicke



Drei Fragen an den KI-Experten Prof. Dr. Falk Schwendicke

Foto: LMU Klinikum; sam richter – stock.adobe.com/ Generiert mit KI

KI-Experte und Visionär Prof. Dr. Falk Schwendicke hat seinen Arbeitsstandort gewechselt – Grund genug, ihn zu seinen Zielen in neuer Funktion und natürlich auch zur nächsten digitalen Revolution zu befragen.

Prof. Schwendicke, wie reiht sich der Wechsel von Berlin in die bayerische Hauptstadt in Ihre bisherige Vita ein?

Als Leiter der Abteilung für Orale Diagnostik, Digitale Zahnheilkunde und Versorgungsforschung an der Charité in Berlin waren die vergangenen vier Jahre eine große Freude und auch ein großes Experiment für mich, in der meine Affinität für digitale Diagnostik und künstliche Intelligenz in besonderer Weise zum Tragen kam. Letztlich aber komme ich aus der Zahnerhaltung und Präventivmedizin und die Berufung nach München greift diese früheren fachlichen Bezüge wieder intensiv auf. Die Zahnklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München ist sicherlich eine der leistungsfähigsten Kliniken in Deutschland mit tollen Leuten, vielen Optionen und zahlreichen Anschlussmöglichkeiten im Münchner Raum. Ich freue mich auf die neuen Aufgaben und glaube, dass das, was ich hier in München machen werde, auch in großen Teilen zu dem in Kontinuität steht, was ich über viele Jahre an der Charité gemacht habe, nämlich Zahnerhaltung, Präventive Zahnmedizin und, als Zusatzpunkte, Versorgungsforschung und datengetriebene Zahnmedizin.

Welche Kernbereiche möchten Sie als neuer Direktor gezielt gestalten und voranbringen?

An erster Stelle stehen hier sicherlich die Datenzahnmedizin und Virtualisierung von Patienten. Ich glaube ganz fest daran, dass wir in Zukunft nahezu jeden Patienten virtualisieren und mittels der resultierenden digitalen Zwillinge viele Behandlungen simulieren werden. So können wir Ereignisse vorausahnen und früher und präventiver für und zusammen mit unseren Patienten wirken. Hier möchte ich, ähnlich wie in Berlin, einen starken Forschungszweig installieren und gleichzeitig auch in der Lehre die Virtualisierung einbinden. Wir wollen die erste Klinik in Deutschland sein, die diese Möglichkeiten konsequent lebt. Der zweite Bereich ist das Thema Spezialisierungen in der Zahnmedizin – wir versorgen in München schon jetzt hochkomplexe Patientenfälle in zahlreichen Spezialambulanzen, u. a. für Patienten mit besonderem Unterstützungsbedarf, für seltene Erkrankungen, in Narkosen usw. Diese Leistung als „Maximalversorger“ auszubauen, ist sicher eine der Herausforderungen der Zukunft. Umgekehrt müssen wir aber natürlich trotzdem in der Krankenversorgung und in der Lehre die ganze Breite der Zahnerhaltung abbilden – diesem Spannungsfeld werden wir uns stellen müssen! Der dritte Bereich ist die integrierte Lehre nach neuer Approbationsordnung – hier müssen wir uns als Team neu orientieren und zu Teilen auch etablierte Konzepte neu denken. Ich verstehe es auch als meinen Auftrag, zusammen mit den Kollegen aus den benachbarten Polikliniken eine Vision für diese integrierte Lehre zu entwickeln und ein gemeinsames Konzept umzusetzen.

Was ist im Moment in Bezug auf KI in der Zahnmedizin State of the Art und wo geht die Reise hin?

State of the Art ist derzeit alles, was die Bildanalytik angeht. Das letzte Forschungsjahrzehnt war der Bild- und Videoanalytik gewidmet, mit dem Ergebnis, dass heute die Verarbeitung, zumindest was Alltagsbilder angeht, hervorragend funktioniert. Das betrifft die Gesichtserkennung im Telefon genauso wie die automatisierte Passkontrolle am Flughafen! Auch in der medizinischen (Röntgen-)Bildverarbeitung ist diese Technik mittlerweile State of the Art. In der nächsten Dekade wird es hingegen um die Sprachverarbeitung, das sogenannte Natural Language Processing, gehen: Hier wird in der Medizin die nächste Revolution stattfinden. Und zwar nicht, weil uns diese Technik in der Diagnostik oder Therapie zwingend besser macht, sondern weil sie ganz viele administrative Vorgänge abnehmen und Prozesse und Workflows verbessern wird. Wir werden viel mehr mit unseren Patienten automatisiert kommunizieren können und Verwaltungsprozesse vereinfachen. Computer werden Patientenakten auslesen können, Sprachdaten werden die Virtualisierung und die datengetriebene Zahnmedizin unterstützen und am Ende werden wir Sprache, Bild und weitere Daten mittels künstlicher Intelligenz zusammenführen. Der Mensch, Zahnärztinnen und Zahnärzte, werden in diesem Prozess aber nicht überflüssig, sondern müssen diese automatisierten Vorgänge begleiten und auch weiterhin Verantwortung für jegliche Entscheidungen, die aus der Nutzung dieser Technologien erwachsen, tragen. Dies wird uns vor neue Herausforderungen stellen und einen nachhaltigen Impact auf unsere Profession haben!

Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Paxis erschienen.

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